Platten aus nah und fern für den Januar

Neuerscheinungen von und mit: The National, Warhaus, Franz Ferdinand, Lambrini Girls, She Keeps Bees, Pam Pam Ida und Monostars

The NationalRome

Jede/r, wirklich jede/r die/der The National schon mal live gesehen hat, mir war das bislang zwei Mal auf dem Rathausplatz in Dachau beim hiesigen „Musiksommer“ vergönnt, wusste am Ende nur Allerbestes zu berichten. So auch der Kritiker des Guardian der beim Konzert im Parco Della Musica Ennio Morricone in Rom „eine Band auf dem Höhepunkt ihrer Kräfte“ hörte. Oder der Rolling Stone, der dieser Show attestierte „einfach euphorisch“ gewesen zu sein und die Berningers und ihre Begleiter ebenfalls „auf einem neuen Höhepunkt“ sah. Dem ist im Grunde nichts mehr hinzuzufügen, außer, dass dieses Livealbum seine Magie auch in den eigenen vier Wänden zu entfalten weiß.

Warhaus – Karaoke Moon

Nein, langweilig wird Balthazar-Bandleader Maarten Devoldere bestimmt nicht. Denn immer dann, wenn seine Stammband pausiert widmet er sich aufopferungsvoll seinem Soloprojekt. So auch zwei Jahre nach dem wunderschönen „Ha Ha Heartbreak“ wieder auf „Karaoke Moon“. Derweil saß die Enttäuschung wohl anfangs tief, als er mit etwa 50 Songs zu seinem Haus- und Hof-Produzenten Jasper Maekelberg marschierte und diesen nach seiner Meinung fragte. Der wiederum meinte nur: „Du kannst es besser, Maarten! Tiefer, überraschender, neugieriger.” Also, gesagt getan – und so sperrten sich die beiden musikalischen Seelenverwandten neun Monate lang in einem Dachbodenstudio in Brügge ein und zauberten dieses zeitlos schöne, ebenso spannende wie gleichzeitig auch unaufdringliche Indiepop-Meisterwerk aus dem Hut.

Franz FerdinandThe Human Fear

Hach! Wie unbeschwert das klingt. Geradezu beatleesk kommt gleich der Opener „Audascious“ daher. Und ja, etwas kühn ist das schon, so nah am Original. Die elf vor Lebensfreude und ausgelassener Fröhlichkeit sprühenden Pop-Schmeichler kümmern sich textlich aber eher um einige tief sitzende Ängste und bieten Lösungsansätze diese 1) zu akzeptieren, 2) zu analysieren um sie anschließend 3) zu überwinden. Dazu Alex Kapranos: „Dieses Album zu machen war eine der lebensbejahendsten Erfahrungen, die ich je gemacht habe, aber es heißt trotzdem `The Human Fear´. Angst erinnert dich daran, dass du am Leben bist. Ich glaube, wir alle sind in gewisser Weise süchtig nach dem Rausch, den sie uns geben kann. Wie wir darauf reagieren, zeigt, wie menschlich wir sind. Hier sind also ein paar Lieder, die den Nervenkitzel des Menschseins in der Angst suchen, auch wenn man das beim ersten Hören nicht unbedingt bemerkt.“ Höre ich (erneut) als Support der Sportfreunde Stiller am 26.5.2026 in der Olympiahalle. 

Lambrini GirlsWho Let The Dogs Out

Hier ist er also endlich, der musikalische Missing-Link zwischen Wet Leg und Amyl And The Sniffers. Mit letzteren waren die Lambrini Girls aus Brighton gerade auf USA-Tournee mit ersteren verbinden sie hymnische Pop-Punk-Perlen wie das übermächtige „Love“. Was für ein Monolith von einem hymnischen Riff-Rock-Punk-Song, wobei die Melodie hier größtenteils von der ultraverzerrten Gitarre kommt. Egal, Phoebe Lunny und Lilly Macieira packen diese patriarchale Scheißwelt bei den Eiern und drücken ein paar Mal kräftig zu. In „Big Dick Energy“, „No Homo“ und „Cuntology 101“ schrein-singen sie sich den Frust über all die Ungerechtigkeiten aus der Seele, was auch auf die Zuhörenden eine äußerst befreiende Wirkung hat.

She Keeps BeesEight Houses

Normalerweise ist das ja mit den Re-Releases immer so eine Sache. In dem Fall aber muss ich einfach drüber schreiben, weil „Eight Houses“ von Singer/Songwriterin/Gitarristin Jessica Larrabee und Schlagzeuger/Produzent Andy LaPlant aka She Keeps Bees etwas ganz Besonderes ist. Die ungeschliffene, manchmal auch raue Schönheit dieses vor zehn Jahren bereits erschienenen, nun endlich wieder auf Vinyl verfügbaren Meilensteins, entsteht durch meisterliche Reduktion, unnachahmliche Direktheit, geradezu schwelgerische Leidenschaft und größtmögliche Intimität. So gesehen (und vor allem gehört) also kein Wunder, dass man She Keep Bees immer wieder mit großartigen Künstlerinnen und Künstlern wie Patti Smith, White Stripes, Cat Power, Sharon van Etten, Aldous Harding und PJ Harvey verglich. Die Bekanntheit der genannten wünsche ich mir ab sofort auch für She Keep Bees. Verdient hätten sie es allemal.

Pam Pam IdaNehmts mi mit

Sauber aufgspuit hams, hört man, die Pam Pam Ida, Anfang November im rappelvollen  Circus Krone. Respekt! Grund war freilich die Release-Show zum neuen, mittlerweile auch schon fünften Album „Nehmts mi mit“. Dieses zeigt die bayerischen Mundart-Kapelle  ganz so wie man sie kennt und liebt, trotzdem aber noch nie gehört hat: Pop, klar, das schon, aber immer etwas anders, reizvoller und ausgeschlafener als bei vielen Kolleginnen und Kollegen des reichlich überstrapazierten Genres. Pam Pam Ida geben den Blick auf ihre Welt frei – wohlgemerkt durch eine melancholische, romantische, absurde und manchmal auch abgründige Brille. Ihre Inspirationsquellen seien „aus aller Welt, aus jedem Genre und aus jeder Musikepoche – quasi von Bach zu den Beatles bis Beyonce“ heißt es etwa im Info. Und so ist es dann auch: Musik ohne Schubladendenken, aber voller kompromissloser Dialekt-Abenteuer. Und obwohl ich nicht beim Konzert war, will ich mich bzgl. der Platte F.A.M.E.-Labelmanagerin Antje Zelnitschek – wo die Pam Pams ihr Zuhause haben – anschließen: „Der totale Hammer. Ziemlich magisch!“

MonostarsAlles wollen Nichts müssen

Alle Tracks des neuen Monostars Albums wurden – so erfährt man es in den Linernotes zum Album – zwischen 2017 und 2019 aufgenommen. Was ist passiert? Und: Sollte man neu dann besser in Anführung setzen? Aber gut es sind zumindest die neuesten Aufnahmen, die nun veröffentlicht werden, seit dem 2011er Album „Absolut“. Auch schon eine Weile her. Was der Freude allerdings keinen Abbruch tut, denn die Monostars sind nach wie vor eine der besten Bands aus Münchens alternative-poppigem Gitarrenuntergrund, selbst dann noch, wenn sie mal 13 Jahre von der Bildfläche verschwinden. Bandintiums Martin Lickleder (Ex-Moulinettes, Oktober Folk Club u.a.) fragt in dem von ihm verfassten Infotext: „Hm, wär’s nicht umgekehrt viel lebensnäher: `Alles müssen, nichts wollen´? Bzw. haben wir ollen Post-Punks nicht seinerzeit sowieso gelernt, dass auch alles Wollen im Grunde ein Müssen ist? Den Monostars ist das offenbar wurscht, und diese Wurschtigkeit ist an ihnen erstens neu und zweitens großartig.“ Ich möchte mich dem gerne anschließen, denn die einstige Es-irgendwie-dann-doch-unbedingt-wissen-wollen-müssen-Intension ist einer erhabenen Gelassenheit  gewichen, die einem dann und wann sogar ein süffisantes Lächeln ins Gesicht zaubert. Eine besonders Freude aber ist es, auf die anstehende Plattentaufe hinzuweisen. Dann nämlich werden neben den Monostars auch deren beste Freunde von Vorwärts Rückwarts und Martin Lickleders The $ound Of Money wieder mal eine Bühne entern. (30.1. Rote Sonne)