Fast dreißig Jahre hat Tom Oßwald mit seiner Kolumne „Partygänger“ für die tz München aus dem Nachtleben berichtet. Anfang 2020 ist es plötzlich ruhiger um ihn geworden. Das nehmen wir gleich zum Anlass, ihn zu treffen und zu fragen, was er gerade so macht….
Jemand wie Du gibt das Schreiben doch nicht auf, oder?
Eigentlich nicht. Die Corona-Krise hat zwar vieles zunichte gemacht – darunter nach 29 Jahren auch meine Partygänger-Kolumne – aber ich schreibe seit Kurzem wieder in loser Reihenfolge für die tz über Promi-Termine. Manchmal hat das auch mit Nightlife zu tun, so wie im Dezember beim „Funky Christmas“ von John Munich im P1. Da schließt sich wieder ein Kreis zum „Partygänger“. Das ist nur noch zum Spaß; im Hauptberuf bin ich Leiter der Rechtsabteilung des Versicherungs-Start-ups Ottonova.de, Deutschlands erster digitaler Krankenversicherung. Das füllt mich auch ziemlich gut aus.
Wie gehst Du eigentlich mit Fundstücken aus Deiner Kolumne um?
Nach drei Jahrzehnten Nachtleben habe ich einen Fundus von gut 20.000 Fotos. Irgendwie komme ich nicht richtig dazu, das zu katalogisieren, obwohl ich da schon einige Perlen drin habe. Und wenn es jemand gibt, der das gerne veröffentlichen möchte, gerne an mich wenden…!
Wie bist Du denn vom privaten Feiern zur Person „Partygänger“ in Deiner Kolumne geworden?
Nightlife und Party haben mich eigentlich schon seit Ende der 1980er Jahre begleitet, weil ich mir mein Jura-Studium als Türsteher finanzierte. Ganz am Anfang im Wolkenkratzer vom Bonger Voges, da musste ich Schulden abarbeiten, die ich bei ihm als Veranstalter eines Konzerts mit den United Balls in seiner Negerhalle hatte, 1989 dann für Hansi Grandl in dessen legendärem Roses an der Leopoldstraße, für mich noch immer die Mutter aller Spaß-Bars. Und ab 1990 im Parkcafé, als Bouncer hinter Hansi Grandl.
Dort habe ich auch den Sohn des tz-Verlegers kennengelernt und beide waren wir der Meinung, dass über alles in der Zeitung berichtet wird, nur nicht übers Nachtleben. Ich habe ein kurzes Konzept geschrieben, das freundlicherweise direkt auf dem Verleger-Schreibtisch landete – und so ging es los. Ich schrieb zwei Probetexte, für eine Nightlife-Serie, die eh schon in Planung stand, es lief ganz gut und bekam danach meine eigene Kolumne – erst wöchentlich, bald dann aber schon fünf Mal in der Woche – fast 30 Jahre lang.
Bist Du dann noch privat weggegangen?
Am Anfang ist privat und beruflich verschmolzen: Es war super mit mir weg zu gehen, weil jeder wusste, dass man mit mir überall reinkommt, dazu noch für lau und idealer Weise auch mal ein Kaltgetränk aufs Haus bekam. Auch wenn man oft unterwegs ist…
Welche Highlights fallen Dir ein?
Die geilste Party, die ich miterleben durfte, und das hat mir vor wenigen Tagen auch nochmal Christian Schottenhamel bestätigt, der damals Pächter des Parkcafé war, war die Filmpremiere von „Studio 54“. Da war nicht nur Salma Hayek da, alle sind vom Mathäser rüber gekommen. Und Diane Brill, ein Starlet, das auch im Studio 54 zu Gast war, kam auf einem weißen Pferd hereingeritten und irgendwann hat dann auch noch Grace Jones in einer Hammer-Deko gesungen… Es war die Party schlechthin! Ganz großartig waren aber auch immer die Münchner Gastro-Silvester und persönlich schätzte ich auch die Verleihungen der Munich Nightlife Awards.
Wo Du ja auch einen Award bekommen hast. Aber eine Rede halten wolltest Du nicht.
Nein, ich bin wirklich nicht so die Rampensau, aber ich habe mich artig bei Mathias Scheffel bedankt, der die Laudatio gehalten hat.
Worauf kommt es bei der Party-Berichterstattung Deiner Meinung nach an?
Auf klare Infos, zwischen den Zeilen muss die persönliche Meinung hindurch scheinen, weil es eine Kolumne ist. Manchmal Süffisanz und Wortspiele. Immer ehrlich, aber nie verletzend, das ist wichtig.
Was macht eine gute Party aus?
Wie immer, und daran wird sich, glaub ich auch nichts ändern: „Mädels, Bier und bunte Lichter…“
Wie hat sich das Münchner Nachtleben entwickelt im Lauf der Zeit?
Rasant. Ende der 80er Jahre mit Acid und House. Dann fallen mir die Hallen ein, angefangen von der Negerhalle, die heute sicher nicht mehr so heißen dürfte, die Theaterfabrik in Unterföhring von Wolfgang Nöth, der auch das Nachtwerk in der Landsbergerstraße – der heutigen Nachtgalerie – eröffnete und die Acid-Partys im Park Café. Dann kam die Ghettoisierung, erst am Flughafen Riem, danach im Kunstpark Ost, Optimolwerke – das war eine aufregende, wilde Zeit, zumindest am Anfang.
Die Innenstadt war verwaist. Es tat dem Nachtleben aus meiner Sicht gut, dass die Partygelände Anfang der Nuller-Jahre schließen mussten und die Innenstadt wiederbelebt wurde. Erst an der sogenannten Feierbanane entlang der Sonnenstraße, dann kunterbunt verteilt in der ganzen Stadt. In letzter Zeit ist mein Gefühl, dass es Clubs schwerer haben, der Trend geht eher zu Bars, in denen aber auch ordentlich die Post abgeht.
Was macht sie Szene in München aus?
Dass sie sich immer wieder neu definiert. Und vielleicht geht es auch um so etwas wie Haltung: die hatte zum Beispiel Wolfgang Nöth, Nachtcafe-Legende Wolfi Kornemann, sicher auch David Süß vom Harry Klein oder die Faltenbachers. Aber die gibt’s in jeder Generation, aktuell würde ich da Daniel Hahn vom Bahnwärter Thiel nennen, next generation eben, die wieder etwas Neues machen, das sich immer weiter entwickelt.
Und dann gibt es auch einige, die eher stehen bleiben, aber ich finde, das hat auch seine Berechtigung. Idealerweise werden sie dann zum Klassiker. Aber ansonsten lebt das Nachtleben davon, dass es sich erneuert. Und freilich hat sich vieles ins Private verlagert, auch private Raves gibt es viele. Das läuft dann über private Netzwerke und läuft an den Rändern.
Interview: Birgit Ackermann