Platten aus nah und fern im Mai

Unsere Musiktipps für den Mai, mit dabei sind: The Libertines, The Black Keys, Su Yono, Pearl Jam, English Teacher, Khruangbin, Atomic und Vampire Weekend,

The LibertinesAll Quiet On The Eastern Esplanada

Die erste Single „Run Run Run“ ließ auf alle Fälle schon mal eines Erwarten: Großes! Und was soll man weiterschreiben? Nun, es ist in Erfüllung gegangen. Für mich zumindest. Ich mag das sehr, was der französische Produzent Dimitri Tikovoï, der schon einiges mit Placebo vollbrachte und/oder altgediente Granden wie Marianne Faithfull, John Cale, Gary Newman, Blondie und Goldfrapp wieder zurück in die Charts verhalf. So nun auch bei The Libertines, die einen dermaßen entspannten Eindruck hinterlassen (zwischen all den mitunter üppigen Streicherarrangement) und in ihrem groß angelegten Indie-Kosmos gleichermaßen erfrischend wie retrospektiv klingen, dass man es kaum für möglich hält. „Mustangs“ kommt unbeschwert beatleesk daher, was das ausgelassen Lachen am Ende des Takes noch unterstreicht. Und auch „Men With The Melody“ erinnert eher an die 70er als an 2024. Schön auch die Spaghetti-Western-Anmut von „Night Of The Hunter“… Alles in allem, ich erwähnte es bereits: Groß!

The Black KeysOhio Players

Wohl dem, der gute Freunde hat: „Wir können unsere Freunde anrufen, damit sie uns beim Musikmachen helfen!“ sagt etwa Patrick Carney, Dan Auerbachs kongenialer Partner bei The Black Keys. Gesagt getan und schon drückten sich Leute wie Dan „The Automator“ Nakamura, bekannt für seine Kollaborationen mit Róisín Murphy, DJ Shadow, RZA, Cat Power u.a., the one and only Beck (Hanson), Noel Gallagher und Greg Kurstin (Greta Van Fleet, Foo Fighters, Sia u.a.) die Studiotürklinke in die Hand. Das Ergebnis ist gewollt gut gelaunt und ja, irgendwie auch berauschend. „Wenn wir mit anderen zusammenarbeiten, fühlt es sich nie so an, als würden wir damit irgendwelche Kompromisse eingehen. Eher so, als würden wir dem Ganzen eine besondere Würze geben”, ergänzt dann noch Produzenten-Zampano Auerbach und fertig ist ein Album, mit dem man sich prima auf den Sommer einstimmen kann.

KhruangbinA La Sala

Herrlich entspannt und verspielt beginnt mit „Fifteen Fifty-Three“ das mittlerweile auch schon vierte Album des texanischen Trios bestehend aus Laura Lee, Mark Speer und Donald Ray „DJ“ Johnson Jr. Nahtlos schließt sich „May Ninth“ an bis es dann bei „Ada Jean“ erwartungsgemäß etwas psychedelischer wird. Tanzbar und funky dann „Pon Pón“, „Hold Me Up (Thank You)“ und etwas langsamer noch „Todavia Viva“. Es ist dieses lässige Zusammenspiel aus unbeschwert vor sich hin groovendem Schlagzeug, einem immer etwas eckig und hölzern klingenden, dennoch aber stets vortrefflich auf den Punkt gespielten Bass und dieser unentwegt dudelnden Kiffer-Gitarre, die den besonderen Charme der drei ausmacht. Auch sommerlich, irgendwie…

Vampire WeekendOnly God Was Above Us

Gewohnt überdreht, definitiv mit ein paar Noten zu viel, starten Ezra Koenig und Konsorten mit dem Opener „Ice Cream Piano“ (nach schleppendem Intro) und – noch viel mehr – „Classical“ in ihr neues, sehnlich erwartetes Album. Und so muss man fast lachen, aber hey, genau das macht sie ja so einzigartig, dieses Ruhelose, Zappelige, das vor lauter Ideensprühende… Und schon wird gebremst: „Capricorn“ wirkt unfreiwillig entschleunigt, als ob ihnen jemand – aus gutem Grund – den Stecker gezogen hätte. Also: Durchatmen, genießen. Bei „Connect“ purzeln dann schon wieder die Ice-Cream-Piano-Töne wild – nicht durcheinander – sondern nur in unglaublicher Geschwindigkeit fein säuberlich aneinendergereiht aus den Boxen. Es folgt mit „Prep-School Gangsters“ mein absoluter Lieblingssong: Pixieesker 8tel-Bass, melodiöser Gitarrenriff, starker Gesang, weit und breit kein Hudeln und Gehetztsein, eher ein in sich Ruhen. Geradezu: magisch! Wie übrigens das Album als Ganzes betrachtet. Ich liebe die Jungs, von Anfang an. Sehr sogar!

English TeacherThis Could Be Texas

Wenn das Time Magazine mal einen Song einer Band in seine Top-10 des Jahres einreiht, dann darf sich diese auch ganz kurz mal drüber freuen. So erging es nämlich Sängerin Lily Fontaine und ihrer Truppe 2023 mit der psychedelisch angehauchten, hypnotischen Up-Tempo-Gitarren-Pop-Hymne „Nearly Daffodils“. Jetzt hat das Quartett aus Leeds ihr mit Spannung erwartetes Debütalbum vorgelegt. Inhaltlich, also textlich, kann das jedoch nur wenig überraschen, behandeln ihre Songs doch genau jene Themengebiete, wie sie derzeit gerade viele junge musizierende Menschen umtreiben: Fehlende Zugehörigkeit, kollektive Angst und Unsicherheiten allenthalben. Musikalisch allerdings hat das Hand und Fuß und überzeugt mit tollen Songs, die mal aufbrausend, wuchtig und ein klein wenig störrisch daherkommen, mal gefühlvoll verschwurbelt, immer aber mit angenehmen Understatement und ausgeschlafener Raffinesse punkten können.

Pearl JamDark Matter

Ok, ok, Andrew Watt, klar. Zuletzt hat er die Rolling Stones auf „Hackney Diamonds“ wieder frisch gemacht, warum nicht auch Pearl Jam? Eben! Also kamen sie alle in den Shangri-La Studios in Malibu zusammen, Eddie Vedder, Jeff Ament, Stone Gossard, Mike McCready und Matt Cameron (und Watt, versteht sich) – und legten los. Sie bauten ihr Zeug auf, oder ließen aufbauen, und haben innerhalb von knapp drei Wochen wohl auch einiges live eingespielt. Und ja, es rockt und zwar: überwiegend exzellent! Pearl Jam sind die letzte namhafte Grunge-Legende – und sie haben Seattle überlebt, was nicht vielen gelang. Alleine dafür schon, sei ihnen Respekt gezollt. Und, sie haben 34 Jahre nach ihrer Gründung mit „Dark Matter“ noch mal einen rausgehauen, einen, den man mit Fug und Recht als überdurchschnittliches Rockalbum bezeichnen kann.

Heimspiel

Su YonoWellen

Ganz frisch dieses Münchner Allstar-Trio bestehend aus Pola Dobler (Witches Of Westend), Marcus Grassl (Aloa Input) und Chris Hofbauer (Micro Circus). Hier fusioniert Jangle-Pop mit treibendem avantgardistischem Folk und chansoneskem Kunstlied. Blitzsaubere Überraschungsmomente und raffinierte Täuschungsmanöver durchbrechen eine gediegen klingende Sound-Kulisse aus zurückhaltenden Gitarren, smarten Bassläufen, unaufdringlichen Synth-Flächen, ein paar Holzblasinstrumenten und durchaus auch poppigen Elementen. Charmanter Outsider-Pop trifft Electronica, Psychedelia, Kraut- & No-Wave, immer süß, niemals  klebrig. (10.5. Uferlos-Festival Freising, 18 h)

AtomicIf This Wall Could Sing

Streng genommen haben die beiden Marshel-Brüder Thomas und Rainer und ihre Band im „Heimspiel“ gar nix verloren. Sie leben in Furth im Wald, also nahe der tschechischen Grenze, haben sich aber seinerzeit nach dem legendären Münchner Atomic Café – in dem sich sich musikalisch sozialisierten – benannt und klingen sowieso eher als seien sie aus Manchester denn aus der oberpfälzischen Provinz. Sie sind eine feste Größe in der deutschen Indie-Rock-Szene und touren stets eifrig, zudem waren sie als Support von Paul Weller & Gem Archer (Oasis), den Babyshambles, Kula Shaker, Madsen, Thees Uhlmann, Sportfreunde Stiller und den Charlatans unterwegs. Ihr wirklich großartiges neues Album, das die Band vor einer John Lennon gewidmeten Mauer in Prag zeigt, ist kerniger Oldschool-Brit-Pop der es wahrlich in sich hat. Treibende Stomper sind genauso dabei wie unwiderstehliche Hooklines und mit „Nowhere To Run“ ist den Marschels tatsächlich eine echte Hymne gelungen. (7.5. Uferlos-Festival Freising, 21 h)