Für ein offeneres Miteinander in der Öffentlichkeit – Bei Lärm und überhaupt
Ein Streitthema so Münchnerisch wie Mietpreise und Vereinszugehörigkeiten: Anwohner versus Münchner Freizeit-, Nacht- und Kulturleben. Jüngste Runde: Die Surfer von der Dianabadschwelle im Englischen Garten gegen Teile der Eigentumsgemeinschaft des Privatgrundstücks an der Oettingenstraße. Die Kurzversion: Manche dort fanden die Surfer zu laut, auch nachts, also wurde ein Zaun so nah an den Eisbach versetzt, dass das Surfen für viele noch ungeübte Wellenreiter*innen verunmöglicht oder viel gefährlicher wurde. Die Bayerische Schlösserverwaltung prüft, ob der Schritt zulässig war, oder ob der Zaun auf ihren Grund verrückt wurde. Nun die üblichen Dialoge im Bekanntenkreis: „Kommt halt drauf an, wer zuerst da war: Die Surfer oder die Anwohner?“ – „Aber der Park und der Kanal gehört doch niemandem, die dürfen da doch sein!“
Der fiktive Anwohner
Und wie so oft kann man irgendwie beide Seiten verstehen. Bei allen Spielarten der Anwohner-vs.-Lärm-Streits. Wenn Partyheere tumb aus Schlündern, welche einst menschliche Laute erzeugen konnten grölend durch Wohngebiete ziehen, ist das wahrlich nicht cool. Seltsam nur, dass oft doppelte Standards angelegt werden: Zu Oktoberfest und Fußballspielen werden die marodierenden Menschenmengen akzeptiert, aber wehe ein innerstädtisches Nachtlokal will mal Live-Musik veranstalten – Dann heißt es: „Wie, ihr wollt nen Indie-Folk-Typen mit Akustikgitarre von 19:30 bis 21:00 Uhr im Keller spielen lassen? Ist euch nicht klar, was das für ein Höllenlärm machen wird?!“ Schnell regt man sich über etwas auf, das für das Leben in dieser Stadt essenziell ist: Kultur jenseits von riesigen Mainstream-Events à la Adele. Und das weiß der von mir zum Zwecke des Beschimpfens fingierte Anwohner irgendwo im Hinterkopf auch, denn für die Gäste hat er sie dann doch da liegen: Die dicken Coffeetable-Fotobände, die beweisen, wie wild München einst gewesen ist. Ja, der Freddie Mercury war mal da. Ja, der Giorgio Moroder auch. Und nach dem Sommerurlaub im europäischen Süden schwärmt er auch gern vom bunten Trubel, den man abends in Nizza oder Neapel erleben kann, diesem Savoir Vivre beziehungsweise Dolce Vita, das in diesen Städten in der Luft hängt.
„Beim Reden kommen d’Leut zam“
Was erkennen wir also? Wir wollen alle mal raus, was erleben. Sonst hätten Sie gerade nicht dieses Heft in der Hand. Und auch der größte Partylöwe will mal Ruhe. Spätestens wenn er seinen Rausch ausschläft. Wir sind also nicht so verschieden und eigentlich gibt es hier keine zwei Seiten, in die wir so gerne aufteilen. Es ist wahrlich nicht so kompliziert: Nicht gleich die Behörden einschalten, sondern miteinander reden, dann kommt man schon zu einer Lösung. Und wenn der direkte Dialog nicht klappt, gibt es von der Stadt immer noch AKIM, das allparteiliche Konfliktmanagement für „Irritationen und Störungen im öffentlichen Raum“. Umso bedauerlicher, dass all diese Möglichkeiten im aktuellen Fall nicht genutzt wurden und die Surfer auf ihr Angebot die Kosten für einen Lärm- und Sichtschutz zu übernehmen und sich als Community Regeln aufzuerlegen keine Rückmeldung erhielten. So schnell geht’s von Lärmbeschwerden zum Silent Treatment. Hoffen wir, dass das nicht die Regel wird, denn Schweigen ist zu still.