Beim Entschweben: EVERTHING THAT IS WRONG WITH ME

Theater im November: Farb-Inspirationen gegen Grau

Diese neuen Stücke sind die beste Medizin gegen Herbstfrust

Draußen lässt der Nebel ganze Straßenzüge verschwinden. Im Theatersaal fehlt plötzlich der Mitspieler aus Fleisch und Blut. Überraschung, bunte Vögel tauchen aus dem Nichts auf. Und irgendwer liest die Gedanken aus. Zauberhaft – magic & more ist die Varieté-Show, die das Dunkel erträglich macht. (GOP, ab 1.11.)

Einfach entschweben: Das ist der Traum von Jasmine Ellis in ihrer neuen Tanzperformance Everything That Is Wrong With Me. Die Regisseurin und Choreografin verwandelt Verletzlichkeit in Stärke. (HochX, 2. und 4./5.11.)

Ein 19-Jähriger soll seinen Vater kaltblütig erstochen haben. Nun droht ihm die Exekution. Dafür müssen sich Die zwölf Geschworenen einig werden. Unerbittlich tickt die Uhr. (Zentraltheater, ab 5.11.)

Nach Europa

Buchstäblich in einem Boot: Auf der Flucht Nach Europa raufen sich ein Christ und ein Moslem auf rauer See zusammen. Überleben können sie nur im Miteinander – gar nicht so leicht auf engstem Raum. (Werk 7, 5. und 25.11.)

Raus aus der Beklemmung: Verena Richter, Autorin, Musikerin und Bühnenkünstlerin, hat ein weites Herz für das Skurrile – und für das Miteinander von Tieren, Dingen, Menschen und scheinbar unerklärlichen Phänomenen. Im neuen Stück Flamingos aus Bielefeld hat zumindest einer eine gute Idee: ein Stachelschwein! (TamX, ab 6.11.)

Märchenhaftes Treiben mit fabelhafter Musik – nur diesmal nicht ganz so lang: Das Zauberflötchen dampft Mozart ein wenig zusammen, zur Freude nicht nur des ganz jungen Publikums. (Hofspielhaus, ab 10.11.)

Und dann schnallt sich Amadeus frech die E-Gitarre um: Mozart! ist die große, rasant inszenierte Eventproduktion, die ganz ohne Puderperücken auskommt. Michael Kunze hat den Text und die Liedtexte fürs schmissige Hit-Musical geschrieben. Yeah – mit Schmäh! (Prinzregentheater, ab 13.11.)

Extrem laut und unglaublich nah

Extrem laut und unglaublich nah: Jetzt sind wir doch nicht mehr in der Mozart-Welt, sondern mit dem Roman von Jonathan Safran Foer im New York nach den Terroranschlägen. Der neunjährige Oscar hat nur noch ein Andenken an seinen im eingestürzten World Trade Center gestorbenen Vater – eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. (Spagat, Bauhausplatz 3, ab 12.11.)

„Eine Rose gebrochen, ehe der Sturm sie entblättert“: Auch dahinter steht ein grausamer Tod. Doch so richtig passt Wortwahl und Patriarchatsterror nicht mehr in die Zeit, meint nicht nur Arna Aley. Sie kämmt im Auftragswerk Unsterblichkeit oder: Die letzten sieben Worte Emilia Galottis das widerborstige Bürgerliche Trauerspiel gegen den Strich. (Volkstheater, ab 15.11.)

Noch ein Gruselgruß von gestern: Marieluise Fleißer, die Elfriede Jelinek als „größte Dramatikerin des 20. Jahrhunderts“ gilt, skizziert in Eine Zierde für den Verein eine ungemütlich gereizte Welt – kurz vor Machtübernahme der Nazis. Im Zentrum steht mit der reisenden Vertreterin Frieda eine Frau, die sich als Einzelkämpferin in Zeiten der Weltmoralkrise durchschlagen muss. (Marstall, ab 16.11.)

Starke, schwierige Frau: Die „Göttliche“ steht im Zentrum des Ein-Frauen-Theaterstücks Aus dem Leben einer Diva, das Maria Callas in Nahaufnahme zeigt. (Deutsches Theater Silbersaal, 16.11.)

Eine irre Geschichte weitergedreht: Ondrej Skrabal wirft ein Licht auf einen Theaterverein, der sich in einer bayerischen Kneipe an einer Fortsetzung zu Georg Büchners „Leonce und Lena“ versucht. Nun hat Die automatische Königin die Macht im Land übernommen. Doch Bäuerinnen und Bauern blockieren die Straßen. Revolte! (Akademietheater, ab 20.11.)

In die Gegenwart holt der britische Autor und Regisseur Robert Icke Arthur Schnitzlers Krankenhausdrama „Professor Bernhardi“. Die Ärztin ist eine modernisierte Variante, der schauerliche Antisemitismus ist geblieben. Von einer „Operation am offenen Herzen“, schrieb die „Times“ aus London. (Cuvilliéstheater, ab 21.11.)

Eine Stimme gegen die Ausbeutung: Christiane Mudra hat für ihre Bühnen-Recherche Xploit:s Interviews mit Lieferfahrradfahrern, Putzkräften und 24-Stunden-Pflegebeschäftigten geführt. Geht unter die Haut. (Ehemaliger Kaufhof am Stachus, ab 22.11.)

Entspannung für die Seele: La Sylphide, der Zweiakter von Filippo Taglioni, gilt Kennern als romantischer Ballettklassiker par excellence. Im schottischen Hochland verliebt sich ein junger Schäfer in – wen sonst? – ein Wald-Fabelwesen mit Flügeln. Ein Vergnügen mit Luftwesen, die scheinbar mühelos der Schwerkraft trotzen. Schnüff! (Nationaltheater, ab 22.11.)

Zurück in die graue Realität: Drinnen, das Gewinnerstück des Münchner Förderpreises für neue Dramatik, dreht sich um eine junge Frau, die von jetzt auf gleich allein gelassen wird und die ihren ohnehin aufreibenden Alltag komplett nur organisieren muss. Reginas Lebensgefährte nimmt ein Jobangebot in Südamerika an. Als Mutter eines mehrfach behinderten Sohns muss sie den streng getakteten Tagesablauf stemmen – abends hängt sie kraftlos vor dem Kühlschrank. Und kriegt nicht mal die Tür auf. (Kammerspiele, ab 23.11.)

Ganz gern allein ist Geizhals Scrooge, der vom Familienmiteinander nichts wissen will. Doch dann bedrängen ihn plötzlich die drei Geister. TV-Star Michael Schanze und Autor Christian Berg haben den Dickens-Klassiker Eine Weihnachtsgeschichte in ein Musical verwandelt. (Deutsches Theater, ab 26.11.)

Mitreißend mitmenschlich: OSKAR
UND DIE DAME IN ROSA

Ein ganz lieber guter Geist ist dagegen Michaela May in der Freundschaftsfeier Oskar und die Dame in Rosa. Sie besucht den Zehnjährigen im Krankenhaus. Man lacht, philosophiert, macht Quatsch und bleibt zusammen – bis zum Ende. (Hofspielhaus, ab 27.11.)

Auftakt zu einer knorrigen Trilogie, inszeniert vom Intendanten Jochen Schölch: Zinnie Harris erzählt in Sonnenwende von einer Kleinfamilie, die ihr Heim am Fluss aufgeben muss, weil eine diktatorische Regierung das so will. Widerstand? Kaum möglich. Wie findet man eine Antwort auf Machtverlust und Unterdrückung? (Metropoltheater, ab 28.11.)

Kurioser Klamauk in Cornwall: Eigentlich wollte Frederic, der seine Freibeuter-Ausbildung erfolgreich hinter sich gebracht hat, den Enterhaken erst mal an die Wand hängen. Doch dann bläst der Generalmajor plötzlich zur Jagd: Ausgerechnet der Vater von Fredrics Geliebter möchte Die Piraten von Penzance bekämpfen. Wo findet man sicheren Halt – zwischen Gut und Böse? Die turbulente Comedy-Oper stammt aus der schmissig geführten Feder des einst legendären britischen Erfolgsduos Gilbert & Sullivan. Lachsalven los! (Gärtnerplatztheater, ab 29.11.)