Sieht vor Mittag keinen triftigen Grund, außer Haus zu gehen: Maxi Pongratz

Musiker Maxi Pongratz: „Ich hab Lust, Denkfäden anders aufzufädeln“

Liebeserklärung an die angeschrägte Lebensweise: MAXI PONGRATZ singt über „Meine Ängste“. Die Vorfreude aufs Solo-Album und die München-Gigs steigt

Herr Pongratz, wie schafft man es eigentlich, so lang weiter zu träumen, bis sich ein Happy End einstellt?
Man braucht vormittags viel Zeit. Bis Mittag darf kein triftiger Grund sein, außer Haus gehen zu müssen. Mein Lebensentwurf ist dafür ganz ok.

Wie grausam hört sich eigentlich Ihr Wecker an und wie oft kommt er überhaupt zum Einsatz?
Meine Freundin steht auf. Der Wecker hört sich wirklich grausam an. Aber es gibt nichts Schöneres als die Gewissheit zu haben, dass man weiterschlafen darf. Um das wirklich zu fühlen, braucht es aber das penetrante Geräusch.

Zuletzt waren die Zeiten ja oft murmeltierhafter, als so manchem Langschläfer lieb war. Wie schwer ist’s Ihnen eigentlich gefallen, durch die bleierne Zeit zu kommen und dabei den Kopf nicht zu sehr hängen zu lassen?
Zum Schreiben und für Studio hatte die Zeit auch was Gutes. Das Schlimme waren aber die ständige Sorge und das Fremdbestimmt-Sein. Zu dieser Berufsgruppe zu gehören, die mit als erste ausgebremst wurde, machte mich innerlich stutzig.

Wenn das neue Album die Ängste im Titel trägt, könnte man gleich ja ein bissl erschrecken. Wie ernsthaft muss man sich Sorgen machen?
Sorgen eigentlich gar nicht. Mir ging es darum, dass das Sprechen über Ängste etwas Normales und Befreiendes sein kann und etwas ist, dass ja jeder Mensch kennt. Aber natürlich habe ich das Lied geschrieben, als in den Nachrichten was ganz anderes los war als jetzt. Ängste waren im Lockdown anders behaftet als zu Zeiten des Krieges.

Der Humor Ihrer Texte erinnert immer wieder an Valentin. Wie sehr hilft die nicht immer ganz geradlinige Denkrichtung, um den Dingen mit Humor zu begegnen?
Für mich fühlt sich mein Denken ziemlich gerade an, muss ich sagen. Ich nehme mir die Richtung zu denken auch nicht vor. Ich glaube, jeder Mensch hat einen eigenen Humor, um mit der Welt und wie er sie sieht, zurechtzukommen.

Was imponiert Ihnen an dem Valentin-Way-of-Life eigentlich am meisten?
Ich selber hätte mich gar nie mit Karl Valentin verglichen, wobei ich seine Sachen natürlich super finde. Vielleicht liegt es auch einfach an meiner Körperlänge. Bei Valentin mag ich die Tragik und das Im-Kreis-Gehende und die Eskalation am Schluss. Als Kind hab ich Valentin schon oft gehört und geschaut und das hat sich wahrscheinlich auf eine Art bei mir festgesetzt. Wobei ich auch ohne ihn ein eher grübeliger Typ bin und Lust hab, Denkfäden anders aufzufädeln.

Auf die Zusammenarbeit zuletzt mit Micha Acher haben Sie jetzt wieder ein Solo-Album folgen lassen: Was taugt Ihnen eigentlich mehr – das Einzel- oder das Miteinander-Gehen?
Es ist beides. Ich steh voll drauf, in einer Band zu spielen und gemeinsam einen Zusammenklang zu haben und sich zu spüren. Wenn es auch noch Leute sind, wo es groovt und harmoniert, ist das mit das Schönste, was ich kenne. Solo auf Tour zu gehen, war anfangs ganz schön ungewohnt für mich, ich kam aber nicht drum rum, nach dem wir uns entschlossen hatten, eine Pause mit Kofelgschroa einzulegen. Aber ich wollte einfach weiter Musiker sein und auf der Bühne stehen. Gleich ein neues Bandprojekt, das hätte nicht gepasst. Jetzt macht es mir glatt Spaß, weil ich eine Art und Weise gefunden habe, in der ich mich nicht mehr unwohl fühle.

Auch die neuen Lieder kreisen immer wieder ums Verorten: Wie sehr kocht es eigentlich im Kessel, wenn in Oberammergau nach langem Anlauf wieder Festspieljahr ist?
Es ist interessant, wenn man als Oberammergauer nicht dabei ist und es mal von einer anderen Perspektive sieht. Da fühlt man sich im eigenen Dorf leicht fremd. Ich wäre Herodes-Diener gewesen. Da darf man pro Tag 10 Minuten auf der Bühne stehen. Da dachte ich: Mach ich ein Album und geh auf Tour, dann darf ich eine Stunde auf der Bühne stehen. Solo. Das ist dann vergleichbar mit der Einzelszene „Judas´ Verzweiflung“.

Wer Ziehharmonika spielt, hat sein Orchester dabei. Trotzdem hört man auch immer wieder von regelrechten Hasslieben zum oft ein bissl Sperrigen und Unhandlichen. Wie weit ist Ihr Herz für Ihr Instrument?
Früher hatte ich mal Akkordeon gelernt. Traditionell, Landler, Polka, Märsche. Beim Nach-Noten-Spielen, damals, hat sich meine Begeisterung für das Instrument sehr in Grenzen gehalten. Irgendwann hab ich links bei den Bässen die Moll-Reihe entdeckt, die man in der bayerischen Musik nur in Ausnahmen verwendet. Da war ich so 15, 16 und das hat in mir einen Trip ausgelöst und ich begann Melodien zu stricken und nahm das Instrument ab da immer mit. Es wurde mein ständiger Begleiter auch auf Reisen, mein Mittel aus mir rauszugehen.

Viele Künstlerkollegen gingen ja in Zeiten des Abstandshaltens und des oft nicht ganz freiwilligen Rückzugs mit recht intimen Kulturprojekten schwanger. Wie war das bei Ihnen: Wie schwer war es, in recht unruhigen, ungemütlichen Zeiten den Kopf überhaupt frei zu bekommen?
Ich habe die Flugräder-Platte (also das Album „Musik für Flugräder“) zusammen mit Micha Acher gemacht und meine zweite Solo-Platte ist auch aus dieser Zeit. Also zu Hause vor sich hinschreiben und dann ins Studio gehen. Das Schöne war, dass alle Musiker*innen in München waren und Zeit hatten, mit ins Studio zu gehen. Deshalb sind auf meiner neuen Platte viele verschiedene Gastmusiker*innen zu hören. Und nebenbei hab ich auch gern Straßenmusik gemacht. Es fuhren so wenig Autos in München, da konnte man sogar problemlos mitten auf der Wittelsbacher-Brücke spielen. Zwischendrin war das Auftritts-Leben dann für ein paar Sommermonate wieder normal, man versuchte zu viel wie möglich zu machen, weil man die Einschränkungen im Herbst wieder kommen sah. Das war immer ein bissl von 0 auf 100. Anstrengende Zeit. Ich hoffe im nächsten Winter gibt es keine Einschränkungen mehr.

Jetzt geht’s ja im immer größeren Stil wieder zurück auf die Bühnen: Wie groß ist die Vorfreude, was haben Sie am stärksten rund ums Auftreten und die Wiederbegegnung mit den Leuten vermisst?
Das Unterwegssein. Den Kitzel vor dem Auftritt, heruntergeranzte Backstages, den Applaus, die Musik zu teilen mit den Menschen.

Letzte Frage: Mit welchem Lied muss es losgehen – und warum genau damit?
Da bin ich mir gerade nicht sicher, aber ich glaub entweder das Lied, wo die Gans von der Schlachtbank flieht oder das Lied Lebenserwartungsblues, das mit der Zeile beginnt „I bin geborn und ko mi gor ned erinnern dass mi irgendwer gfrogt hat, ob i gern geborn werdn dad.“

Interview: Rupert Sommer

Maxi Pongratz, bekannt geworden durch die Band Kofelgschroa, die er aktuell ein wenig pausieren lässt, bringt am 20. Mai das neue Album „Ängste“ heraus – bei Trikont. Alle Termine, unter anderem zum Release-Konzert am 27. Mai im Volkstheater, findet man hier: www.maxipongratz.com