Ortsgespräch: Neue Feierwerk-Doppelspitze

Doppel-Wumms der Leidenschaft: Welche Akzente JULIA VIECHTL und ANDREAS HUBER in der Feierwerk-Führung setzen wollen

Frau Viechtl, Herr Huber, erstmal Gratulation zum neuen Posten als Feierwerk-Geschäftsführung. Wie fühlt sich es an, die Geschicke des Hauses zu leiten, wenn man dem Feierwerk schon so lange verbunden ist – und wie Sie, Frau Viechtl, selbst schon ganz früh mal im Sunny Red auf der Bühne stand? 

Viechtl: Es ist wirklich eine besondere Ehre. Als Münchnerin war ich selbst immer viel im Feierwerk – auf Partys und Konzerten. Und als ich mit meiner ersten Band „Fertig, Los!“ – auch wenn die damals noch anders hieß – überlegte, wo wir mal spielen könnten, fiel uns als Erstes das Feierwerk ein. Es ist einfach ein Ort, wo man auch als junge Band einen Raum und eine Bühne bekommen kann. 

Wirklich der erste Gig?

Viechtl: Ja, tatsächlich unser erster Auftritt.

Hatte man Sie nicht mit Fragen durchlöchert im Stil von: Wisst ihr überhaupt, wie das funktioniert und auf was man bei einem Auftritt alles achten muss?

Viechtl: Ich kann mich nicht mehr an jedes Detail erinnern. Aber es war ganz locker. Einziges Problem war, dass im Sunny Red damals noch eine kleine Bühne stand. Unser Sänger war ja sehr groß – er hatte bei der niedrigen Deckenhöhe Probleme, aufrecht zu stehen und musste sich beim Spielen ducken. Ansonsten war alles recht entspannt.

Was für ein Feierwerk-Traumstart.

Viechtl: Es ging bei mir schon mein ganzes Leben um Musik. Es hat sich nach und nach so aufgebaut – als Musikerin, als Bookerin, als Managerin. Irgendwann habe ich Kulturmanagement studiert und dann in der Fachstelle Pop gearbeitet. Jetzt die Geschäftsführung übernehmen zu dürfen, ist ein Gänsehaut-Moment. Ich kann mir keinen besseren Ort vorstellen, wo ich mich einbringen darf.

Huber: Das empfinde ich ganz ähnlich, auch wenn ich über einen anderen Weg komme. Ich habe vor fast zehn Jahren beim Feierwerk angefangen. Mir gefällt der Ansatz, Jugendarbeit aus der kulturellen Richtung zu denken. Vor meiner Zeit im Feierwerk war ich als Tontechniker im Einsatz und hatte auch mal eine eigene Veranstaltung im Orangehouse. Aber anders als Julia bin ich aus einer anderen Richtung ins Feierwerk eingestiegen, als Leitung der Südpolstation (Neuperlacher Süd), einer unserer Kinder- und Jugendeinrichtungen.

Von der Außenstation ins Haupthaus.

Huber: Natürlich kennen sicher fast alle IN-München-Leser*innen das Feierwerk. Aber wenn man sie fragt, dann meinen in der Regel die meisten das Areal an der Hansastraße mit den vier Spielstätten. Das ist super so, trifft aber eben nicht das ganze Bild. Wir sind mittlerweile in fast allen Himmelsrichtungen in München vertreten – mit unseren Kinder- und Jugend-Freizeitstätten und einer treuen Besucher*innenschaft in den Stadtvierteln. Seit 2023 auch mit einer Einrichtung, die wir in Freiham aufbauen. Dabei sind wir inhaltlich natürlich sehr breit aufgestellt – nicht nur mit Feiern und Musik, sondern mit ganz unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten, die aber immer wieder zusammenfließen.

Auf welchen Punkt genau?

Huber: Der einheitliche Grundgedanke ist es, Teilhabe zu ermöglichen und Vielfalt zu erleben. Neben den Einrichtungen in der Hansastraße haben wir die Fachstelle Pop und die Fachinformationsstelle Rechtsextremismus, sowie den Dschungelpalast, unser Mehrgenerationenhaus, und den Farbenladen als Ausstellungsfläche. Und jetzt kommt neu unser Proberaumzentrum AMP hinzu. Und natürlich Radio Feierwerk. Radio hat bei uns auch eine lange Tradition, das ist schon früh entstanden und zum einen Kinderradio, zum anderen aber auch Szenenradio. 

Man kann also mit dem Feierwerk als junger Mensch anfangen und ein ganzes Leben dabeibleiben?

Huber: Na klar, das passiert auch oft so. Es gibt bei uns schöne Feierwerk-Biografien. Viele haben als Kinder bei einem unserer Angebote angefangen, gerade im Nachwuchs-Musikförderungsbereich. Dann spielen sie mit ersten Bands in den Freizeitstätten im Proberaum, machen ihre ersten musikalischen Gehversuche, dann treten sie in unseren anderen Häusern auf. Und wenn dann ein CD-Release ansteht, docken sie vielleicht bei den Workshop-Angeboten der Fachstelle Pop an, nehmen beim Sprungbrett-Bandwettbewerb teil, treten irgendwann bei Sound of Munich Now auf. Und manche dieser Bands schaffen es bis in die Profiliga, wo wir ihnen ebenfalls mit dem Beratungsangebot der Fachstelle Pop gut weiterhelfen können. 

Andreas Huber und Julia Viechtl (c) Jonas Nefzger

Wie teilen Sie sich konkret die Aufgaben auf?

Viechtl: Andi macht den kulturpädagogischen, ich den kulturellen Schwerpunkt. Trotzdem: Wir sind als Doppelspitze angetreten. Wir wollen und können uns in allen Belangen gegenseitig unterstützen und vertreten. Das ist ja auch in der heutigen Zeit die moderne Alternative zum alten Konzept: Jemand arbeitet sich alleine ab, bis sie oder er nicht mehr kann. Wir ergänzen uns gut.

Wie läuft’s bislang mit der Einarbeitung?

Viechtl: Wir grooven uns gerade so richtig ein. Es ist ein Riesenladen, dessen Aufgabenbereiche wir beide in aller Tiefe möglichst rasch verstehen wollen. Deswegen haben wir für uns eine erste Einteilung vorgenommen: Ich bin mehr für den Veranstaltungsbereich, die Technik-Abteilung, Gastronomie, die Fachstellen und das Radio zuständig. Andi kümmert sich stärker um die Freizeitstätten und kulturpädagogischen Aufgaben. Themen wie Finanzen und allgemeine Organisation gehen uns natürlich beide was an.

Auch die schönen Dinge, die Kultur, haben ja viel mit drögem Verwaltungs-Deutsch zu tun: Liegt jetzt auf dem Nachtkastl der Jura-Ratgeber zum Vertragsrecht?

Viechtl: Zum Glück stecken wir beide durch unsere Jobs, die wir davor hatten, ich als Leiterin der Fachstelle Pop, Andi als Leiter der pädagogischen Einrichtungen, schon ziemlich tief drin in der Thematik. Meine Nachtlektüre muss jetzt nicht Verwaltungs-Deutsch sein. Vertragsrecht macht mir keine Kopfschmerzen. Aber klar: Wir müssen noch viel dazulernen. Wir informieren uns, treffen Leute, tauschen uns mit anderen Trägern aus, stehen in engem Kontakt mit der Verwaltung und der Politik. 

Nicht zuletzt sind Sie ja jetzt verantwortlich als Arbeitgeber im großen Stil.

Huber: Es kommt darauf an, wie man zählt: Wir haben etwa 65 Fest-Angestellte. Wenn man aber unsere ganzen Nebenamtlichen, Ehrenamtlichen und Freiwilligen mitnimmt, sind wir bei fast 200 Leuten.

Man sagt ja gern: Wenn ich mal Chef bin, steht meine Tür immer offen, jeder kann zu mir kommen. Wie schnell ändert sich so was?

Huber: Das wissen wir noch nicht, weil wir erst so kurz dabei sind. Wir kommunizieren gerade den Mitarbeitenden genau das: Dass wir ihre Ideen gern hören wollen. Wir haben enorm kompetente Personen im Haus, die mit viel Herzblut tolle Arbeit machen. Auf der anderen Seite muss man aufpassen, weil man natürlich nicht alle Wünsche erfüllen kann. Trotzdem: Offenheit ist das wichtigste. Wir möchten verhindern, dass wir in der neuen Rolle den Anschluss verlieren und nicht mehr so viel mitkriegen.

Verdonnern Sie sich gegenseitig mindestens zu einem Abend pro Woche am Tresen?

Viechtl: Um die Stimmung intern einzufangen, haben wir schon erste Mitarbeitendenversammlungen abgehalten– zu zwei unterschiedlichen Uhrzeiten, damit auch alle kommen können. Wir arbeiten hier ja von früh bis in die Nacht hinein. Oder eher von früh bis früh: Die Raves gehen oft bis morgens. Viele der Mitarbeitenden kennen wir natürlich sowieso durch unsere Arbeit davor im Feierwerk. 

Aber wie behält man praktisch möglichst viel von allen Veranstaltungen im Blick?

Huber: Natürlich würden wir am liebsten alle Veranstaltungen an allen Orten selbst besuchen. Aber es ist klar, dass das hier gar nicht möglich sein kann. Wir haben zum Glück nicht nur beeindruckende Mitarbeitende, sondern auch tolle Abteilungsleitungen, auf die wir sehr angewiesen sind. So verteilt sich das Im-Blick-Haben auf viele Schultern. 

Viechtl: Wir haben sehr viele Veranstaltungen jährlich – rund 6000. Die alle zu besuchen, funktioniert schon rein rechnerisch nicht.

Trotzdem: Was bringt den Ausgleich zum Tagesablauf mit Verwaltungsaufgaben oder mit dem Kontakt zu den Gremien und Parteien im Rathaus?

Viechtl: Ich bin auf jeden Fall immer wieder abends unterwegs. Das brauche ich auch, um die Energie des Nachtlebens zu spüren. Das ist schon immer ein großer Teil meines Lebens. Ich bin im Feierwerk vor Ort, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was hier so abgeht, was wir brauchen – und wie sich unser Programm immer wieder weiterentwickeln muss.

Wie schwer ist es, als Feierwerk-Fan, der selbst schon so lange an Bord ist, die Beißhemmung zu überwinden und tatsächlich Sachen ganz anders zu machen als bisher?

Huber: Die ständige Veränderung ist immer schon der Wesenskern des Feierwerks. In der Jugendkultur kann man nicht über Jahre hinweg den gleichen Stiefeltragen. Das würde nicht funktionieren. 

Andreas Huber und Julia Viechtl (c) Jonas Nefzger

Wie dann gegensteuern?

Huber: Es gehört dazu, sich ständig neu zu erfinden, sich anzupassen, aber auch vorauszugehen, gerade wenn sich in Szenen und in Nischen was Neues tut. Vorne mit dabei zu sein, war immer Selbstverständnis und Aufgabe des Feierwerks. Deswegen ist es auf der einen Seite natürlich nicht schwer, Veränderungen anzustoßen, weil Veränderungen hier immer schon Tradition ist. 

Klingt aber doch nach einem: „Auf der anderen Seite …“

Huber: Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass man bei einer wechselnden Geschäftsführung einen Heiden-Respekt hat vor den großen Fußstapfen, in die man tritt. 

Sie lösen die Gründergeneration ab.

Huber: Stimmt. Und da spüren wir Sorgen, aber auch Hoffnungen, dass eine neue Geschäftsführung eine neue Handschrift in der einen oder anderen Angelegenheit mit in den Laden bringt. Wir stoßen zum Glück auf eine große Bereitschaft in der Mitarbeitendenschaft, Dinge zu verändern und neu anzupacken. Und wenn man das mit einer gewissen Behutsamkeit angeht, ist es hier leicht, Dinge zu verändern und neu zu denken.

Kein Geheimnis, dass die Welt draußen nicht unbedingt leichter geworden ist. Gerade die Kulturbranche ächzt unter Sparzwängen, aber auch unter veränderten Gewohnheiten der Kultur-Fans. 

Viechtl: Die Sparzwänge treffen die Münchner Kulturlandschaft hart und machen uns große Sorgen. Es ist grundsätzlich wichtig, dass der Bereich, in dem wir uns bewegen, die Jugend- und Popkultur, genauso wertgeschätzt wird wie andere Kultursparten in München. Sonst haben wir irgendwann nicht einmal mehr die viel diskutierten Event-Blockbuster-Konzerte von Megastars wie Adele – weil die halt auch irgendwo mal klein angefangen hat. Das Feierwerk ist genau so ein Ort, an dem man sich ausprobieren darf – möglichst frei von kommerziellem Druck. 

So ganz frei und unbeschwert dürfte das allerdings auch im Feierwerk nicht gehen.

Viechtl: Weil die Probleme der Branche – gestiegene Produktionskosten, Energiekosten etc. – auch uns hart treffen, ist es auch für uns schwieriger geworden, kleine Konzerte zu veranstalten. Deswegen ist die Anerkennung dessen, was wir machen zentral wichtig und muss dringend noch mehr gefördert werden. Damit meine ich die Anerkennung aller Akteur*innen, die den Musiker*innen Bühnen bieten. Und da gibt es in München zum Glück nicht nur das Feierwerk.

Beim Juristen-Deutsch waren wir schon: Welches gute Lexikon können Sie empfehlen, um sich bei der Jugendsprache auf dem neuesten Stand zu halten?

Huber: Ich glaube, das muss man nicht. Wenn Erwachsene das versuchen, ist es meistens peinlich. Oder auch cringe (lacht). Wichtig ist, was in der jungen Szene passiert, nicht ob wir selbst das gut finden oder verstehen. Auch beim Booking sind wir selbst ja nicht die relevante Zielgruppe.

Nicht?

Huber: Wir versuchen, gerade in der kulturpädagogischen Praxis partizipativ zu arbeiten. Soll heißen: Wir geben nicht die Inhalte vor. Es sind die Kinder und Jugendlichen selbst, die die Inhalte gestalten. Im Prinzip funktioniert das auch beim Booking und bei den Veranstaltungen so. Man muss seine Zielgruppe kennen und das Angebot darauf abstimmen. 

Viechtl: (lacht) Ich frage schon immer bei den Werkstudent*innen die neuesten Jugendwörter ab, die sie verwenden, weil mich die Sprache von jüngeren Menschen interessiert. Maus ist seit ein paar Jahren fester Bestandteil meines Wortschatzes.

Wie schnell melden sich durchs Am-Geschäftsführer-Schreibtischsitzen die Haltungsschäden: Wie oft stehen Sie auf, um schnell mal wieder zwischendurch Luftgitarre bzw. Luft-Bass zu spielen?

Viechtl: Wir haben höhenverstellbare Tische. Und ich habe zum Glück noch den Ausgleich durch meine Band Principess. Und mit der stehen einige Auftritte an, auf die ich mich schon freue. 

Huber: Ich denke nicht, dass wir am Schreibtisch versauern. Ich hab das Gefühl, so viel wie zuletzt bin ich noch nie herumgelaufen. 

Viechtl: Das Feierwerk hat doch erstaunlich viele Räume. 

Huber: Und die Hosentaschen sind völlig ausgebeult – durch die vielen Schlüssel.

Starkes Team: Seit dem Jahreswechsel steht der Feierwerk e.V. unter einer neuen Führung: JULIA VIECHTL, ehemals Tourmanagerin, Bookerin und natürlich selbst Musikerin, sowie ANDREAS HUBER, zuletzt Pädagogischer Leiter, steuern einen Lieblingsort der Münchner Kulturszene in eine neue Ära. Für beide ist es mehr als ein Job – ein Herzensprojekt. www.feierwerk.de 

Hier unser Artikel zum Stabwechsel im Feierwerk: https://www.in-muenchen.de/stadtleben/stabwechsel-im-feierwerk-julia-viechtl-und-andreas-huber-uebernehmen-als-doppelspitze.html

Und hier ein Artikel zur Location: https://www.in-muenchen.de/locations/feierwerk-munchen.html