Lost in Music: Ein Ortsgespräch mit Veranstalter Markus Naegele

Hör-Vergnügen: Was man über Markus Naegele und seine „Lost in Music“- Reihe wissen muss

Herr Naegele, bei Ihrer tollen „Lost in Music“-Reihe bringen Sie zusammen, was viele Leute sonst als Einzelveranstaltung besuchen. Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee?

Über die Interessen, die ich immer schon verfolgt hatte. Ich komme originär von der Musik. Früher habe ich Booking gemacht, Zeitschriften herausgebracht, war Journalist, habe in Bands gespielt. Später bin ich dann eher durch Zufall in den Buchbereich reingerutscht.

Dort ging’s aber steil aufwärts – bis zur Verlagsleitung.

Ich habe im Verlag das Büchermachen im Learning-by-Doing-Prinzip gelernt und mich immer tiefer reingearbeitet. Irgendwann hatte ich das Glück, dass ich Heyne Hardcore gründen und 17 Jahre als Verlagsleiter steuern konnte. Da entstand dann auch die Idee für gemischte Lese-Musik-Abende wie „Lost in Music“. Dabei konnte ich all meine Interessen bündeln.

Los ging’s einst ungezwungen im Münchner Nachtleben, aus dem Sie seitdem nicht mehr wegzudenken sind.

Damals war es meine Reihe „It’s a Hardcore Night“ – im Unter Deck. Schon da hatte ich jeweils eine Leserin oder einen Leser – und einen Live-Act. Im fliegen- den Wechsel wurden da kurze Buchtex- te und Livemusik vorgetragen.

Damit war dann ja auch klar, dass es keine steife Lesung mit Still-Sein und Wasserglas auf dem Schreibtisch sein würde.

Genau. Ich wollte ein Gegengewicht zu den klassischen Lesungen bilden – zu den Autorenabenden mit dem Hüsteln und dem Wasserglas. Autorinnen oder Autoren lesen aus dem Buch vor, dann gibt es noch ein paar Fragen vom Interviewer und danach wird das Buch signiert – und alle gehen wieder brav nach Hause. So ist das gelernt. Solche Lesungen sind der Standard, oft eben auch etwas steif.

Ihr Gegenentwurf?

Ich hatte immer die Idee, die Lesung ein bisschen bunter zu gestalten – auch in anderen Locations, nicht in der Buchhandlung. Es darf schon auch was Alkoholhaltiges getrunken werden können. Oder man kann zwischendurch mal zum Rauchen vor die Tür. Und es gibt natürlich ganz viel Musik. Mir geht es darum, diese Welten zusammenzubringen.

Die Idee hat ja auch gut eingeschlagen. Und geht schon länger auch ohne die Anbindung an Heyne Hardcore weiter.

Dort hatte ich natürlich Glück, dass ich über den Verlag coole Typen wie zum Beispiel John Niven als Autoren engagieren konnte. Bei den Lesungen griff er dann auch selbst zur Gitarre. Oder Irvine Welsh: Das sind natürlich Autoren, die in irgendeiner Form selbst viel mit Musik zu tun haben. Musik und Literatur – das habe ich halt gelebt und beides zusammen wollte ich auf die Bühne bringen. Die Idee wurde immer größer – bis hin zu einer richtigen Tour durch Deutschland mit wechselnden Musikern und unterschiedlichen Leser*innen.

Machen Sie denn an der Tür eine Strichliste: Wer kommt für die Musik, wer kommt für die Lesung?

Nee, Strichlisten gibt’s nicht. Warum auch? Im Idealfall ist die Begeisterung übergreifend. Hauptsache, die Leute kommen. Ich lebe ja selbst beide Welten. Dass beides harmonisch zusammengeht und spannend wird oder sich sogar reibt, hängt natürlich auch ein bisschen vom Programm ab. Es muss bühnentauglich sein, Text und Musik haben oft einen Entertainment-Faktor. Alles andere findet sich.

Mittlerweile haben Sie den Verlag verlassen. Um wie viel freier sind sie beim Gestalten, wenn das auch ein Sprung ins kalte Wasser war?

Na klar. Es ist freier – und herausfordernder. Eines meiner Lieblingsbücher seit jeher ist „Lost in Music“ von Giles Smith. Ein toller Autor und selbst Musiker – in England ungefähr gleichzeitig zu „High Fidelity“ von Nick Hornby erschienen. Es geht um den Traum, Popstar zu werden und zu scheitern. Ein großartiges Buch. Ich habe mir gedacht: Den Titel nehme ich als Inspiration und mache daraus eine Reihe – mit Lesungen, die in der Welt der Musik spielen.

Was für Texte gehören für Sie unbedingt dazu?

Es kann die ganze Bandbreite sein – von Romantexten über Briefe bis hin zu Artikeln. Alles, was man sich erzählen kann und muss. Musik ist ein großes Feld, aber auch eine starke Klammer.

Wie sieht Ihr perfekter „Lost in Music“- Abend aus?

Vier Lese-Parts, vier Live-Musik-Parts. Gut gemischt, gut geschüttelt. Es kommen vier Lesende – jeweils mit Zwölf- Minuten-Häppchen. Und dann gibt es Live-Acts. Das kann ein Songwriter sein oder eine kleine Band – wie auch immer. Dazu gibt es noch einen DJ, der die Überleitungen macht – und später für Partystimmung sorgt. Ich moderiere das Ganze.

Worauf darf man sich in diesem Monat freuen?

Das Programm für den 24. April zeigt sehr schön die ganze Bandbreite von „Lost in Music“: Mit Caro Kelley gibt es eine der spannendsten jungen Songwriterinnen der Stadt neben dem 80-jährigen Autor und Chansonier Anatol Regnier, während Szene-Tausendsassa Albert Pöschl als Jason Arigato Glam- Rock und Lofi-Pop verbindet. Radio-Legende Roderich Fabian wird Geschichten aus der Popmusik vortragen, genauso wie Kammerspiele-Schauspielerin Anja Signitzer und Aktivistin und Zündfunk-Moderatorin Alexandra Martini. Dazu legt King Brownie Perlen der Musikgeschichte auf – und ich schlüpfe als Moderator und Gastgeber in die Rolle des Don Marco.

ZUR PERSON:

Breitbeinig: Markus Naegele, geboren in Köln, aufgewachsen in Frankfurt, aber schon lange Ideengeber und Macher in der Münchner Musik- und Literatur- szene, war Booker, Musik-Mana- ger, Journalist und Verleger und veranstaltet die „Lost in Music“- Reihe im Live/Evil. Naegele, selbst Musiker, spielte in der Band Fuck Yeah, mittlerweile tritt er mit Drug Stop und immer wieder als Don Marco auf. Auf seinen maßgeschneiderter Nudie Suit aus den USA ist er besonders stolz.