Wo man hinblickt, sind die Leute wütend. Ist das immer problematisch? Fast.
In Folge eins der Helmut-Dietl-Serie „Münchner Geschichten“ sieht Anna Häusler (gespielt von Therese Giehse), die Oma des Protagonisten „Tscharlie“, wie eine junge Dame, die gegen den Abriss eines Wohnhauses protestiert, unrechtmäßig in Polizeigewahrsam genommen wird. Sie bekommt „eine solcherne Wut“, mischt sich ein und gibt vor, mit der Demonstrantin zusammenzuwohnen. Das Mädchen kann aus dem Polizeiauto wiederaussteigen und begleitet die Oma Häusler erleichtert mit zu ihrer Wohnung ins Lehel. Merken Sie was? In der Nacherzählung hat ein Gefühl als Hauptmotivator eine entscheidende Rolle gespielt, ein Gefühl, das auch aktuell ziemlich um sich greift… Die Wut.
Die Oma Häusler hat sie empfunden, fruchtbar gemacht und in eine (positive) Tat umgesetzt. Leider läuft das aktuell um uns herum nicht so. Viele sind aus diversen Gründen -große Konflikte, kleine Alltagsprobleme, Inflation etc.-, von denen ich die meisten nicht klein reden wollen würde, wütend, tragen das dann mit sich rum und entwickeln daraus eine Grundfrustration. Ich glaube viel davon liegt auch in etwas begründet, das wir mittlerweile gar nicht mehr hinterfragen: Wir lesen in der heutigen Informationsflut nur noch die Überschriften, teilen das, was wir davon behalten konnten in zwei sich gegenüberstehende Parteien auf, von denen wir meinen, uns für eine entscheiden zu müssen und diskutieren darüber dann auf sozialen Medien deren Algorithmen den Dissens fördern, ja die teilweise von ihm leben. Dort teilen wir aus und bekommen auch sauber auf den Deckel. Manchmal berechtigt, manchmal nicht. So hab ich’s mir zumindest aus drei, vier Überschriften zusammengeklaubt.
Kein Wunder, dass wir alle frustriert sind und das im Alltag zunehmend wunderlichere Blüten treibt: Menschen schimpfen pauschal gegen die Ampel-Regierung oder Israel oder die Medien oder Impfungen oder gegen die Bauern oder für die Bauern oder für die Ampel-Regierung, oder, oder… und wenn man sie darauf anspricht, was genauer ihr Problem ist, geraten sie schon ins stocken und flüchten sich in Floskeln. Ihre Wut ist so groß, dass sie auf die Straße gehen und laut werden, aber nicht so geleitet, dass sie eine Argumentation formulieren könnten oder auch nur einen relevanten Artikel gelesen hätten. Hier ist der große Unterschied zur Anna Häusler: Die hat in einer Situation des beobachteten Unrechts ein Gefühl in sich gespürt und selbstlos gehandelt.
Die Wut, die man aktuell oft beobachtet, ist um ein gehöriges Maß eitler. „Schaut mich an, ich bin laut wegen etwas, das ich selbst nicht verstehe, aber das Wichtigste ist: Schaut mich an!“ Dabei verdienen sehr viel aktuelle Missstände ein gehöriges Maß ehrlicher, informierter, selbstloser Wut. Zudem: wenn man sich mit einem Thema nicht auskennt, ist es auch ok, einfach mal nicht direkt Stellung zu beziehen. Und wenn man ganz ehrlich mit sich ist, merkt man: Man kennt sich mit vielem nicht so richtig aus. Sich das einzugestehen, kreiert aber auf den sozialen Medien wenige Likes. Aber mit Blick auf die Demo gegen Rechts außen vom 21.1. sei beruhigt festgestellt: Ein paar Oma Häuslers, scheint es in München und Bayern ja durchaus noch zu geben. Treten wir dafür ein, dass es so bleibt!