Ortsgespräch: Adele Neuhauser

Aufgewachsen in Athen, im Wiener-„Tatort“ daheim, jetzt wieder bei uns: ADELE NEUHAUSER gastiert mit dem TRIO EDI NULZ am 15. Februar im Künstlerhaus

Frau Neuhauser, mit der Götterwelt der Griechen kommen Kinder in der Schule, aber auch in Comics, Filmen und Serien in Kontakt – und meistens springt der olympische Funke rasch über. Wie reizt Sie persönlich so besonders an solchen Erzählungen und mythischen Welten?

Mich reizt daran, dass das Unmögliche Realität werden kann. Die Kraft und die überschäumende Bildhaftigkeit der Geschichten. Die so oft wunderbar, fast naiven Erklärungen für die Entstehung mancher Dinge. Grandiose Märchen!

Sex, Crime, Dunkelheit und Lebensbejahung: Göttergeschichten sind oft sehr vielschichtig, oft verwirrend, widersprüchlich und gelegentlich ganz schön derb. Wie erklären Sie sich die Faszination, die noch immer von ihnen ausgeht?

Gerade daraus. Menschen sehnen sich nach göttlichen Überhöhungen. Das lässt sie die Realität vergessen und so träumen sie sich in andere Welten. Egal wie alt wir sind, wir lieben die Utopie.

Wann kamen Sie als Mädchen oder junge Frau eigentlich selbst das erste Mal in Berührung mit den alten Griechen, an denen oft gar nichts nur edel und schon gar nichts einfältig ist?

Wie viele andere auch, in der Schule. Da habe ich aber oft ob der Vielzahl der griechischen Götter gelitten. Ich konnte sie mir beim besten Willen nicht alle merken. Aber manche Geschichten haben mich gefesselt und begeistert.

„Für mich waren die Sonne und die Herzlichkeit der Menschen prägend“

Sie wuchsen in Athen auf, in dem Antikes allgegenwärtig ist, das aber eben auch eine sehr moderne, laute, Besucher oft überfordernde Großstadt ist. Was prägte Ihre Identität dort am stärksten?

Damals habe ich nur die Schönheit gesehen. Und ich erwische mich noch heute, dass ich die Erinnerung an meine frühe Kindheit oft verkläre. Für mich waren die Sonne und die Herzlichkeit der Menschen prägend.

Sie stammen aus einer sehr künstlerischen, kreativ geprägten Familie. Ist man den Göttern da automatisch ein Stück näher?

Nun, da waren die Götter meine Großeltern – und doch sehr menschlich.

Aber was sie aus ihrer Kreativität schufen, hat mich schon sehr fasziniert und mich in meiner Fantasie sicher stark beeinflusst. Da waren manchmal die Götter nicht mehr so fern.

Wie muss man sich Ihre ersten Jahre in Griechenland vorstellen?

Ich wuchs in einem Vorort von Athen auf. In einem Einfamilienhaus, mit Garten in dem Orangen und Zitronen wuchsen. Ich hatte zwei große Brüder, die viel anstellten und ich war ihr glückliches Publikum. Ich weiß nicht, ob ich meine Wurzeln noch spüre, aber ich sehne mich oft nach Griechenland.

„Die Götter genauer anzuschauen und nicht vor Ehrfurcht zu erblassen …“

In München treten Sie mit dem Abendprogramm unter dem Motto „Mythos“ auf. Wie wichtig ist Ihnen dabei der Untertitel „Was uns die Götter heute sagen“?

Nun der Untertitel hat schon viel Gewicht, da er uns ermahnt, uns die Götter genauer anzuschauen und nicht vor Ehrfurcht zu erblassen, sondern sich auch über sie zu amüsieren. Und das kann man mit dem großartigen Text von Stephen Fry. Sich herrlich amüsieren.

Welche Art von Göttergeschichten sprechen Sie am stärksten an?

Ich liebe die Auswahl, die wir getroffen haben. Sie war auch davon geprägt, für das Trio Edi Nulz viel musikalischen Raum zu schaffen.

Und was ist Ihr persönlicher Favorit?

Mein Favorit an unserem Abend ist die Geschichte von Hermes. Aber eigentlich ist der ganze Abend voll von Highlights.

Gerade im deutschsprachigen Raum war lange viel ergriffene Ehrfurcht vor der antiken Welt an der Tagesordnung. Und Latein und Alt-Griechisch für viele Schüler oft Horrorfächer. Wie wichtig ist es, da gegenzusteuern?

Ich glaube wir lernen generell leichter und tiefer, wenn wir emotional von den Stoffen erreicht werden. Wissen erlebbar zu machen ist, glaube ich ein guter Zugang.

Wie sehr hilft der originelle, frische, freche, humorvolle Zugang von Stephen Fry?

Er ist großartig und sollte in keinem Klassenzimmer fehlen!

Wie wichtig ist Ihnen, dass Ihr Vortrag von einer großartigen, nicht ganz alltäglichen Band begleitet wird?

Ich mag es sehr, wie durch den Text von Fry und der Musik von Edi Nulz die Antike mit der Moderne verschmilzt. Und das auf sehr erfrischende Art und Weise. Manchmal auch herrlich kindisch.

Was macht für Sie das Trio Edi Nulz so besonders?

Ihr Humor, ihre Virtuosität und ihr unglaubliches Gespür für Dramaturgie.

Die Musiker beschreiben ihren Stil als „Kammerpunkjazz“: Wie muss man sich das vorstellen?

Andreas Felber, der wunderbare Ö1-Moderator, hat ihre Musik mal so umschrieben und man kann sie wirklich wortwörtlich nehmen. Sie vereint viele Musikrichtungen zu einem „neuen“ Ganzen.

„Das berühmte Wiener Wasser ist auch mit viel Alkohol durchtränkt“

München schielt ja immer ein wenig neidisch auf Wien und den dortigen Schmäh: Wie kriegt man eigentlich solche Leichtigkeit hin – und was fließt wirklich durchs berühmte Wiener Wasser?

Das berühmte Wiener Wasser ist auch mit viel Alkohol durchtränkt. Vielleicht hat auch das zum Schmäh beigetragen, aber auch ein gewisser Fatalismus prägt die vielgepriesene Leichtigkeit, die aber auch viel Traurigkeit birgt.

Was können Münchner von den lieben Nachbarn lernen?

Wenn sie mich jetzt fragen, ehrlich gesagt nicht viel. Schauen wir uns nur die politische Situation an.

Die „Tatort“-Arbeiten geben ja sicher Halt, sind aber auch ein Korsett. Wie wichtig sind Ihnen die Engagements „dazwischen“?

Ich liebe die Figur, die ich im „Tatort“ verkörpere, aber ich freue mich auch immer sehr, neue Herausforderungen zu bekommen.

Sie drehen auch immer wieder hier in München. Haben Sie denn hier Lieblingsorte? Hoffentlich haben Sie dann auch Zeit, den einen oder anderen auch mal wieder aufzusuchen.

Ich werde auch heuer wieder in München drehen und freue mich schon sehr darauf. Es ist schon fast ein bisschen so wie „nach Hause“ zu kommen, aber leider bleibt nicht viel Zeit, um einfach durch die Stadt zu flanieren. Aber manchmal ein Spaziergang im Englischen Garten, oder an der Isar, das sind dann schon große Glücksmomente.

Zur Person: Verliebt in zügellose Lebenslust: ADELE NEUHAUSER, die in Athen als Tochter eines österreichisch-griechischen Architekten zur Welt kam und in einer Künstlerfamilie aufwuchs, kehrt immer wieder zu den großen Stoffen zurück, die auch Shakespeare, James Joyce oder Walt Disney inspirierten. Als Wienerin, hierzulande bestens bekannt als Ermittlerin Bibi Fellner aus dem Wiener „Tatort“, nähert sie sich Zeus, Hera und Co. natürlich mit extra viel Schmäh. Bei der Lesung „Mythos. Was uns die Götter sagen“ am 15. Februar im Künstlerhaus wird sie vom Trio Edi Nulz begleitet, das auf ungerade Rhythmen und ganz viel Humor setzt. 

Tickets und Infos zum Event gibt es hier: https://www.in-muenchen.de/events/adele-neuhauser-trio-edi-nulz.html