Französischer Charme aus Bayern: Claire Schleeger und Bastian Hauser, Kino-Macher aus Leidenschaft, haben das Theatiner Kino übernommen
Frau Schleeger, Herr Hauser, wie viel Mut brauchen Sie, in einer unruhigen Welt sowie natürlich auch in der Zeit von Streaming-Diensten ein Kino zu übernehmen: Wie lange mussten Sie darüber schlafen, bis die Entscheidung fiel?
Schleeger: Für uns beide war es schon ein Herzensprojekt. Wir haben hier ja auch schon zuvor lange Jahre gearbeitet – Bastian fast 13 und ich sieben Jahre. Aber es stimmt: Es ist kein Selbstläufer, ein Arthouse-Kino mit nur einem Saal zu betreiben. Aber es hat sich die Möglichkeit ergeben, dass wir das machen. Und ich bin sehr froh darüber! Unruhige Welt – stimmt auch! Genau des wegen glauben wir daran, dass das Kino ein Ort der Begegnung sein kann.
Hauser: Wir haben wirklich ein tolles Stammpublikum, das sehr aufgeschlossen und interessiert ist. Darüber sind wir glücklich – und das hat unsere Entscheidung sicher leichter gemacht. Gleichzeitig versuchen wir natürlich, neue Zielgruppen anzusprechen. Wir sind sehr offen, was die Zusammenarbeit
mit anderen Kulturinstitutionen und Festivals angeht.
Sie sind ja bekanntlich nicht auf eine Stellenanzeige hin angesprungen, beide kennen sie das Haus und natürlich auch die langjährige frühere Betreiberin Marlies Kirchner sehr gut. Wie wichtig war es, sich den Betrieb aus dem Projektorenraum oder aus der zweiten Reihe genauer anschauen zu können?
Hauser: Mit uns gibt es im Theatiner auf jeden Fall Kontinuität – auch wenn wir versuchen wollen, frischen Wind reinzubringen. Wir sind offen für neue Sachen. Aber es muss niemand Angst haben, dass sich der Charakter und die Besonderheit unseres Kinos ändern.
Etwa dadurch, dass Sie Originalfassungen zeigen – auch mal Finnisch oder Japanisch – mit Untertiteln?
Schleeger : Unbedingt! München ist so eine vielfältige Stadt. Es gibt so viele Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen, die sich sehr freuen, wenn sie ihre Muttersprache bei uns mal wieder auf der Leinwand hören.
Über…
Junge Cineasten im 50er-Jahre-Filmpalästchen: 66 Jahre führte Marlies Kirchner das Traditionskino mit dem denkmalgeschützten holzgetäfelten Saal. Nun hat sie die Geschäfte an Claire Schleeger und Bastian Hauser übergeben, die sich einst im LMU-Filmclub kennen und schätzen lernten. Sie lüften mit frischer Energie ab sofort neu durch. www.theatiner-film.de
Wie wollen Sie die Leute vom Sofa hochkriegen?
Schleeger: Gerade, weil es so eine Fülle an Angeboten gibt, sehen wir es als unsere Aufgabe an, die Perlen rauszupicken. Wir kuratieren ein attraktives Programm. Von den vielen Streaming-Diensten wird man ja fast erschlagen.
Wer streamt, verbringt oft fast mehr Zeit damit, erst einmal einen Film auszusuchen, als ihn dann auch wirklich anzuschauen.
Schleeger: Diese Plackerei kennen auch wir gut. Daher wollen wir Filme zeigen, von denen wir denken, sie könnten unserem Stammpublikum gefallen. Anderseits wollen wir aber auch nicht zu erwartbar sein – also auch ein wenig herausfordernd bleiben.
Hauser: Der Blick über den Tellerrand ist uns schon sehr wichtig. Wir wollen uns nicht nur auf eine Schiene konzentrierten. Unsere Absicht ist, unsere Augen offen zu halten und wirklich zu versuchen, die besonderen Filme ins Programm zu holen.
Manchmal hat man das Gefühl, die Kinos zeigen Woche für Woche mehr oder weniger jeweils dieselben Neustarts. Gibt es denn für Sie in der Vor-Auswahl überhaupt ausreichend viele Möglichkeiten?
Schleeger: Doch, es hat sich in den letzten Jahren schön entwickelt, dass es mittlerweile viel mehr kleine Verleiher gibt, die viel mehr Filme aus allen Ecken der Welt nach Deutschland bringen. Mit der Digitalisierung ist es einfacher geworden, Filme herauszubringen. Das hat vielleicht einige Nachteile, aber
eben auch den Vorteil, dass man wirklich auch aus fernen Ländern und Kulturräumen interessante Sachen sehen kann.
Und die Franzosen drehen einfach weiter leidenschaftlich viel?
Hauser: Zum Glück! Das französische Kino war ja schon immer ein besonderer Fokus im Theatiner. Marlies Kirchner hatte zusammen mit ihrem Mann seinerzeit als erste Nouvelle-Vague-Filme aus Frankreich nach Deutschland gebracht. Wir sind große Fans des französischen Kinos. Dieser Schwerpunkt wird auf jeden Fall bleiben. Weil immer noch unterschiedliche und tolle Sachen aus Frankreich kommen!
Traumberuf?
Schleeger: Ich habe meine Leidenschaft zum Film zum Beruf gemacht. Es ist auch nicht so, dass ich privat irgendwann keine Lust oder keinen Kopf mehr dafür habe, neue Filme zu sehen, nur weil ich mich damit ohnehin quasi rund um die Uhr beschäftige. Selbst wenn wir in Paris sind, was wir öfter machen, dann gehen wir da sehr gerne ins Kino und lassen uns inspirieren.
Wo zieht es Sie da hin?
Schleeger: Fünftes Arrondissement!
Hauser: Die kleinen Programmkinos in Paris sind einfach wunderbar – und Vorbilder. Man kann sich im Quartier Latin täglich Neues, aber auch Klassiker anschauen – unter der Woche sogar mit Matinee-Vorstellungen schon ab neun Uhr in der Früh. Das werden wir in München leider nicht so ganz hinbekommen.
Worauf darf man sich denn im März besonders freuen?
Schleeger: Natürlich unser tolles Programm. Und dann haben wir vor allem die Filmtage der Frankophonie – mit dem Film-Festival vom 16. bis 23. März. Auf die freuen wir uns selbst ganz besonders. Die Konsulate der Francophonie-Länder in München zeigen jeden Tag einen Film. Und es wird davor einem Kurzfilmabend gegeben.
Französischsprachige Filme – aus der ganzen Welt?
Schleeger: Diesmal sind exklusiv im Theatiner sieben ganz besondere Filme aus Kanada, Québec, Schweiz, Rumänien, Belgien und Tunesien dabei. Und natürlich aus Frankreich!