Bühnenschau: „Lichtspiel“ am Volkstheater

Christian Stückl inszeniert Daniel Kehlmanns Bestseller „Lichtspiel“ mit einem starken Ensemble am Volkstheater

Die Frage nach der Verantwortung der Kunst stellt Daniel Kehlmann in seinem Erfolgsroman von 2023 „Lichtspiel“ am Beispiel von Georg Wilhelm Pabst. In der Weimarer Republik war dieser Österreicher ein Regiestar, als die Nazis kommen, wandert er aus. In Hollywood scheitert er, er kommt zurück und lässt sich auf den NS-Film ein. Christian Stückl macht aus dem Roman am Volkstheater mit einem starken Ensemble ein Lehrstück darüber, wenn der Kunst die Moral wurscht wird.

Lichtspiel_MVT_Ensemble (c) Arno Declair

Ein paar Tische, ein großer Projektor, schwarze Filmdosen: Stefan Hageneiers dunkle Bühne bebildert Filmarbeit. Und damit das Zentrum in Pabsts Leben: Silas Breiding spielt einen enthusiastischen Filmdenker, mit unbedingtem Willen, nicht frei von Arroganz und Egomanie geht es ihm praktisch immer um sein kreatives Schaffen. Dafür arrangiert er sich mit dem System, kuscht vor Goebbels (Jan Meeno Jürgens), streitet sich mit Leni Riefenstahl (Nina Noé Stehlin). Trude, seine Frau (Carolin Hartmann), blickt weiter, sie entfremdet sich von ihm, flüchtet in den Alkohol, der (von Kehlmann erfundene) Sohn Jakob (Cedric Stern) geht zur Hitlerjugend.

Kehlmanns Mischung aus Fiktion und Realität sorgt auch bei Stückls psychologisch-dokumentarischem Zugriff für Irritation. Einerseits erfundene Figuren wie ein Erzähler und Interviewer (mit manchmal arg pädagogischer Intention) und ein alter Kameramann, dann wieder Kostümrealismus der 1930er Jahre, Filmausschnitte u.a. mit KZ-Zwangsstatisten, die Dialoge unterlegen: die wirkliche Wahrheit bleibt für den Zuschauer nicht abschließend durchschaubar. Trotzdem: großer Beifall für einen bewegend-spannenden und diskutablen Abend (drei Stunden mit Pause).