Wie ANDRÉ HARTMANN als künstlerischer Leiter die Lach- und Schießgesellschaft wieder glänzen lassen möchte
Herr Hartmann, Sie ziehen in einer traditionsreichen Kulturstätte die Strippen – nach einer Pleite und extrem unruhigen Monaten, bis der „Laden“ durch die Initiative „Die Ladenhüter“ gerettet werden konnte. Wie lange mussten Sie überlegen, ob Sie sich auf Ihr Ehrenamt einlassen sollten?
Viele meiner Bekannten haben mir gratuliert – und gleichzeitig kondoliert. Immer verbunden mit der Frage: André, was hast du dir da aufgehalst?
Und Ihre Antwort?
Sie haben schon recht. Der Betrieb erfordert viel Leidenschaft. Aber das Planen und Ermöglichen macht mir Freude. Jetzt hoffe ich, dass auch die Umsetzung funktioniert und dass die Menschen unser Angebot gerne annehmen.
Worauf freuen Sie sich denn fürs nächste Jahr am meisten?
Ich habe mir richtig viele tolle Sachen überlegt für die nächsten Monate. Wir lassen Künstler auftreten, deren Bekanntheit vom Newcomer zum Bühnenprofi reicht. Vom Alter geht es von Jung bis Alt. Nur beim Niveauherz starten wir sicher nicht bei null.
Passt denn traditionell politisches Kabarett noch in eine Welt, in der Influencer den Circus Krone ausverkaufen?
Mit Sicherheit ist das, was man als schwarz-weiß Fernsehprogramm noch aus den 60er Jahren kennt, ein bisschen überholt.
Wie reagieren Sie?
Wir werden nicht in diesem Stil weitermachen. Allerdings hat die Mission von Dieter Hildebrandt meiner Meinung nach immer noch Bestand. Es geht darum, mit spitzer Zunge die Obrigkeit vorzuführen. Sagen, was Sache ist! Man kann das auch etwas humorvoller machen. Und wenn es im Comedystil passiert, dann ist das auch in Ordnung.
Comedy, wirklich?
Ich schätze den Begriff der Political Comedy. Der ist, finde ich, brauchbarer als das verstaubte Genre politisches Kabarett.
Erklären Sie doch mal Political Comedy.
Sie hat eine gesellschaftliche Dimension. Es geht nicht um Männer, Frauen und Einparkwitze. Mario Barth werden wir hier nicht machen. Könnten wir auch gar nicht.
Zu teuer?
Das ginge schon, wir müssten dann wahrscheinlich halt 700 Euro Eintritt verlangen. Aber nein: Es soll bei uns für alle bezahlbar bleiben. Es wird auch ei- nen Sonderpreis geben – und Veranstaltungen, die wir dann günstiger machen als die normalen.
Sie sind ja bestens vernetzt. Klingelt jetzt bei Ihnen permanent das Telefon – mit Kollegen und Freunde, die im Laden auftreten wollen?
Mit vielen Menschen aus meinem Bekanntenkreis habe ich tatsächlich schon Gespräche geführt. Ich habe viele Ideen, und es kommen auch ab und zu Ideen zu mir. Meistens wird mir eine Künst- lerin oder ein Künstler empfohlen.
Spannend. Kostet aber auch viel Energie.
Ich lasse mich gerne inspirieren und schaue mir auch viele Programme von Kollegen an.
Eigentlich sind es ja zwei Herzen, die in Ihrer Brust schlagen: Sie sind ja auch selbst Kabarettist. Wie kommt Ihnen das entgegen, dass Sie beide Seiten kenne – als Künstler und als Veranstalter?
Ich habe ein neues Verständnis für den Gesamtbetrieb. Es ist gar nicht so schwerden Spagat hinzubekommen. Außerdem sind es noch ein paar mehr Herzen in meiner Brust.
Noch mehr?
Ich bin immer noch auch als Lehrer tätig, wenn auch in Teilzeit. Und dann gibt es noch den Hilfsverein, dem ich vorstehe.
Die Nepal-Hilfe?
Die möchte ich nicht vernachlässigen. All das gibt mir Kraft. Es gibt eine gute Energie im Laden.
Werden Sie denn auch mal selbst auftreten in „Ihrer“ Lach- und Schießgesellschaft?
Es gibt in Bayern die Vetternwirtschaft. Ist es jetzt Spezlwirtschaft, wenn man sich selber bucht – oder wenn man sich gerade nicht mehr bucht? Ab und zu werde ich auf dieser Bühne aus dem Schatten treten. Generell will ich sehr präsent sein, um ganz für den Laden da zu sein. Man kann mit mir vor Ort reden, ich werde Einführungen abhalten – oder auch mal Karten abreißen. Bei Lesungen werde ich vielleicht auch die Musik gestalten.
Wann wird es ein neues Ensemble-Stück geben?
Zunächst einmal: Es ist großartig, dass unser Ensemble dem Laden so sehr die Treue gehalten hat. Und die Aufführungen im Silbersaal oder in der Drehleier laufen ja weiter – auch ihre Auftritte auf Tourneen. Trotzdem: Wir sind schon am Überlegen, wie ein neues Stück entstehen könnte. Aber ein Nachfolgestück wird sicherlich nicht vor dem nächsten Herbst herauskommen. Momentan gibt es zum Glück noch viele Menschen, die unser laufendes Stück sehen wollen – und müssen. Es ist so hochaktuell, dass es auch hier in München noch lange laufen kann.
Auch im Ensemble-Stück dürfte ja nicht jedes Wort in Stein gemeißelt sein?
Es wird laufend was ergänzt. Allerdings sind viele der Themen in „Abgespeckt“ so umfassend, dass man da gar nicht groß daran feilen muss.
Was heißt Ihr Engagement für den Laden mittlerweile für Sie persönlich: Sind Sie jetzt hier der gute Hausgeist?
Ich fühle mich hier nach vielen Jahren weiterhin noch als Gast. Wenn ich merke, dass ich als künstlerischer Leiter Erfolg damit habe, bleibe ich dabei. Ich bin aber auch schmerzfrei, wenn es nicht der Fall ist.
Und wo steht Ihr Feldbett?
Das gibt’s noch nicht. Ich verbringe viel Zeit hier – auch bis spätnachts. Aber wer mich finden möchte: Ich stehe meist am Eingang.
ZUR PERSON: Auf du und du mit dem Alt-OB: Christian Ude, der sich vehement für die Wiedereröffnung der Lach- und Schießgesellschaft starkgemacht hat, kennt ANDRÉ HARTMANN schon deswegen bestens, weil er ihn beim Derbleck’n auf dem Nockherberg imitierte. Hartmann, Musikkabarettist, Stimmenimitator und Conférencier, ist künstlerischer Leiter im Laden. Das Programm – geplant: mindestens zwei Aufführungen pro Woche – ist aber nicht nur in Alt-Schwabing, sondern auch zu Gast im Silbersaal und in der Drehleier zu sehen.