Ortsgespräch: Anja Fetzer vom Haus der Kunst

Konstanter Wandel: Wie sich ANJA FETZER im Haus der Kunst für Horizonterweiterungen stark macht

Hallo Frau Fetzer, wie fühlt es sich eigentlich an, wenn man morgens einen Arbeitsplatz in einem beeindruckend großen Gebäude betritt, das für die meisten anderen Menschen ein fester Ort auf der europäischen Kunstlandkarte, ein Tagesausflugs- oder sogar ein Reiseziel ist?

Es ist ein wunderbares Gefühl, morgens entlang des Englischen Gartens zu spazieren und einen Blick auf die Eisbachwelle zu werfen, bevor die Arbeit beginnt.

Kann man gut nachvollziehen.

Besonders spannend finde ich es, wie sich das Publikum je nach Tages- und Jahreszeit verändert. Das Haus der Kunst liegt in einer sehr lebendigen Umgebung. Und mit unserem Programm öffnen wir die Tore zum Park und Stadtraum, um das Publikum willkommen zu heißen.

Wie wichtig ist das Vermitteln und Kommunizieren, das zum Kunstgenuss unbedingt dazugehört?

Obwohl das künstlerische Programm im Zentrum unserer Arbeit steht, sind alle Abteilungen sehr früh in die Ausstellungsplanung einbezogen. Da es für uns von großer Bedeutung ist, ein Haus der Begegnung und des Austauschs zu sein, werden die Anliegen der Kommunikation und Vermittlung frühzeitig berücksichtigt. Dies gibt uns viel Spielraum und ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Ausstellungen wie „In anderen Räumen“ oder „Nebel Leben“.

Inwieweit können gute Kommunikationsangebote den Blick auf die Kunst schärfen oder sogar weiterführen und erweitern?

In der Kommunikation konzentrieren wir uns auf die Aspekte einer Ausstellung, welche am stärksten an aktuelle gesellschaftliche Diskurse anknüpfen und ihnen eine neue Perspektive hinzufügen. Wir initiieren den Austausch zu diesen Themen und setzen auf zugängliche Texte, gut aufbereitete visuelle Inhalte und ein themenspezifisches Begleitprogramm, das unser Publikum aktiv zum Mitmachen einlädt. Aktuell nehmen wir beispielsweise die Ausstellung „Velvet Terrorism: Pussy Riot’s Russia“ zum Anlass, um mit Jugendlichen im Rahmen von performativen Workshops über Menschenrechte und Kunstfreiheit nachzudenken.

Wo steht das Haus der Kunst aktuell – und wo soll es in Zukunft hin?

Seit Andrea Lissoni 2020 die künstlerische Leitung des Hauses der Kunst übernommen hat, befindet sich das Haus in einem bemerkenswerten Transformationsprozess und hat mit Einzelausstellungen visionärer Medienkünstler*innen und einem thematischen Fokus auf das Digitale die weltweite Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Als Zentrum für zeitgenössische Kunst ist das Haus der Kunst eine feste Größe in der nationalenund internationalen Kulturlandschaft und zugleich ein lebendiger, vielstimmiger Ort für das Münchner Publikum. Mit kostenlosen Formaten wie Open Haus, Super BOOKS und MMMHaus möchten wir zukünftig noch stärker mit den Besuchenden in Kontakt kommen und uns für jene öffnen, die das Haus bisher selten oder noch nie besucht haben.

Anja Fetzer (c) HdK/Jimmy Koch

Ihr Haus setzt stark auf digitale Vertiefungen und Ergänzungen: Inwieweit ist das unverzichtbar?

Wir alle leben in einer digitalisierten Welt, und da sich das Haus insbesondere als ein Ort der Zukunft versteht, ist das Digitale für uns elementar. Visionäre künstlerische Praktiken stehen im Mittelpunkt unserer Arbeit. Diese Inhalte auch in digitalen Formaten einzubinden und so den Austausch über Kunst zu erweitern und neue Zugänge zu schaffen, liegt uns daher besonders am Herzen.

Inwieweit nimmt die Freiheit im Digitalen der Monumentalität des Hauses etwas von seiner Wucht?

Wir brechen bewusst mit der monumentalen Schwere des Hauses, und das auf eine kreative und spielerische Weise. Sei es durch das farbenfrohe Redesign auf den Fassadenbannern und im Eingangsbereich, durch Kooperationen mit dem Musiklabel Public Possession oder durch unseren neuen TikTok-Kanal, der den Museumsalltag auf humorvolle Weise beleuchtet. Formate wie Open Haus, an denen das Haus der Kunst jeden letzten Freitag im Monat kostenlos zugänglich ist, sind nur ein weiteres Bei- spiel dafür, wie diese Leichtigkeit spürbar wird. Das Digitale ist nur ein Teil dieser Veränderung, die das ganze Programm durchzieht.

Wer das Haus der Kunst betritt, wird oft mit Klängen und Geräuschen konfrontiert. Warum?

Es geht uns weniger darum, Erwartungen zu übertreffen, als die Vielfalt künstlerischen Ausdrucks abzubilden. In der Ausstellung „KIKIKI“ von Shu Lea Cheang, die ab 14. Februar bei uns zu sehen ist, werden die Installationen und Videoarbeiten etwa um eigens entwickelte Düfte erweitert, welche die Besucher*innen auf sinnliche Weise mit anderen kulturellen Bräuchen verbinden. Philippe Parreno spielt in seiner seit Dezember eröffneten Ausstellung „Voices“ mit der Stimme, die er von der Tagesschau-Sprecherin Susanne Daubner leiht, und auch hier wird das Publikum mit all seinen Sinnen angesprochen.

Die TUNE-Reihe hat sich etabliert. Wie wichtig ist sie für das Gesamtkonzept? 

TUNE ist ein Herzstück unseres Programms. Die monatlich wechselnden Sound Residencies verbinden Musik, Sound und visuelle Kunst und stehen im Dialog mit den Ausstellungen. Besonders deutlich wird das Ende Januar bei der Live-Ausstellung ECHOES, die mit einer neuen TUNE-Soundinstallation eröffnet wird.

Sie haben selbst einen Hintergrund im Tanz. Inwieweit findet dieser Bereich auch im Haus der Kunst seinen Platz?

 Performance und Tanz sind unverzichtbare Teile des Programms. Bereits zu Beginn des Jahres haben wir mit der Live- Ausstellung „Echoes“ sowie der Zusammenarbeit von Tino Sehgal mit Philippe Parreno einen starken performativen Schwerpunkt gesetzt. Aber auch im Laufe des Jahres erwarten uns spannende Kooperationen, wie etwa mit dem Dance Festival oder der Künstlerin Nora Chipaumire im Rahmen des Theaterfestivals Spielart. Es freut mich besonders, dass das Haus der Kunst sich zu einem festen Ort für die Tanz- und Performance-Szene entwickelt hat und dieser Bereich an Bedeutung gewinnt.

Vermitteln, verbreiten, vertiefen: Seit einem Jahr ist ANJA FETZER als Leiterin Kommunikation und Referentin Marketing am Haus der Kunst dafür zuständig, dass die Ausstellungen und Aktionen nicht nur in der Stadt, sondern weltweit Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Im Kulturleben ist sie eng vernetzt, war sie doch lange bei der Tanztendenz sowie einst Volontärin in der Pinakothek der Moderne.