Friedrich Ani

Schriftsteller und Autor Friedrich Ani: „Mein Zaubertrank ist die Stille“

Neues vom wortgewaltigsten Schweiger der Stadt: Friedrich Ani legt zwei neue Bücher vor – und pfeift ein Fußball-Theater an

Lieber Herr Ani, es sind ja aktuell mal wieder Festwochen für Ihre Fans, Sie haben das Krimifestival eröffnet, den neuen Andreas-Hoh-Preis erhalten und bringen gleich im Doppelschlag den neuen Tabor-Süden-Roman und einen Gedichtband heraus. Zufall oder ein geschicktes Verlagsprogramm?
Das Erscheinen eines Romans und eines Gedichtbandes gleichzeitig war nicht avisiert, es ergab sich dann bei der Planung so. Und ein Kriminalroman kommt einem Lyrikband niemals in die Quere, nicht in diesem Land, wo Lyrik grundsätzlich eher zur E-wie Ernst-Literatur und Krimis zu U-wie Unterhaltung zählen, und die beiden Felder haben nix, aber auch gar nix miteinander zu tun. Sagt man so.

Der „Lichtjahre im Dunkel“-Band beginnt mal wieder mit einem Verschwinden. Was fasziniert Sie eigentlich so sehr am Ausgangspunkt, wenn Verlust und Leere die Statik erodieren?
Ist das Verlust und Leere, was die Ordnung durcheinanderbringt? Für mich entsteht eine neue Wahrheit durch das Verschwinden einer Person, die offensichtlich nie in der Form wahrgenommen wurde, wie sie es sich gewünscht hätte. Allerdings passiert in meinem neuen Roman das Verschwinden nicht freiwillig …

Nicht nur Menschen verschwinden ja, auch Geschäfte, Stammkneipen, liebgewordene Traditionen. Wie gut halten Sie privat Umbrüche und Veränderungsdruck aus?
Veränderungen, die mir oktroyiert werden, mag ich nicht besonders. Ich kann damit umgehen, aber das dauert, und manchmal hadere ich zu lange mit einer veränderten Situation. Nicht gut für mein Befinden.

Oh je. Muss man sich Ihren Tabor Süden eigentlich als melancholischen oder insgeheim eigentlich auch als glücklichen Menschen vorstellen?
Süden haust in seiner Schwermut wie in einem Zimmer, dessen Fenster in alle vier Himmelsrichtungen zeigen. Er sieht die Welt und weint. Und lacht. Und schweigt.

„Mein Zaubertrank ist die Stille“

Friedrich Ani 

Die „Katerschmieden“, wie Sie sie nennen, kennt man zum Glück noch. Trotzdem: Wie oft müssen Sie eigentlich die Stüberl wechseln, weil sie sich laufend verändern und gewaltsam „verschönert“ werden?
Das Wechseln von Stüberln hält fit, besonders nach Mitternacht.

Eigentlich sind Stehausschank-Tresen ja auch nicht immer das, was man den allerkommunikativsten Ort nennen würde. Viele stehen dort – und schweigen. Wie hält man die Stille im Trubel aus?
Am Stehausschank lässt man sich etwas ausschenken und tut dann, was erforderlich ist. Im Stehen quatschen oder die Klappe halten – das muss jeder und jede für sich entscheiden.

Wenn man die tollen Krimis mit dem Gedichtband „Stift“, aber auch ganz anderen Arbeiten vergleicht: Wie groß ist Ihr Bedürfnis, ab und an ganz andere Stimmen auszuprobieren?
Bin mir nicht sicher, ob die Stimmen in meinen Gedichten sich von denen in den Kriminalromanen groß und hörbar unterscheiden. Vielleicht probiere ich unbewusst hin und wieder andere Stimmen aus – aber vielleicht sind diese auch Echos der anderen, die längst in meiner Welt sind.

Auch in den neuen Gedichten geht es oft ums Flüchtige, die Momente, die kostbar sind, aber auch um Veränderungen sowie nicht zuletzt ums Schweigen. Um wie viel einsamer ist man, wenn man nur wenige Zeilen hat und um Worte ringt?
Die Art der Einsamkeit ist immer fundamental, und das Ringen um Wörter die Uraufgabe eines jeden schreibenden Menschen.

Wie gut könnten Sie sich Tabor Süden eigentlich auch als Gedichteschreiber vorstellen?
Tabor Süden schreibt Gedichte, veröffentlicht sie aber nicht. Von allen Dichtern, die er kennt, verehrt er Hölderlin am meisten.

Ihr Arbeitsjahr muss enorm durchgetaktet sein: Wie genau wechseln Sie eigentlich Recherche-, Schreib- und Ruhephasen ab?
Ich schreibe, wenn es mich packt, dann recherchiere ich (oder auch nicht), mache mir Notizen, überlege mir eine ungefähre Richtung und baue auf den ersten Satz, die erste Seite. Ruhephasen stellen sich dann schon ein, ich mach mir keinen Stundenplan.

Über Friedrich Ani

Nicht nur Giesings Großer: Friedrich Ani, geboren am Kochelsee, aber schnell von dort in die Stadt geflüchtet, gilt als einer der produktivsten Autoren im Lande – auch für Film und Fernsehen. Und er ist ein würdiger Widergänger von Lokalhelden wie Herbert Achternbusch. Aktuell erschienen ist „Lichtjahre im Dunkel“ sowie der Lyrik-Band „Stift“ – beide bei Suhrkamp.

Wie tanken Sie Kraft nach?
Mein Zaubertrank ist die Stille. Und oft der weite Blick über die Nordsee.

Sie flüchten tatsächlich immer wieder nach Sylt. Trotzdem noch einmal zurück: Die Giesingerbräuverstehausschankung greift in vielen Gegenden weiter um sich. Schwierig, dem Augustiner treu zu bleiben?
Nein.

Zuletzt noch ein bisschen Vorfreude auf Ihr bislang neuestes Projekt – Theater im Gasteig. Fußball ist ja oft großes Drama. Wie sportlich war die Herausforderung, ein Kurz-Drama zum Projekt „Stadion der Träume” beizusteuern und wie kam es eigentlich dazu?
Albert Ostermaier, der Cheforganisator des Kulturprogramms, fragte mich, ob ich Lust hätte, ein kurzes Stück zu schreiben. Ich habe lange keinen Theatertext mehr geschrieben, und war sofort inspiriert. Die Arbeit war ein Rausch maximaler Lust. Die Figuren kamen wie von selbst, und jetzt freue ich mich unbändig auf Hans Steinbichlers Regie, der eh ein Meister seines Fachs ist.

Viel verraten wurde vorab noch nicht. Immerhin: Ihr Stück kreist um das Abseits. Also mal ehrlich: Um wie viel schöner wäre Fußball, wenn es keine Abseitsregeln mehr gäbe?
Fußball ohne Abseits wäre möglich, aber merkwürdig. Außerdem wäre der VAR dann völlig umsonst erfunden worden …