Hot Shit von den Inseln: Sprints und English Teacher beweisen im Feierwerk, dass sie die Indie-Bands der Stunde sind
Man müsste schon recht naiv sein, um diese Clubshow nicht als erstes Highlight der laufenden Indierock-Konzertsaison zu bezeichnen und muss den Veranstaltern einen guten Riecher bestätigen: Seit Wochen ausverkauft werden Sprints aus Dublin als der nächste heiße Postpunk-Shit (nach Fontaines D.C. und The Murder Capital) von der irischen Insel gehandelt und English Teacher aus dem nordenglischen Leeds kommen im Schulterschluss als Co-Headliner gleich hinterher. Sängerin Lily Fontaine, Gitarrist Lewis Whiting, Nicholas Eden am Bass und Drummer Douglas Frost klingen zwar, als hätten Mum & Dad auch gerne mal Kate Bush und Peter Gabriel neben Joy Division und The Fall gehört, macht aber gar nichts. Die Erben haben in der ausverkauften Kranhalle in diesem Spektrum mit virtuoser Instrumentierung und einer supersympathischen und charismatischen Sängerin mit tollen Songs wie „Nearly Daffodils“, dem mitreißenden „You Blister My Pain“, „Good Grief“, das wieder eher an Sonic Youth und vom Bass her an NoMeansNo erinnert, vor begeistertem Publikum abgeliefert.
Auch vielen der anwesenden Musik-Spezialisten (-innen waren eher spärlicher gesetzt), war spätestens beim letzten Stück „Albert Road“ mit seinem fast Simple Minds-mäßigen Pathos klar, dass man diese Band demnächst wohl nicht mehr in intimer Club-Atmosphäre goutieren wird. Dass Sängerin Lily mit ihrem Akzent, Humor und der Liebe zu „R&B“, wie einer der bekanntesten Songs von English Teacher heißt, manchmal gar ein bisschen an eine englische Sängerin erinnert, die bald mehrmals in dieser Stadt zu Gast sein wird, bestätigt diesen Eindruck.
Viel Brimborium wurde um die Dubliner Band Sprints gemacht in letzter Zeit, auch weil sie von dem für sein anspruchsvolles Programm bekanntes deutsch-internationales Label City Slang unter Vertrag genommen wurde. Und fürwahr, der erste Eindruck nach den „Singles“, die auf Spotify aufpoppten, bestätigten, dass hier druckvoller Postpunk mit einer markanten Stimme und prägnanten Gitarrenriffs und -melodien abgeliefert wird. Das Album kam allerdings schon bald nach mehrmaligem Hören ein bisschen hemdsärmelig daher, als 90er-Referenzen konnte man sich leider eher Therapy? statt Pixies vorstellen.
Die hochgelobte Liveband mit Sängerin Karla Chubb, die als Kind zeitweise in Düsseldorf lebte (verrät Wiki auch einem Zwischenrufer), Gitarrist Colm O’Reilly, Bassist Sam McCann und Trommler Jack Callan, straft Kritiker wie den Autor ab: mit stoischer Dynamik meistert das Quartett die Eröffnungssongs „Ticking“, „Heavy“ und „I’m In A Band“, um dann mit „Shaking Their Hands“, „Shadows Of A Doubt“ oder „Can’t Get Enough Of It“ zu beweisen, dass auch hier musikalisch und von der Dynamik her mehr dahinter steckt. Im Laufe des Konzerts entwickeln sich Sängerin Karla und ihre Mitmusiker zu einem Energiebündel, das man wohl auf den großen Open Air-Bühnen spätestens 2025 europa- bzw. weltweit zu sehen bekommen wird; dass die Sängerin ihre Ansagen auch an Trans- und Gay-People richtet, wirkt ehrlich und sympathisch, auch als sie ihre Co-Headliner von English Teacher auf die Bühne bittet. Dann ging nochmal richtig die Post ab, und zwar mitten im Publikum. Es war schön, dabei gewesen zu sein beim next big thing – diesmal gleich mal zwei.