Zum letzten Mal im kleinen Club: The Murder Capital aus Dublin zeigen im Feierwerk, warum sie zu den spannendsten neuen Indierock-Bands gehören
Die große Geste ist ihm nicht fremd und er ist heiß auf einen Platz top of the bill: James McGovern weiß, wie man einen Fuß auf die Monitorbox stemmt, packt genau im richtigen Moment das Tamburin aus und schraubt seinen sonoren Bariton bei Bedarf gerne auch etwas höher in Richtung seines berühmten irischen Landsmannes und Politikerflüsterers, wie dieser das Publikum immer fest im Blickkontakt. Wer es sich hier nach dem schicksalsschwangeren Intro und dem getragenen ersten Song „Crying“ bei den folgenden Knallern „Return My Head“ und „More Is Less“ in der Postpunk-Ecke schön bequem gemacht hat, wird schon bald eines Besseren belehrt: The Murder Capital streben musikgentechnisch schon nach höheren Weihen, Vergleiche mit den heimischen Kollegen von Fontaines D.C. greifen zu kurz und könnten sich schon bald erledigt haben.
Bereits nach der Hälfte der dramaturgisch höchst ausgefeilten Setlist, fällt es dem Publikum von jung bis älter wie Schuppen von den Augen: Nicht nur das schwer an „Sunday, Bloody Sunday“ erinnernde Drumpattern des Titelsongs des neuen Albums „Gigi’s Recovery“ und die durch unzählige Effektgeräte erzeugten flirrenden Gitarren-Delays lassen keine Zweifel: hier wird ganz klar auch auf den Spuren von U2 und Simple Minds (ok, sind Schotten) gewandelt, völlig ironiefrei, und freilich eher im Frühwerk der beiden für viele wohl mit peinlichsten Bands der Achtziger/Neunziger Jahre angesiedelt. Damals, mit Alben wie „Boy“, „War“ und „Empires And Dance“, war die Postpunk-Welt noch in Ordnung, und wenn für das etwas reifere Publikum bei der Gitarren- und Schlagzeugarbeit von Damien Tuit, Cathal Roper und Diarmuid Brennan auch Assoziationen mit dem Meisterwerk „Heaven Up Here“ von Echo And The Bunnymen (aus Liverpool, praktisch gegenüber) aufpoppen – alles richtig gemacht.
Spätestens bei dem Hit „Only Good Things“ dürfte es allen enthusiastisch feiernden Glücklichen hier klar sein – diese Band wird man wohl zum letzten Mal in einem Club dieser Größenordnung gesehen haben und man muss kein Nostradamus sein, um The Murder Capital eine große Karriere auch auf den Festivals rund um den Globus zu bescheinigen. Das erste Album „When I Have Fears“ hätte sich viel um den Tod gedreht, gestand James McGovern kürzlich dem Guardian, das neue würde eher das Leben feiern. Und wie: Nach einer formidablen Version der aktuellen Single „Ethel“ ist nach einer guten Stunde Schluss, McGovern schleicht bestens gelaunt nach einem Bad in der Menge unter großem Applaus von der Bühne und sieht aus, als könnte er ewig so weitermachen. Zugabe? Braucht’s nicht.
Autor: Rainer Germann