Platten aus nah und fern für den September von und mit: Travis, Cigarettes After Sex, Ray LaMontagne, Fontaines D.C., David Gilmour, Jack White u.a.
Travis – L.A. Times
Skid Row wird gemeinhin als gefährlichstes Viertel von Los Angeles gehandelt, was dann schon was heißen will in diesem gewalttätigen Moloch. Letztens erst schrieb SZ-Korrespondent Jürgen Schmieder einen bestürzenden Artikel über obdachlose Kinder, die dort auf der Straße leben müssen. Dazu passend die stilisierte Polizeisirene zum Ende des Openers „Bus“. Diese ist wahrscheinlich auch das einzige was Fran Healy groß mitbekommt, lebt der Bandleader aus Glasgow doch seit gut zehn Jahren, was auch das Cover zu bestätigen scheint, eher am Rande des Elendsquartiers. Musikalisch klingt das dann auch eher versöhnlich: In sich ruhende, immer noch britisch geprägte Popmusik, harmonisch ausgereift und stilvoll arrangiert und instrumentiert. Schöne Platte, mit düsterem Hintergrund. Produziert hat übrigens Tony Hoffer (Air, Beck, Phoenix).
Cigarettes After Sex – X’s
Was mich am meisten fasziniert an Cigarettes After Sex? Ihre Konsequenz! Egal ob live oder auf Album, sie bleiben sich so dermaßen treu, dass man schier sprachlos ist. Beeindruckend auch „X’s“ ihr bislang dritter Longplayer. Frontmann, Gitarrist, Hauptsongwriter und Sänger Greg Gonzalez, ist auch inhaltlich eher eindimensional unterwegs, denn es geht auch hier wieder um die Liebe in all ihren Facetten. Mal roh, mal schmutzig und hinterhältig, niemals aber unästhetisch oder gar versaut und mehrheitlich sowieso eher fantasievoll, zärtlich und verspielt. Romantik und Poesie treffen auf sachten, samtpfotigen Dreampop-Slow-Core für all jene, die die Menschheit noch nicht ganz verloren geben wollen. Rotwein einschenken, Zigarette anzünden, Füße hoch und genießen. Sex vorher kann, muss aber nicht unbedingt sein: Love it!
Ray LaMontagne – Long Way Home
Ray LaMontagne ist nie wirklich in meinen Top 10. Oder Top 100. Also nicht von Dauer… Aber immer, wenn ein neues Album erscheint freue ich mich doch, höre mit Begeisterung (so ca. eine Woche) und dann verliert sich mein Interesse wieder. Warum das so ist? Keine Ahnung. „Long Way Home“ nun könnte sich vielleicht etwas länger halten. Sommerlich ist das, was der Mann aus New Hampshire saisonal bedingt anbietet. Dabei macht er es den Menschen, die seine Version des Americana und Folk hören, nie zu einfach. Auch er ist einer der mit seinen ausgeschlafen komponierten Songs eher gehobene Ansprüche bedient. Selbst dann noch, wenn die Pedal Steele-Gitarre wie bei „I Wouldn’t Change Anything“ oder die Mundharmonika bei „And They Called Her California“ etwas (zu) aufdringlich jaulen. Aber meine Highlight’s sind eh das eher funky angehauchte „Step Into Your Power“, das getragene „Yearning“, der Uptempo-Stomper „My Fair Lady“, das stimmungsvoll gepickte „The Way Things Are“, das schwelgerische „Le De Dom, Le De Da“ sowie das psychedelisch bekiffte Instrumental mit dem wunderschönen Titel „So, Damned, Blue“ aus dem das magische – an Father John Misty erinnernde – Grande Finale „Long Way Home“ hervorgeht.
Fontaines D.C. – Romance
Beginnen wir chronologisch mit dem an Nummer eins gesetzten Titelsong zu „Romance“. Ein getragener, dystopisch anmutender Track, zwischen Verletzlichkeit und Verlustangst: „Into the darkness again. In with the pigs in the pen. God knows I love you. Screws in my head. I will be beside you. ’Til you’re dead.“ Kein Wunder also, dass mit „Starburster“ ein extrem intensiver Song folgen muss, der in diesem Fall von einer Panikattacke inspiriert wurde, die Leadsänger Grian Chatten im Londoner Bahnhof St. Pancras erlitt. Hilft nur tiefes Einatmen, was man hier akustisch eindrucksvoll festhielt. Es folgt, logisch: Ausatmen und zwar bei „Heres The Thing“, was ebenfalls deutlich hörbar gemacht wurde. Bombenstark der ebenso hymnische wie hypnotische Schleicher „Desire“. Ganz großes Post-Punk-No-Wave-Kino dann auch „In The Modern World“ gefolgt vom eher akustischen Folk-Punk-Rocker „Bug“. Besonders mag ich auch den Shoegaze von „Sundowner“. Ganz allgemein: Tolle Platte! Wahrscheinlich die beste der Fontaines D.C. (7.11. Zenith)
Kurz & Knapp
Kitty Solaris – James Bond
Wirklich bewundernswert wie hartnäckig und zugleich stilbewusst sich Kirsten Hahn alias Kitty Solaris in der deutschen Indieszene behauptet. Die Einzelkämpferin und Labelinhaberin aus Berlin verzaubert auch auf ihrem neuen Album mit ebenso geschmeidigem wie gescheitem Pop irgendwo zwischen 80s Wave, funky Beats, unaufdringlichem Electro und Dreampop.
David Gilmour – Luck & Strange
Es ist das erste Album, des Pink Floyd-Sängers und -Gitarristen seit neun Jahren. Und man freut sich mal wieder diese charismatische Stimme zu hören, und klar, über sein bluesiges Gitarrenspiel natürlich auch. Klar auch, dass ich Gilmour zum letzten mal vor 18 Jahren ausgiebig zuhörte, da nämlich war sein Konzert auf dem Königsplatz, sehr schön war das. Schön auch vieles hier, so etwa eine Aufnahme des verstorbenen früheren Pink Floyd-Keyboarders Rick Wright und der Harfeneinsatz von Gilmours 22-jähriger Tochter Romany.
Jack White – No Name
Ja, das ging flott. Einen Tag vor der Veröffentlichung ereilte uns eine Email, dass der große Neo-Blues-Zampano Anfang August ein neues Album herausbringt. Knackig ist es geworden, 70s Riffrock, irgendwo zwischen T.Rex und mal erdigem, mal hyperaktivem Blues. Manchmal ein wenig einfältig und sessionmäßig hingeschlampt, andererseits aber auch erfrischend ungekünstelt, rau und alles in allem dann doch wieder packend.
Stadlober & Tucholsky – Wenn wir einmal nicht grausam sind, dann glauben wir gleich, wir seien gut
Wer gerade im Kino als Joseph Goebbels über die Leinwand flimmert so wie Robert Stadlober gerade in „Führer und Verführer“, dem hört man gerne zu, wenn er über den Faschismus spricht. Und so liegt es ihm am Herzen, seine antifaschistische Haltung – zu Nazi-Deutschland und den Faschisten und Neo-Nazis unserer Zeit – mit diesem Album kundzutun. Musikalisch packt er dabei die aufrüttelnden Texte des Schriftsteller Kurt Tucholsky, die ca. 100 Jahre später leider nichts an Aktualität verloren haben, in unter die Haut gehenden Indie-Folk-Pop, der mal an PeterLicht mal an Tom Liwa (Flowerpornoes) erinnert. Muss man einfach lieben.
Smashing Pumpkins – Aghori Mhori Mei
Außer Bassistin D’arcy Wretzky sind sie seit geraumer Zeit also alle wieder da: Drummer Jimmy Chamberlin, Leadgitarrist James Iha und – natürlich – Ober-Kürbis Billy Corgan. Und so knüpfen sie mit ihrem neuen Album sound- und songmäßig nahtlos an die 90er-Jahre an, in denen sie gemeinsam mit Nirvana und Pearl Jam die Speerspitze des Grunge bildeten. Well done: Rockt!
Heimspiel:
Principess – Dito
„DIE FEMINISTISCHE RETTUNG DES POP!“ steht es da – geschrieben vom freilich über alle Zweifel erhabenen Pico Be (Das Weiße Pferd u.a.) – in Versalien, mithin also voller Inbrunst, Überzeugung und Wahrhaftigkeit, wenngleich wenig bescheiden im Info von Principess. Drunter macht es das Frauen-Trio aus München also nicht. Aber gut, soll uns allen nur recht sein, etwas „feministische Rettung“ schadet ja nirgends und nirgendwo, nicht mal im Pop… Aber im Ernst: Julia Viechtl (Ex-Fertig, los!), Maria Moling (Ex-Ganes, Me & Marie) und Teresa Staffel sind jenes italienisch-deutsche Dreigestirn, dessen Songs im Münchner Untergrund die Spatzen bereits fröhlich von Dächern pfeifen. Leidenschaftlicher, äußerst charmanter zudem mega catchy Italo-Deutsch-Pop, der gerne auch aneckt und dabei übermäßig viel Spass macht! Frivol und frech, flamboyant und aufbrausende. Lecko mio. (Release-Show am 12.9. in der Roten Sonne)