Noch eine Eröffnung: Am 9. Oktober sperren MAXIMILIAN MAIER und ROMAN SLADEK den hypermodernen neuen Bergson-Konzertsaal auf
Herr Maier, Herr Sladek, Sie kommen aus dem Feiern sowie dem Zünden immer neuer Raketenstufen ja gar nicht mehr raus. Jetzt der neue Konzertsaal: der Höhepunkt des Eröffnungsjahres?
Maximilian Maier: Das Eröffnen in Schüben war auch baulich motiviert. Wenn man so ein hochkomplexes Gebilde wie das Bergson in Angriff nimmt, was die Größe der Anlage und was die Vielfalt an Formaten, die wir dort anbieten angeht, hatten wir ja nur zwei Möglichkeiten.
Welche denn?
Maximilian Maier: Einerseits die Möglichkeit, solange zu warten, bis alles so weit ist – und dann mit einem Mal loszulegen. Dann wären wir aber ins völlig kalte Wasser gesprungen. Andererseits könnte man die sukzessive Fertigstellung des Gebäudes dazu nutzen, dass man eben auch nach und nach selbst ins Tun kommt und an konkreten Beispielen Erfahrungen sammelt.
Wie Sie’s dann gemacht haben.
Maximilian Maier: Bekanntlich entschieden wir uns für die zweite Variante. Damit sind wir sehr gut gefahren. Trotzdem ist der 9. Oktober jetzt der Höhepunkt, weil er der Abschluss dieser Eröffnungskaskade, dieser Perlenkette einer Eröffnung ist. Die Besonderheit liegt auch darin, weil wir nun den komplexesten, den prestigeträchtigsten und den für die Musik wichtigsten Raum aufsperren. Der Konzertsaal setzt den Schlusspunkt unter die Eröffnungen. Das Bergson ist damit fertiggestellt!
Jeder, der Ihr Haus schon kennt, weiß um den hohen Qualitätsstandard im Bergson. Da kann man schon mal erahnen, wie sehr Sie sich noch mal unter Druck gesetzt haben. Was macht denn den Konzertsaal so besonders?
Roman Sladek: Wir sind sehr ambitioniert und versuchen wirklich, eine hohe Aufenthaltsqualität im Bergson zu realisieren.
So kann man’s auch ausdrücken.
Roman Sladek: Der Konzertsaal ist die Vollendung der Öffnungsphase. Es geht darum, das Bergson erneut zum Leben zu erwecken – und das funktioniert natürlich nur mit Publikum. Der Konzertsaal ist ein besonderer Raum, in dem wir unsere Perspektive auf die gesamte Kulturlandschaft zeigen wollen.
Wie muss man sich das vorstellen?
Roman Sladek: Wir wollen ein breites Publikum ansprechen. Darunter sind Menschen, die klassische Musik hören, aber auch Menschen, die vielleicht Rockmusik mögen. Es geht uns ums Publikum, das sich für Jazz interessiert, aber auch für Techno. Wenn man diese Ambition, ein Ort für ganz verschiedene Publikumsströmungen zu sein, ernst nimmt, dann muss man einen Konzertsaal bauen, der diese Fülle an Musik auch beheimaten kann.
Wie geht das konkret?
Roman Sladek: Wir sind doch daran gewöhnt, dass Konzertsäle in der Regel sehr monothematisch ausgerichtet sind. So baut man beispielsweise einen Konzertsaal, der eine gute Akustik für ein tolles Symphonieorchester hat. Was herauskommt, ist dann hoffentlich auch stark für ein Weltklasse-Symphonieorchester und das zugehörige Publikum. Wenn man in einem solchen Konzertsaal dann aber mal einer anderen Musik eine Chance bietet, dann fühlt sich das eher nach einer Zweckentfremdung an. Es gibt keine gute oder schlechte Akustik, sondern nur eine, die sich für die jeweilige Nutzung eignet oder nicht.
Verständlich.
Roman Sladek: Eine Kirche zum Beispiel hat ja eine ganz tolle Akustik für Vokalmusik oder Orgelmusik. Sie ist aber etwa für eine Schlagerparty nicht so recht geeignet. Wir wollen wirklich ein vielfältiges Publikum erreichen. Deswegen war uns klar: Wir bauen einen Konzertsaal, der vielfältig akustisch funktionieren kann. Der Saal funktioniert gleich auf mehreren Ebenen.
Verraten Sie mehr.
Roman Sladek: Es gibt im Konzertsaal ein Grundsetting, das sehr trocken ist. Dann klingt der Saal wie ein Tonstudio. Er ist dadurch bestens geeignet für Musik, die über Lautsprecher verstärkt wird. Sobald eine Sängerin, eine Gitarre oder ein DJ verstärkt wird, findet diese Art von Musik in unserem Konzertsaal ein perfektes akustisches Setting.
Und die andere Variante?
Roman Sladek: Wir wollen aber auch klassische Musik, akustisch produzierte Musik im Konzertsaal beheimaten. Weil natürlich auch dieses Publikum sehr herzlich bei uns willkommen ist. Dafür brauchen wir eine sogenannte Verhallungsanlage. Das ist ein elektroakustisches Raumakustiksystem, das es uns möglich macht, in diesen selbst nicht klingenden, also sehr trockenen Raum, jedwede virtuelle Akustik hineinzuprojizieren.
Wie funktioniert das?
Roman Sladek: Vereinfacht gesagt drückt man auf den Kopf – und dann klingt dieser Raum wie eine Kirche. Oder wie der Goldene Saal im Musikverein in Wien oder wie die Elbphilharmonie. Das Geheimnis sind ganz viele Lautsprecher, die in den Wänden oder in der Decke verbaut sind. Sie können eine virtuelle Akustik generieren, die dann perfekt zu dem passt, was man auf der Bühne präsentieren will.
Beeindruckend.
Roman Sladek: Die Technik macht noch ganz andere Sachen möglich – etwa 3D- und Immersive-Audio. Man kann also richtig moderne Sachen da drin entwickeln. Vielfalt ist bei uns Programm. Rund ums Jahr.
Das Bergson steht ja für die Umwandlung eines historischen Baukörpers, des Kathedralen-artigen Kraftwerks, in ein Kulturzentrum. War da jetzt gar kein Platz mehr für den Konzertsaal – oder warum haben Sie einen Neubau errichtet?
Michael Maier: Es gab tatsächlich mal die Idee, das Innenleben des ehemaligen Heizkraftwerks in einen Konzertsaal umzufunktionieren. Damals ging es darum, eine Interimsspielstätte für die Philharmonie im Gasteig zu finden. Der Plan hat sich ja dann zerschlagen. Zum Glück!
Was macht sie so froh?
Michael Maier: Gott sei Dank, sagen wir heute. Wenn man ins Bergson-Hauptgebäude so einen Saal gebaut hätte, dann wäre das Bergson für nichts anderes zu nutzen. Dieser sehr spektakuläre Raum von einmaliger Weite, von Licht, von Industrie und Romantik. Wir könnten ihn sonst gar nicht so umfangreich bespielen. Auch mit unserer Gastronomie. Oder mit der Galerie.
Die Pfunde, mit denen Sie wuchern können.
Michael Maier: Wir nutzen natürlich das Bergson selbst für Musik – auch für immersive Konzertproduktionen, bei denen es keine feste Bestuhlung gibt. Damit soll es weitergehen. Das Bergson ist ein Raum, der einen eigenen Reiz hat. Er fordert und fördert die Kreativität. Gleichzeitig bin ich sehr dankbar, dass man sich für einen Neubau entschieden hat – um dem Konzertsaal eine eigene Location zu geben.
Die Philharmonie haben Sie aber rasant links überholt. Vom geplanten Konzertsaal im Werksviertel existiert ja weiterhin nur eine Baugrube.
Michael Maier: Wir haben auch andere Voraussetzungen. Der geplante Konzertsaal dort ist ein vom Freistaat getragenes Gebäude. Auf privatwirtschaftlicher Ebene ist es möglich, aber auch notwendig, andere Geschwindigkeiten zu fahren.
Rasant untertrieben.
Michael Maier: Das Tolle bei uns ist, dass der Konzertsaal ein inhaltliches Profil hat, das man relativ früh erkannt und dann miteinander entwickelt hat – mit Roman als Spiritus Rector. So konnten wir auf die Begeisterung aller Beteiligten für diesen Plan zählen und das Projekt schnell sowie zielgerichtet aufs Gleis setzen.
Und Sie konnten durch die offenbar sehr raffinierte Technik sichergehen, dass nicht ein Wiedergänger von Leonard Bernstein kommt und sagt: Die Akustik gefällt mir nicht. Sofort wieder abreißen oder anzünden!
Roman Sladek: Es geht doch um die Frage: Baut man einen Konzertsaal für 0,01 Prozent der Weltbevölkerung? Oder baut man einen Konzertsaal für ein breites Publikum? So wie wir das machen. Für mich ist gar nicht so relevant, ob irgendein vermeintlicher Experte über den Konzertsaal sagt, dass er ihn mega findet oder nicht.
Wirklich?
Roman Sladek: Der Konzertsaal bietet uns einen Potenzialraum, den wir brauchen, um Kultur neu zu spüren und um Kultur neu gestalten zu können. Wir wollen endlich aufhören mit dieser ärgerlichen strikten Trennung zwischen ernster Musik, unterhaltender Musik, zwischen oberflächlicher oder tiefgründiger Musik.
Wie auch bei Ihrer Band Jazzrausch?
Exakt. Wir leben das schon lange. Wir wollen uns im Bergson nun ganz bodenständig die Frage stellen: Wen interessiert denn dieser ganze Konzertbetrieb überhaupt noch? Es geht uns darum, den Leuten Inhalte zu bieten, bei denen Sie sagen: Wow, das hat mich beeindruckt, das hat mich inspiriert, das hat mich vielleicht irritiert. Aber ich möchte da auf jeden Fall wieder hin – und Kultur erleben!
Big Bang: ROMAN SLADEK, Bandleader der Jazzrausch Bigband, Posaunist und Artistic Director im Bergson und Programmchef MAXIMILIAN MAIER setzen auf einen Doppelschlag zur Premiere des neuen Konzertsaals. Am 9. Oktober spielt Jazzrausch als Residence Orchestra ausgewählte Songs aus dem neuen Album „Bangers Only!“. Parallel dazu feiert das zweite Hausensemble sein Debüt: die Bergson Phil’. Sie spielen „Banger“ der akustischen Musik – von Beethoven, Tschaikowsky und Mozart. www.bergson.com