Glosse zu 2025: Gute und schlechte Vorsätze

Zum neuen Jahr neigen wir zur Selbstoptimierung und mit der ists bekanntlich oft nicht leicht…

Dieser Text ist ein brenzliges Unterfangen: Er dreht sich um Tipps zu guten Vorsätzen fürs neue Jahr und wurde dabei verfasst von irgendeinem Typen, der sich selbst noch nie welche gesetzt hat. Wie soll man denn auch die Perfektion noch verbessern, meine Lieben? Aber im Ernst: Vielleicht nehm ich mir fürs Jahr 2025 einfach vor, öfters ungefragt Ratschläge zu verteilen und erfülle den Vorsatz somit direkt mit diesem Text. Bingo! Sie sehen: Ich kenn mich aus.

Nun wirklich ernsthaft: Gute Vorsätze sind selbstverständlich schön gedacht! Der eine will mehr Sport machen, die nächste seltener zu McDonald’s, der dritte endlich mal „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ lesen, die vierte will wieder mal öfter zu Burger King und wieder die nächste will die Oma regelmäßiger besuchen. Alles edle Unterfangen, es gibt nur ein Problem dabei: Wir setzen uns durch sie freiwillig latent unter Druck. Man kennt es: Nach Silvester und Neujahr hat man es noch ein wenig gemütlich, dann kommt der Blick in den Kalender. Wie, es ist schon Februar? Dann der Blick ins Regal: Da steht sie, die Frankfurter Suhrkamp-Proust-Ausgabe, die man sich vor zwei Monaten für 98 Euro gegönnt hatte. Unberührt, vielleicht sogar noch eingeschweißt und gelesen schon gleich gar nicht. Man bekommt ein schlechtes Gewissen und fühlt sich in letzter Konsequenz blöder, als wenn es den Vorsatz nie gegeben hätte.

Selbstoptimierung?Zum Scheitern verurteilt!

Die vermeintliche „Selbstoptimierung“, die ich als Wort schon überhaupt nicht mag, weil sie das Scheitern bereits in sich trägt -ein wie auch immer geartetes Optimum werden wir ja nie erreichen- sollte doch dem Ziel „Glück und Zufriedenheit“ dienen. Ich sehe durchaus, dass die entstehen, wenn man auch was anpackt und verwirklicht, aber dass das unbedingt an dem im Kern doch willkürlich gewählten Startdatum 1. Januar losgehen muss, glaub ich nicht. Und dass das unbedingt im Fitnessstudio geschehen muss, weil da der eine Marathonläuferkollege so davon schwärmt, seh ich auch nicht.

Wir haben alle kreative, produktive Kraft in uns; die blüht schon irgendwie auf, aber wahrscheinlich eben in Richtungen, die wir wirklich, wirklich verwirklicht wissen wollen. Wenn uns der Rücken weh tut, gehen wir schon ins Fitnessstudio und wenn die Neugierde überhandnimmt, lesen wir auch den französischen 5300-Seitenwälzer. Ohne Zwang. Und schafft man etwas (z.B. psychisch) nicht, obwohl man es für leicht hält, und es eigentlich oberste Priorität haben sollte, ist halt Zeit Hilfe zu suchen. Leider ist auch das manchmal nicht einfach aber dafür definitiv auch total normal und nix wofür man sich zu schämen braucht. In diesem Sinne: Nieder mit der Selbstoptimierung und ein Hoch auf echte Bedürfnisse.

Zum Abschluss sei hier noch der stets weise Groucho Marx paraphrasiert, der -auf Deutsch übersetzt- ungefähr sagte: „Ich habe die letzten zwei Wochen auf Zigarren und Alkohol verzichtet und habe es so tatsächlich geschafft, in dieser Zeit vierzehn Tage zu verlieren.“ In diesem Sinne: Prost Neujahr! Lasst uns 2025 unsere jeweiligen Bedürfnisse erkennen, ihre Erfüllung in aller Ruhe in Angriff nehmen und dazu noch eine kleine Prise Glück und Gesundheit abgreifen!