Der Schanigarten vom Botanista

Glosse: Gelebte Adhokratie im Frühling

Schanigärten und Spätis dürfen sprießen und München wird weltstädtischer. Gedanken dazu in unserer Glosse

Auf einmal ging alles ganz schnell. Vor etwa fünf Jahren wehte die Seuche durchs Land und wir durchlebten den ersten Lockdown. Stillstand und Rückzug waren die direkte Folge. Und dann hat’s, wenn ich jetzt so durch den Zeitbrei, den die Coronazeit in mir darstellt, zurückblicke, gar nimmer lang gedauert, bis sie auftauchten und für München neuartige Lebensqualität mit sich brachten: Die Schanigärten. Schanigärten oder „Freischankflächen auf Parkständen“, wie sie in der Stadtverwaltung bürokratisch genannt werden, durften von heut auf morgen von gastronomischen Betrieben auf voller Breite auf den Parkplätzen vor dem jeweiligen Betrieb errichtet werden. Ohne Rücksicht auf Parkplatzeinbußen in dieser eh schon vor unnützen Autos platzenden Stadt. Müssen die halt schauen, wo’s bleiben. Savoir vivre anstatt savoir fahre. Gelebte Adhokratie (heißt wirklich so).

Die Bürokratie hinterm Schanigarten

Ok, die Gastronomen müssen für einen Ersterlass 180 Euro Gebühren und dann je Quadratmeter und abhängig von der Straße an der sie bauen wollen, zwischen 16 und 77 Euro Sondernutzungsgebühr zahlen, aber sonst geht’s sehr fix. Und das Stadtbild war und ist durch sie wirklich ein schöneres, wärmeres. Auch wenn mich bis zum heutigen Tag nervt, wie selbstverständlich vor fünf Jahren alle plötzlich den Begriff „Schanigarten“ nutzten, als wären sie alteingesessene Wiener*innen. „Freili, a Schanigarten hoit. Des hamma scho immer so gsagt!“ Nein, habt ihr nicht, weil‘s die hier fast gar nicht gab! Aber da bin ich wohl einfach zu schnell reizbar. Wichtig ist, dass die Schanigärten auch heute noch existieren dürfen und unsere Stadt nachhaltig bunter machen.

Und die Spätis?

Ebenso scheinen auch die Spätis oder -behördendeutsch- „erlaubnisfreien Gaststätten“ seit letztem Jahr plötzlich überall aufzutauchen. Voraussetzung zum Betrieb einer solchen, die auch nach der Ladenschlusszeit von 20 Uhr noch offen sein darf, ist die Möglichkeit eines Verzehrs vor Ort, die aber schon mit mindestens einem Verzehrbrett gewährleistet sei. Und die Späti-Betreiber*innen greifen die Gelegenheit beim Schopfe und machen so auch die Stadt bunter. Und jetzt?

Und die Stadtgesellschaft?

Jetzt müssen wir als Münchner Stadtgesellschaft nachziehen: Im Schanigarten essen, Kultur erleben, die Spätis leeren, die neuen Nacht-U-Bahnen füllen und der Verwaltung beweisen, dass sie sich um eine Weltstadt voller Leben kümmert. Dann fallen irgendwann auch weitere Bürokratie-Barrieren, es entstehen wieder mehr Livemusik-Kneipen und andere Freiräume für Kunst und Kultur. Inspirationen zum spät heimkommen finden Sie auf dieser Website. Viel Spaß!