Lachen und Lernen: Chin Meyer spießt die ernsten Themen mit Humor auf. Die tollen Auftritte – 6. November in der Pasinger Fabrik – sichern auch seine Rente.
Herr Meyer, wie häufig greifen Sie zum Handy, um unterwegs den Finanzstand ihrer Anlage-Depots zu checken?
Nicht besonders häufig. Ich nutze es vor allem, um meine Mails zu checken oder um News zu lesen. Ich werde aber schon unruhig, wenn ich eine richtungsweisende globale Zins-Entwicklung oder eine Kursrallye an den Börsen beobachte.
Sie verfolgen Wirtschaftsthemen genauso leidenschaftlich wie andere Leute Fußballergebnisse?
Nein. Aber es ist eben mein Thema – ich finde Finanzthemen spannend, und da sie unser aller Leben tangieren, ohne dass die meisten Menschen das direkt merken, verfolge ich die Entwicklungen und verarbeite sie zu humorvollen Leckerbissen. Ich bin also eher ein (meist veganer) Metzgermeister, der Entwicklungen „verwurstet“.
Junkie-Symptome, wenn Sie sehen: Die Kurve geht steil nach oben oder die Kurse stürzen ab?
Eher eine leichte Befriedigung, wenn es hochgeht – und eine fette Panik, wenn sie abstürzen. Schließlich geht es um meine Rente! Dann muss auch ich mich daran erinnern: Im Endeffekt sind das nur Zahlen auf einem Display. Am Ende des Lebens gehen wir mit leeren Händen raus – und haben immer einen Totalverlust. Diese Absurdität ist mein Thema.
Wirtschaft auf der Kabarett-Bühne ist ja nicht das aller naheliegendste Thema. Sie haben es ja wirklich zu einer enormen Kunstform ausgebaut. Steckt da auch ein bisschen ein Volksaufklärer in Ihnen?
Aber sicher! Mein Wunsch ist, den Leuten die Widersprüche des Systems klarzumachen. Aber in der Hauptsache will ich den Menschen Leichtigkeit und Freude vermitteln.
Wie sind Sie dazu gekommen?
Ganz zufällig. Interessanterweise hat meine Leidenschaft fürs Geld und die Finanzthemen auch etwas mit München zu tun.
Mit Durchblick: Seine vielen Jobs als DJ, Masseur, Heilpraktiker, Taxifahrer, Koch und Straßenkünstler führten Chin Meyer unausweichlich zu seinem aktuellen Hauptberuf: Finanzdschungelforscher. Der gebürtige Hamburger, der gerne in München ist und dort auch schon länger lebte, tritt als „Cash Man“ am 6. November in der Pasinger Fabrik auf. Eine lohnende Investition!
Wir sind gespannt!
Ich habe mal in Seefeld-Hechendorf gelebt und damals in München bei „Tatwort“ gespielt.
Der Impro-Truppe?
Genau, das bekannte Improvisations-Theater. Dann bekam ich Anfang der 2000er Jahre die E-Mail eines Restauranttheaters, das seinerzeit „Pump, Duck and Circumstance“ heiß. Man servierte den Gästen dort damals ein Viergänge-Menü und dazwischen halt eine Show. Ich war als der „böse Clown“ gecastet.
Tatsächlich?
Was ist das Schlimmste, was sich ein Gastronom vorstellen kann? Die Steuerfahndung! Alfons Schuhbeck, den ich damals auch ein paar Mal persönlich bespaßen durfte, lässt grüßen. Ich sollte also dieser Steuerfahnder sein, der immer zwischen den Leuten herumlief, um ihnen das Leben schwer zu machen. So bin ich zum Thema Steuern und Wirtschaft gekommen. Ich habe mich dafür zudem lange eingelesen.
Ohne Ihnen allzu nahe treten zu wollen: Aber man hat ja immer ein bisschen den Verdacht, dass die Buchhaltung der Künstler auch aus einem Papier-Verhau besteht und die Steuerbeamten privat der ärgste Feind sind.
Ich glaube, die kreative Buchhaltung macht jeder, der einigermaßen selbstständig arbeitet. Da kann es schon mal vorkommen, dass eine Rechnung in der Aufstellung um eine Zeile verrutscht. Und dass nicht jedes Kollegenessen hundertprozentig geschäftlich war. Aber in Wirklichkeit stimmt ja leider auch: Bei Künstlern, selbst den vermeintlich ganz großen, ist ja eher wenig zu holen.
Bitter.
Das Durchschnittseinkommen freier Künstler bei der Künstlersozialkasse (KSK) beträgt etwa 19.000 Euro – pro Jahr! Das heißt: Es gibt einige wenige, die mehr verdienen. Und andere, die verdienen sehr viel weniger. Hinter jedem großen Künstler steckt in der Regel eine hart arbeitende PartnerIn.
Wenn Sie sich so stark eingearbeitet haben und quasi vom Fach sind: Müssen Sie in der Theaterkantine oder auch hinter den Bühnen, auch in den Kabarettklubs, jetzt immer auch noch die Kollegen beraten und dem Wirt helfen, die Millionen zur Seite zu schaffen?
Nö, aber es kommt vor, dass Leute mich fragen: Was machst du mit deinem Geld? Ich gebe dann immer relativ langweilige Tipps.
Welche?
Nach dem Motto: Leg’ dein Geld breit streuend an! Oder wie der Komiker Danny Kaye mal sagte: „Geld allein macht nicht glücklich. Man braucht auch Aktien, Immobilien und Gold.“
Brandet Applaus auf, wenn Sie in Ihre Bankfiliale gehen?
Na klar, Standing Ovations! Aber im Ernst: glücklicherweise ist es schon so, dass viele Menschen einen Sinn für Humor haben – und auch über das eigene Leben und über das eigene Sein lachen können. Genau diese Bereitschaft will ich in meinen Programmen herauskitzeln. Ich will, dass die Leute einmal vergessen, wie ernst man das alles nimmt – etwa den persönlichen Status und seine gesellschaftliche Position.
Sie haben sich ja durchaus auch mit unkonventionellen Lebensformen und nicht immer strikt gutbürgerlichen Berufen arrangiert.
Das ist richtig, ich habe viele bunte Dinge in meinem Leben erlebt. Und auch viele Brüche aushalten müssen. Manchmal war ich sehr verzweifelt. Aber in mir drin gab es immer die Zuversicht, dass dann doch immer wieder etwas Neues passiert und sich alternative Wege ergeben. Der klassische Steuerberater wurde mir nicht in die Wege gelegt.