Adele in München

München ist mehr – Eine Glosse

Zwischen diversen Megaevents gilt es nicht zu vergessen, was Kultur eigentlich ausmacht.

Nun ist er schon im letzten Drittel angelangt, der „Sommer der Superlative“ mit seinen unzähligen (ok, 25 oder so) Großkonzerten. Das Superbloom steht noch an und dann geht es an die Hallenkonzerte von Janet Jackson, Childish Gambino und vielen anderen. Scheinbar nahtlos geht es diesen Monat natürlich noch mit dem nächsten wirklichen Superlativ – dem größten Volksfest der Welt – weiter. Und ja: Während Taylor Swift, Adele, Coldplay, Justin Timberlake und Co. ordentlich Geld in die Kassen der Stadt und ihrer Etablissements gespült haben, wurden zugleich die Portemonnaies der Bewohner*innen der Stadt geplündert. Ich kann die Leute also verstehen, die sich fragen, wer denn überhaupt noch Geld für die Wiesn haben soll. Bei 15 Euro für die Mass. In der Welthauptstadt des Bieres eigentlich eine Peinlichkeit. Aber ich wollte ja über was ganz anderes schimpfen: Nochmal zu Adele. Da rechnet das Wirtschaftsreferat um Clemens Baumgärtner mit 563 Millionen Euro, die durch diese zehn Konzerte in die Stadt gespült werden. Während das Kulturreferat im Zuge größerer Sparmaßnahmen der Stadt München knapp acht Millionen Euro weniger Etat abbekommt, was zu einem Aufschrei quer durch alle Sparten führte.
Mir ist schon klar, dass die Gegenüberstellung der beiden Zahlen tendenziös ist und man von den Adele-(Un-)Summen nur die Steuereinnahmen einrechnen darf etc. Dennoch zeigt sich hier, wie groß die Schere zwischen unterschiedlichen Typen kultureller Events inzwischen ist.

„Willst du gelten, mach dich selten.“ Künstliche Verknappung, eine der unsympathischsten Marketingstrategien des Kapitalismus, führt dann dazu, dass Leute vierstellige Eurobeträge ausgeben, um einen Abend in irgendeinem Stadion an irgendeiner U-Bahnendhaltestelle die (durchaus schön) wuiselnde Adele auf irgendeiner Riesenleinwand zu sehen, die allein so viel kostet, wie diverse Jahresgehälter freier Theaterschaffender, Musiker*innen, Künstler*innen, Schriftsteller*innen zusammen. Dann macht man als Zuschauer*in einen Haken ans Kulturjahr 2024. Bei dem Megaevent des Jahres war man ja dabei, bis Weihnachten besteht das Kulturerleben jetzt aus Streaming von der heimischen Couch aus und das facettenreiche Angebot direkt um einen herum, wird ausgeblendet.

Und ich kann das bei den Ticketpreisen der Großevents auch verstehen, aber das ist nicht, wie Kultur eine Stadt prägen kann und auch nicht, wofür die kommenden 80 Seiten dieses Hefts stehen. München ist mehr als eine praktisch im südlichen Mitteleuropa gelegene Infrastrukturmaßnahme für Superstars. Darum geht es in unserem Heft und auf dieser Website. Und da Sie, ja SIE!, gerade diesen Text lesen, nehme ich ganz dreist an, dass Sie wissen, dass ein Abend nicht unbedingt mehrere Millionen Euro in der Produktion kosten muss, um eindrucksvoll zu sein. Einmal im Jahr zur gebuchten Reizüberflutung in die U2 zu steigen: das kanns doch echt nicht sein. Wenn die lokale Kulturszene zwischen horrenden Mieten und schwindender Förderung verkümmert, vor den Toren der Stadt aber die Megaevents stattfinden, läuft etwas falsch. Schauen wir, dass es nicht so kommt. Viel Spaß auf unserer Website! Lassen Sie sich inspirieren!