Die Unterfahrt: bis Mitte September zu. Die Konzert-Reihen: Sommerpause. Die Clubs: im August dicht. Was hilft da? Sich ins Auto oder den Zug setzen um ins nahegelegene Saalfelden zu reisen
Darben mussten Jazz-Fans in der heißen Jahreszeit lange nicht – denn in der Unterfahrt schlossen die beliebten „Summer Jazz Weeks“ in den vergangenen Jahren verlässlich das Sommerloch. Doch das tut sich jetzt leider wieder auf. Bis Mitte September schließt der Club, weil eine neue Belüftungsanlage eingebaut wird. Um Entzugserscheinungen vorzubeugen: immerhin zwei schöne Events gibt’s zu vermelden. Am 11. August etwa, einem Sonntag, lohnt es sich, das Brunch ausfallen zu lassen und in den Olympiapark zu kommen. Im Rahmen des „Theatron MusikSommers“ gastiert das Power-Couple der Münchner Jazz-Szene auf der Bühne im Olympiasee: die Pianistin Shuteen Erdenebaatar und der Bassist Nils Kugelmann (11 Uhr). Sie spielt mit ihrem Quartett, er mit seinem Trio und schließlich kommen sie als Duo Lightville zusammen, in dem Nils Kugelmann statt auf dem Kontrabass auf der Kontra-Altklarinette brilliert.
Der Regensburger Saxofonist Tobias Meinhart hat es mit bemerkenswertem Elan geschafft, sich in der konkurrenzstarken New Yorker Jazz-Szene durchzusetzen. Für einen Gig kommt der Oberpfälzer, der kürzlich sogar im ZDF-Frühstücks-Programm „Volle Kanne“ zu Gast war, in die Jazzbar Vogler. Am 17. August spielt er dort mit dem Trompeter Julian Hesse, dem Pianisten Christian Elsässer, dem Bassisten Peter Cudek und dem New Yorker Schlagzeuger Jesse Simpson.
Münchner wissen was zu tun ist, wenn die hiesigen Jazzreihen pausieren und sich das Programm im August merklich ausdünnt. Sie fahren zum Jazzfestival Saalfelden ins nahegelegene Pinzgau (Salzburger Land/ 22. – 25. August). Schon die Anreise ist atemberaubend, und die Veranstaltung ist es auch. Vor einigen Jahren beließen es die Saalfeldener nicht mehr mit einem prächtig bestückten Hauptprogramm im Congress und der Nebenreihe im Kunsthaus Nexus. Sie wollten dem Jazz ein neues junges Publikum erschließen – was ihnen mit Gratis-Konzertreihen im Park und anderswo nachweisbar gelang. Sie bezogen die Stadt und die berauschende Umgebung mit ein. Und so wird auch bei der jetzigen Ausgabe des Jazzfestivals Saalfelden auf der Alm, im Wald, in einer Einsiedelei oder auf einer Trekking-Tour improvisiert, gibt es Konzerte in einer Buchbinderei, einer Industriehalle und in anderen spannenden Locations. Viele Musiker, die zum Festival kommen, reisen meist nicht nur für ein Konzert an, sondern bleiben über die gesamte Dauer der Veranstaltung in Saalfelden, denn Intendant Mario Steidl hat ein besonderes Anliegen: die Vernetzung. „Uns war es mit der Neukonzeption des Festivals einfach wichtig Kommunikationsräume anzubieten, sowohl für Musiker:innen als auch für Veranstalter sowie ein internationales und regionales Publikum. Wir versuchen die Möglichkeit des Austauschs zu schaffen. Wir unterbreiten Künstler:innen das Angebot sich in unterschiedlichen Projekten und Kontexten in Saalfelden zu präsentieren. Außerdem können sie Andere spontan zu Impro-Sessions einladen.“ Menschen, die aus Minga nach Saalfelden anreisen – und von denen gibt es Jahr für Jahr sehr viele – können sich auf Begegnungen mit und Musik von Mona Matbou Riahi, Kris Davis, Daniel Erdmann, Amirtha Kidambi, Sylvie Courvoisier, Tomeka Reid, Erik Friedlander, Leïla Martial freuen. Außerdem im Programm: das Brainteaser Orchestra, The Messthetics feat. James Brandon Lewis, das Synesthetic Octet, Othermother, Melting Pot u.v.a. Mit der Aufgabe des artist-in-residence wurde der Salzburger Gitarrist Chris Janka betraut, der unter anderem zeigen will, dass er Robotern das Improvisieren beibringen konnte.
Jazz-Vorschau auf den Herbst:
Wer auch immer im August in München unter Jazz-Unterversorgung leidet und nicht reisen will, kann sich zumindest mit der Aussicht auf einen goldenen Konzert-Herbst trösten. Pat Metheny etwa kommt solo in die Isarphilharmonie. Die Reihe „Jazz+“ freut sich auf Seidlvilla-Auftritte von Lotus Crash und des Trios Kaufmann-Dunston-Portugal. Der „jazz e.v. dachau“ lockt mit Konzerten des Samuel Blaser Trios, Pilgrim und Henning Sieverts´ Symmethree in die Kulturschranne. Und die mit neuer Frischluft-Zirkulation ausgestattete Unterfahrt kündigt Konzerte von Chief Adjuah (Christian Scott), Christian Muthspiels Orjazztra Vienna, Kris Davis’ Diatom Ribbons, Oded Tzur, Anat Cohen, Peter Bernstein, Tomas Fujiwara’s 7 Poets Trio (mit Patricia Brennan und Tomeka Reid), Daniel Karlsson, Oded Tzur oder Oddarang an. Die Reihe „Bühne Frei im Studio 2“ macht im letzten Drittel des Jahres wieder Programm: es kommen das Till Martin Trio, Tamara Lukasheva und der Gitarrist Philipp Schiepeck ins Funkhaus. Die schlechte Nachricht zuerst: mit dem Konzert des Letztgenannten ist Schluss im Studio 2. Die gute Nachricht: künftig wird der Bayerische Rundfunk wohl in Unterföhring weitermachen mit Live-Jazz.