Münchens Norden leuchtet: Jochen Schölch feiert mit seinem Metropoltheater aktuell 25-Jahre-Jubiläum
Herr Schölch, ein Vierteljahrhundert ist ja ein ganz schönes Brett. Wussten Sie zu Beginn eigentlich einigermaßen, auf was für ein Abenteuer Sie sich da einlassen – und haben Sie geahnt, dass es sich zum Glück vielversprechend entwickeln würde?
Ich hatte schon mit dem Schlimmsten gerechnet. Worauf ich mich einlasse, war mir allerdings klar. Was niemand vorsehen konnte: Dass es tatsächlich 25 Jahre funktioniert und dass unser Haus jetzt so schön dasteht. Man muss sich nur noch mal vor Augen halten, welche Ruine ich damals übernommen hatte.
So schlimm?
Na ja, es war ein baufälliges, altes Kino. Dass daraus mal so ein schönes Theater werden würde, war nicht abzusehen. Außerdem: Es steht ja im Münchner Norden.
Und?
Damals war das: Klärwerk, Müllberg, nicht viel Schönes. Um Gottes willen, wie kann man da ein Theater aufmachen? Die Gegend hat sich über die Jahre doch sehr verändert.
Weil Sie jetzt für viele Innenstädter gefühlt auf halber Strecke zum Bayern-Fußballstadion liegen?
Es gibt ja jetzt Neu-Freimann. Es wird unheimlich viel gebaut. Die Leute ziehen gern in unsere Nachbarschaft. Wir sind endlich nicht mehr Glasscherbenviertel. Wir befinden uns mitten in einer kleinen neuen Stadt. Diese Entwicklung hätte damals niemand geahnt.
Und Sie haben die Gentrifizierung aktiv mit beschleunigt durch ein attraktives, kulturelles Umfeld?
Ich fürchte, das könnte man so sehen. Auch wenn ich unsere Rolle nicht zu groß bewerten möchte. Aber die Politik, also der Bezirksausschuss vor Ort, hat mir schon gesagt, dass unser Theater das Viertel sehr aufgewertet hat.
Das Metropoltheater ist wirklich ein wunderschönes Haus. Trotzdem: Hatten Sie auf dem Schirm, wie viel Zeit Sie anfänglich in Arbeitskleidung und Gummistiefeln verbringen würden – und zunächst weniger bei der Text- und Schauspielerarbeit?
Damit hatte ich schon gerechnet, und das hat mir auch immer gefallen. Ich hatte seinerzeit schon die alte Teamtheater-Tankstelle mitgegründet. Wir bekamen dort dann Chancen, das Theater zu vergrößern. Das Areal auf der alten Tankstelle, die ebenfalls sehr verfallen war, blieb für uns lange eine Baustelle. Wir haben alles dann komplett saniert. Ein tolles Theater – nur es war eben nicht mein Ding.
Wie meinen Sie das?
Ich wollte unbedingt mal ein eigenes Theater haben, das dann nach meinen Vorstellungen funktioniert. Deswegen habe ich dann irgendwann beschlossen, ein eigenes Haus aufzumachen.
Mutig.
Ich hatte nur Schulden am Anfang. Finanziell war das zu Beginn ein Selbstmordunternehmen.
Das Metropoltheater steht für einen bemerkenswerten Geist, der ja auch viele Fans immer wiederkommen lässt. Welche Besonderheit war Ihnen – neben der Programmgestaltung – immer schon zentral wichtig?
Es ist ein kleines Haus, aber die Bühne ist es nicht. Wir gastieren ja sehr viel im deutschsprachigen Raum – auch in großen Häusern. Da merken wir immer wieder: Unsere Bühne ist mit ihrer Breite und Tiefe eigentlich eine Bühne, wie man sie aus Stadt- und Staatstheatern kennt. Von Anfang an war es meine Entscheidung, das so zu behalten. Es hätte auch die Möglichkeit gegeben, das alte Kino, das es ursprünglich mit 350 Plätzen mal in den 50er Jahren war, anders aufzuteilen – mit einer kleinen Bühne und dafür mehr Platz im Zuschauerraum.
Was sprach dagegen?
Wir machten daraus eine Mischform. Es war meine Entscheidung, die Zuschauerplätze zu begrenzen, was wirtschaftlich natürlich schwierig ist. Aber für mich muss die Bühne die Breite und Höhe haben, dass man auch Bilder bauen kann. In den freien Theatern, in denen ich zuvor war, hätte so was nicht funktioniert. Ich habe aber viel in ganz Europa inszeniert und in München auch am Residenztheater und an anderen Häusern. Ich liebe es, Luft für Bilder zu haben. Das wollte ich in meinem Haus auch.
Gleichzeitig gibt es eine Intimität und gefühlt einen engen Kontakt zu Ihrem Künstler-Team.
Es geht uns um ein Gesamterleben.
Was heißt das für Sie genau?
Man kommt vor der Vorstellung – unser Publikum nimmt das je sehr gerne an – zunächst mal zu uns ins Theater, um dort noch ein Glas Wein zu trinken und sich so auf den Abend einzulassen sowie Menschen zu begegnen. Auch danach hat man noch die Chance, sich mit denen, die man da gerade gesehen hat, zwanglos auszutauschen – wenn man das möchte. Man sieht sich im selben Raum und man kommt bei uns schnell ins Gespräch.
„Das meine ich mit Gesamterlebnis: Man kommt nicht an einen Ort, schaut Theater und entscheidet sich dann, noch zwei Straßen weiter in eine Bar zu gehen. Man macht das alles bei uns – als Gemeinschaftserlebnis auch mit der Künstlerfamilie.“
Jochen Schölch
Sie spielen durchaus Stücke, die ein gewisses Nachbetrachten oder auch einen Austausch geradezu beflügeln. Sie hätten es sich – wirtschaftlich gesehen – vielleicht mit einer boulevardesken, gefälligeren Programmauswahl vermeintlich leichter machen können. Sie setzten Stücke auf den Spielplan, oft auch mal starker Tobak, die gesellschaftlich ernst sind.
Absolut! Es kommt darauf an, aus welcher Perspektive man sich für ein Spielplan entscheidet: Ist es das Schielen auf das, von dem man glaubt, dass es das Publikum angeblich unbedingt sehen möchte? Oder achtet man darauf, was in einem selbst brennt? Und das möchte man thematisieren. Mich interessieren Beziehungen. Ich mache viele Familiengeschichten, das ist einer der Schwerpunkte in diesem Theater.
Beziehungsarbeit im weitesten Sinne.
Na klar, es sind Beziehungen von Menschen, also dysfunktionale Beziehungen. Auf Programmschienen wie Schuld und Schein greifen wir auch gesellschaftliche Themen wie die Auswüchse der Finanz- oder jetzt Gesundheitsindustrie auf.
Etwa mit dem neuen Juli-Stück „Geld oder Leben“ von Ulf Schmidt.
Wir können die Dinge nicht einfach so als gegeben annehmen. Ich möchte sie natürlich mitgestalten. Mich interessiert erst mal der Mensch, ich bin Geschichtenerzähler. Ich will gute Geschichten erzählen und ich glaube an die Kraft von Geschichten, deswegen interessiert mich nicht unbedingt immer die Form.
Wie meinen Sie das?
Ich will nicht die 15. Variante von „Macbeth“ machen, so wie sie vielleicht zuvor noch nie einer gemacht hat. Mein Prinzip fängt damit an: Ich frage mich, welche Geschichte ist so wichtig, gerade jetzt erzählt zu werden? Und dann kommt erst die Frage der Umsetzung.
Dann müssen Sie aber doch auf lange Vorbereitungsphasen für die Stücke setzen, um sie für das Haus handhabbar zu machen?
Das ist auf jeden Fall Teil des Prozesses – seit jetzt eben schon 25 Jahren. Und auch die Theaterverlage haben mit der Zeit unser Profil genau bemerkt. Sie haben dann auch angefangen, uns Vorschläge zu machen.
Wirklich?
Es kommt mittlerweile viel Verlags-Material auch von Autoren, die ich vielleicht noch gar nicht kannte. Es ist toll, dass unser Profil sichtbar wurde.
Es muss doch der Ritterschlag sein, wenn das Metropol fast in einem Atemzug mit den städtischen Bühnen genannt wird?
Ich finde das ganz wichtig, dass man uns diese Qualität zutraut – und dass man den Geist des Hauses erkennt. Ich inszeniere immer wieder auswärts an Häusern, wo man versucht, möglichst alles abzudecken, also ein bisschen Mischmasch – von der leichten Komödie bis zu dem gesellschaftskritischen Stück. Das ist natürlich nicht unser Weg. Unsere Zuschauer kommen zu uns, weil sie unseren Stil schätzen. Und dabei machen wir ganz oft Stücke, deren Titel vorher kein Mensch kennt.
Ich möchte jetzt keine Tipps zur Selbstausbeutung hören. Aber weil man sich von Ihrer Energie ja durchaus mitreißen lassen kann: Wie schaffen Sie es eigentlich, ein Theater zu führen, Professor in der Ausbildung zu sein, gleichzeitig hier wie auch an anderen Häusern zu inszenieren. Hat Ihr Tag mehr als 24 Stunden?
Es hat mit Leidenschaft zu tun! Es gibt auch die Kehrseite meiner mehreren Tätigkeiten – also die Routine- und Verwaltungsarbeiten. Ich war relativ schnell dahinter her, mit von diesen Aufgaben wieder zu lösen und habe dafür zum Glück ein großartiges Team mit echten Spezialisten. Ich bin ja angetreten, Geschichten zu erzählen, mit Leuten, mit Schauspielerinnen und Schauspielern zu arbeiten und sie entdecken – auch in der Ausbildung. Da bin ich voll dabei. Wenn man sieht, was wir im Metropoltheater alles machen – rund 250 Vorstellungen im Jahr – und dann fahren wir auch noch zu über 30 Gastspielen in Deutschland, Österreich, Schweiz, Deutschland: Oft glaubt uns keiner, dass wir all das mit dieser kleinen Mannschaft schaffen. Aber bei uns sind alle mit Leidenschaft dabei – und damit funktioniert es.
Dann ist doch sicher auch so ein Vierteljahrhundert eine schöne Zäsur, nicht nur um Standorte zu bestimmen, sondern sich vielleicht auch ein bisschen selbst auf die Schulter zu klopfen?
Es gibt es schon Stolz. Wie schön, dass die Entwicklung ja immer weitergegangen ist! Wir wollen uns zum 25-Jahre-Jubiläum aber nicht mit Museumsdenken aufhalten. Es geht um die Frage: Wofür brennen wir denn jetzt, wo wollen wir als Nächstes wir hin?
Soll heißen, Sie können uns schon den Masterplan oder auf jeden Fall Grundzüge der Spielzeiten der nächsten 25 Jahre erzählen, oder?
Mal abwarten: Ob ich die 25 Jahre noch mache, weiß ich nicht. Jeder muss ja sehen, wie lange die Gesundheit uns all das noch möglich macht.
Theaterleuten wird immer Talent zum Feiern nachgesagt. Wie feiern Sie das Jubiläum?
In zwei Schritten. Es gab schon eine schöne große interne Feier – mit rund 140 Leuten. Man erkennt von außen nicht immer so leicht, wie viele Leute eigentlich an all unseren Projekten direkt beteiligt sind. Nach der tollen Betriebsfeier gibt es jetzt eine Feier für alle.
Am 13. Juli, oder?
Da steigt unser Sommerfest – jetzt mit der Überschrift „25 Jahre“. Jeder, der das Haus liebt, kann bei uns vorbeikommen und mit uns anstoßen!
Visionär: Der Theaterregisseur Jochen Schölch hat das Metropoltheater, das er als Intendant führt und an dem er selbst viel inszeniert, einst selbst gegründet. Zudem ist er an der August Everding Theaterakademie Professor im Studiengang Schauspiel. www.metropoltheater.com