IN-München-Review: So wars bei … Zaho de Sagazan

Hab Sex mit mir“ – Zum Konzert des französischen Popstars Zaho de Sagazan in der ausverkauften Muffathalle. Von Thomas Bohnet.

Mit dem Namen Zaho Mélusine Le Monies de Sagazan oder verkürzt Zaho de Sagazan kann Frau eigentlich nur Künstlerin werden. Romanautorin, Poetin, Bildhauerin oder eben Popstar. Die 25jährige Bretonin ist im Moment Frankreichs Pop-Export Nummer Eins. Eine Sensation, ein Ereignis – wie die sympathische Französin in der ausverkauften Muffathalle mit einem famosen, inspirierten, beseelten und inspirierenden Konzert zeigt.

Alleine am Piano eröffnet sie, gewandet in eine seltsame, an ein Ministrantenkleid erinnernde Bluse, den Abend mit dem ruhigen Stück „La Fontaine de Sang“, das auch der Opener ihres preisgekrönten Debütalbums „La symphonie des éclairs“ ist. Eine Platte, die vor zwei Jahren Frankreich entzückte und dafür sorgte dass die aus dem bretonischen Saint-Nazaire stammende Musikerin „everbody’s darling“ wurde und Frankreich im Sturm eroberte. 2023 war das Jahr von Zaho. Anfang des folgenden Jahres erhält sie gleich vier der begehrten französischen Grammys, der „Victoires“ – in den Kategorien „Bestes Album“, „Bester Originalsong“, „Beste weibliche Newcomerin“ und „Beste Livenewcomerin“. 2024 wird noch größer für sie. Die inzwischen im benachbarten Nantes lebende Songwriterin sorgt beim Filmfestival in Cannes und später bei den Eröffnungs- und Abschlusszeremonien von Olympia für Aufsehen. Vor wenigen Wochen folgt dann zwangsläufig bei den aktuellen Victoire-Vergaben der Preis als „Beste weibliche Sängerin“.

(c) Karin Bohnet

Inzwischen sind auch die Deutschen auf sie aufmerksam geworden. Das Feuilleton griff ein und es gab im Oktober sogar einen – für junge französische Künstlerin höchst ungewöhnlich – längeren Beitrag in den ARD-Tagesthemen. Die Muffathalle war nach Bekanntgabe der Show innerhalb einer Woche komplett ausverkauft. Man hätte die Halle wohl mehrmals füllen können und Münchner Fans werden sie wohl nicht mehr in dieser „intimen“ Atmosphäre mit nur 1200 Leuten erleben.

Der zweite Song des Abends in der Halle, „Aspiration“, zeigt schon, weshalb sie so erfolgreich ist. Wie nur wenige andere Künstlerinnen versöhnt sie das klassische Chanson oder auch Nouvelle Chanson mit Elektro oder wie später zu sehen sein wird, mit purem Dance und rauhem Techno. „Aspiration“ ist bester Synthie-Pop, ins Ohr gehend, mit metallischen Sounds und  interessanten Klängen über diese warme Stimme: „Madame caresse la démence“, so eine Textzeile,  „Madame streichelt den Wahnsinn“.

Die Band und das Publikum

Begleitet wird sie von drei Musikern an verschiedenen, meist älteren Synthesizern, einem kleinem Drumset und Bass, die einen im besten Sinne, fetten, klaren Sound produzieren, perfekt abgemischt, in dieser schönen Konzerthalle. Bühnenbild und Lichtshow eher spartanisch, die Livepräsenz der Sängerin dagegen enorm! Großartig!

Im Publikum stehen überraschend viele ältere Leute, aber auch vor allem im vorderen Drittel viele junge textsichere Franzosen. Die Mehrheit bilden dennoch Deutsche, die, wie in Gesprächen zu erfahren ist, nicht unbedingt französisch verstehen, die Songs gleichwohl zu schätzen wissen. Hier wird man an die hierzulande so geliebte Französin Zaz erinnert, die 2011 Deutschland im Sturm eroberte. Und auch eine famose Livekünstlerin ist. In München startete Zaz auch damals mit einem ersten Konzert in der ausverkauften Muffahtalle durch. Auch dort schaffte sie es, ein Publikum zu erreichen, das französisch meist nur als Gefühl verstand.

Der Unterschied von Zaz zu Zaho. Wo die 20 Jahre ältere Isabelle Geoffrey alias Zaz sehr der Tradition verhaftet ist und mit ihren Liedern zwischen Chanson, Gypsy und Folk altmodisch klingt, ist Zaho viel moderner, auch verspielter.

In der Halle begeistert Zaho nicht nur mit ihren Songs sondern auch mit ihren Ansagen. Sie erzählt ganze Geschichten, wie sie zur Musik gekommen ist oder über ihre Musik. Entwaffnend ehrlich, voller Humor und auf englisch, das ihr sichtlich nicht immer leicht fällt. Auch bei komplexen Themen versucht sie sich in der Fremdsprache, weicht dann, wenn ihr nichts einfällt, auf ein, zweite Sätze französisch aus. Sehr sympathisch oder „très sympa“. Ihre Lieder handeln meist von der Liebe erzählt sie, von der allgemeinen aber auch der romantischen. Wobei sie dazu eigentlich nicht viel sagen könne, da sie mit 25 leider noch nicht so viel erlebt habe. Deshalb hätten ihre Lieder auch viel mit Phantasie zu tun. Antoine sei so eine Phantaiegestalt sagt sie.

Das Publikum in der Halle hängt von Anfang an an ihren Lippen. Auch die mitteilsame, vierköpfige deutsche Bürogemeinschaft hinter mir, die zu Anfang eher nervt, ist schnell ruhig. Die herrlichen Songs „Mon inconnu“ und die beiden Singles „Dis-moi que tu m’aimes“ sowie das  wunderschöne  „Les dormantes“, in dem es um eine toxische Beziehung geht, folgen.

Hits und Höhepunkte

Ein erster Höhepunkt ist die flotte Elektronummer „Tristesse“, dem sie das musikalisch reizvolle mit Achtziger-Zitaten gespickte „O Travers“ hinterherschickt. Dieses Stück ist einer der neuen 7 Titel, die in der erweiterten Fassung des Debütalbums als „Le Dernier des Voyages“ 2024 erschienen sind. „O Travers“ mündet in ihren großen Hit den Titelsong des Albums „La symphomie des éclairs““, der textsicher vom Publikum in einer überlangen Version mitgesungen wird.

Zaho animiert die Fans und  klettert swischendurch ins Publikum. Inzwischen hat sie auch längst den Ministrantenkittel abgelegt und fegt im Body/Sportanzug über die Bühne. Es folgt die jüngere Single „Old Friend“, bei der sie auf der Bühne angerufen wird und am anderen Ende ihr Duett-Partner, der englische Sänger Tom Odell ist, dessen Part eingespielt wird.

„Nun ist erstmal Schluss mit ruhig“, sagt sie, die immer wieder betont, wie gern sie in Deutchland sei und wie sehr sie deutsche Musik, allen voran Kraftwerk, schätze. Zaho läutet Techno ein: „Ihr Deutschen könnt doch tanzen“. Es folgt „Ne te regarde pas“ in einer langen Version und das großartige „Hab Sex“ auf französisch und deutsch. Ein sich langsam steigerndes Technomonster mit dem selbstbewussten Refrain auf Deutsch: „Hab Sex mit mir“. Ein weiterer Tanztrack „Dansez“ beendet unter tosendem Beifall die Show.

Natürlich folgt im frenetisch geforderten Zugabenteil ihre Version von „99 Luftballons“. Den Nena-Hit singt sie mit hübschem französischen Akzent. Zwei weitere Coverversionen noch: eine fulminante Verson von David Bowies „Modern Love“ und das ruhige „Ah que la vie est belle“ von Brigitte Fontaine, ebenfalls eine ungewöhnliche Frau im Musikgeschäft, die im hohen Alter von 85 Jahren noch exzentrischen französischen Pop macht. Eine Verneigung vor der großen Kollegin.

Was für ein Konzert!