12 Jahre Ritournelle: Tobias Staab im Interview

Ritournelle feiert diesen Freitag sein 12-jähriges Bestehen im Blitz Club. Hinter dem Festival steht Tobias Staab, der 2012 das erste Ritournelle an den Münchner Kammerspielen initiierte und es seitdem kontinuierlich weiterentwickelt hat.

Mit einem Line-up, das von den Techno-Pionieren British Murder Boys bis hin zur nigerianischen Rapperin Aunty Rayzor reicht, bietet die diesjährige Ausgabe eine aufregende Mischung. Im Interview verrät Tobias Staab mehr über die künstlerische Vision, und was das Ritournelle dieses Jahr besonders macht.

Verlosung: 2 x 2 Tickets für 12 Jahre Ritournelle am 18. Oktober im Blitz Club

Ritournelle verbindet seit 12 Jahren Hedonismus und Avantgarde. Wie gelingt es euch, auch dieses Jahr diese Balance zu wahren?
Der Spagat bei Ritournelle besteht ja immer darin, ein Verhältnis zu schaffen zwischen der Energie, die in einem Club erzeugt werden soll, und den Brüchen, die nötig sind, um das ganze überraschend und interessant zu halten. Diese Dynamik beschäftigt uns immer. Aber die Gewichtung fällt in einem Kontext wie dem Blitz Club mit seinem wunderbaren Soundsystem anders aus, als in den Münchner Kammerspielen. Dieses Mal hat uns die Frage nach dem Club als Gemeinschaftsort beschäftigt.

Welche künstlerische Vision hattet ihr für die diesjährige Ausgabe im Blitz Club, und wie habt ihr die Künstler*innen ausgewählt, um diese Vision zu realisieren?
Über den Club nachzudenken, führt notwendigerweise zu einer zeitlichen Einordnung. Wie hat sich Clubmusik über die Jahre verändert? Welche Elemente werden wiederentdeckt? Was funktioniert in Zyklen? Das diesjährige Ritournelle ist ja auch immerhin schon im zwölften Jahr und blickt auf einiges zurück. Und auch wenn die Anfänge der europäischen Techno-Kultur mehr als zwei Jahrzehnte vor dem ersten Ritournelle stattfanden, bleiben sie gleichwohl prägend.

Surgeon und Regis sind Pioniere dieser Bewegung und seit den frühen 90er Jahren aktiv. Als British Murder Boys sind sie jetzt bei Ritournelle und vereinen Elemente von Acid und EBM, Industrial und Punk. Diesen eklektischen Spirit führen Modeselektor weiter, auch wenn sie ganz anders klingen. Die bringen eher Einflüsse von Grime, Dubstep und Pop mit ihren Sound. Mit Modeselektor haben sich unsere Pfade über die Jahre immer wieder gekreuzt. Genauso mit Helena Hauff, die sich interessanterweise einen ganz eigenen Acid-Klassizismus zu eigen gemacht hat, der dabei trotzdem so extrem futuristisch ankommt. Und wenn ich dann über die Zukunft von Clubmusik nachdenke, dann bin ich eher bei außereuropäischen Perspektiven. Die haben Clubmusik in den letzten Jahren wieder interessant gemacht. Zumindest für mich. In diesem Kontext kommt mir oft das Nyege-Nyege-Label aus Uganda in den Sinn. Die haben wir in den letzten Jahren immer wieder gefeatured. Dieses Mal haben wir die nigerianische Rapperin Aunty Rayzor eingeladen, deren Live-Shows keinen Stein auf dem anderen lassen.

Inwiefern beeinflusst die besondere Atmosphäre des Blitz Clubs die künstlerische Gestaltung von Ritournelle? Gab es spezielle Aspekte der Location, die ihr bei der Programmplanung berücksichtigt habt?
Ich denke, es ist wichtig, die Veranstaltung vom Raum her zu denken. Die Kammerspiele waren ein Theaterraum mit einer großen Bühne. Der Umstand, dass Ritournelle jetzt in einem Club mit diesem mächtigen VOID-Soundsystem stattfindet, verändert den Ansatz natürlich grundlegend. Die Künstler*innen, die wir dieses Jahr eingeladen haben, versuchen die Anlage voll auszureizen, indem sie mit Sub-Bässen arbeiten, die man auf anderen Systemen überhaupt nicht so wahrnimmt wie im Blitz. Außerdem erfüllen wir uns einen lange gehegten Wunsch, indem wir auf dem kleinen Plus Floor einen Ambient-Raum einrichten, mit Teppichen, Kissen und psychedelischem Licht. Chill-Out-Area hieß das früher mal …

Ritournelle bringt oft Raver und Musik-Nerds zusammen. Wie wichtig ist euch diese Vielfalt auf dem Dancefloor, und wie tragen Künstler*innen wie Helena Hauff oder Modeselektor dazu bei, dieses breite Publikum zu vereinen?
Über Künstler*innen wie Modeselektor und Helena Hauff spricht man natürlich ein vergleichsweise größeres Publikum an. Die haben allerdings auch mal als eher abseitige „nerdy“ Acts begonnen und hatten dann mit ihren Ansätzen ziemlichen Erfolg. Wenn wir heute in so einem Kontext jemanden wie Aunty Rayzor präsentieren, bekommen das natürlich mehr Leute mit, als wenn wir ein alleinstehendes Konzert machen würden. So haben wir das immer gehandhabt und damit dafür gesorgt, dass junge und aufstrebende Acts vor großem Publikum spielen. Und für die Gäste ist es umgekehrt ja auch interessant, mit neuen Sounds konfrontiert zu werden. Für uns ist es jedenfalls extrem wichtig, dass die sogenannten Nerds bei Ritournelle ein zuhause haben.