Stars der Inklusion: Ein literarisches Konzert zum Welt-Down-Syndrom-Tag!
Es gibt Stars in der Manege, Stars, die man irgendwo rausholen soll, am besten vielleicht aus sich selbst, und es gibt Stars der Inklusion. Letztere hatten am 21. März, dem Welt-Down-Syndrom-Tag, ihren großen Auftritt im gut besuchten Schauspielhaus der Münchner Kammerspiele.
Allen voran konnte Fabian Moraw das Auditorium mit seiner mitreißenden Interpretation von Udo Jürgens’ „Ich war noch niemals in New York“ begeistern. Gesanglich blieb er dabei konsequent im Rahmen seiner Möglichkeiten, aber von der Bühnenshow her war das à la bonheur, erinnerte er doch in Gestus und Outfit an eine Mischung aus Dean Martin, Harald Juhnke und Tom Waits. Es folgte, dem stimmungsvollen Auftakt zufolge Matthias Zalachowskis „Die Geschichte von einem New Yorker Straßenpolizisten“, vorgetragen von der beeindruckend agierenden und stets alle Fäden in der Hand haltenden Maren Solty.
Doch die Münchner Symphoniker – unter der Leitung ihres Chefdirigenten und künstlerischen Leiters Joseph Bastian – wären freilich nicht eines der herausragenden Orchester in Europa, vielleicht der Welt, hätten sie nicht gleich auch noch zwei dynamisch wunderschön dargebotene Versionen von Edward Elgars „Enigma-Variationen op. 36“ und Ludwig van Beethovens „Symphonie Nr. 8 F-Dur op. 93“ in petto gehabt.
Es folgten zwei Texte zum Welt-Down-Syndrom-Tag und ganz generell zum Downsyndrom aus Natalie Dedreux’ Buch „Mein Leben ist doch cool“, vorgetragen von der 1996 in Starnberg geborenen Schauspielerin Luisa Wöllisch, die schon in Eberhofers „Die Grießnockerlaffäre“ mitspielte und seit 2014 festes Ensemblemitglied der Kammerspiele ist.
Für mich persönlich schwierig dann die symphonische Adaption von Helene Fischers „Atemlos“. Den Darstellerinnen und Darstellern mit und ohne Trisomie 21 aber war’s wurscht, die sangen und tanzten inbrünstig mit, dem bunt gemischten, ungezwungen teilhabenden Publikum hat’s zudem gefallen. So auch die sehr persönliche Helene-Huldigung, zu der sich Fabian Moraw veranlasst fühlte, wo sie – also Helene – doch so eine „schöne Frau“ sei. Na ja, wo er Recht hat.
Es folgten weitere Rezitationen von Autorinnen und Autoren mit und ohne Beeinträchtigung, wie etwa aus Andreas Oberwegers „Mein Leben mit Jesse“, Frank Häusermanns „Ich bin’s Frank“ und Julia Webers „Ein Wildschwein, Ochse, eine Libelle“ abwechselnd rezitiert von Maren Solty, ihrem ebenfalls engagiert agierenden Sidekick Elias Krischke und Luisa Wöllisch. Apropos Elias Krischke, der lieferte sich ein fulminantes Duett mit dem 34-jährigen Münchner Schauspieler Dennis Fell-Hernandez, der schon mit Marianne Sägebrecht auf der Theaterbühne stand, seit vier Jahren dem Kammerspiele-Ensemble angehört und bei der Freien Bühne München 2018 auch als Regisseur tätig wurde.
Danach boten die Symphoniker noch eine Auswahl von Themen aus Jean-Philippe Rameaus „Les Indes Galantes“ dar, bis dann – nach knapp einer Stunde – auch schon zum großen Finale geblasen wurde. Und das hatte es wahrlich in sich, denn Vorhang auf für: Jelena Kuljić. Die studierte Jazzsängerin, die im Jahr 2022 für den Deutschen Jazzpreis als „Vocal of the Year“ nominiert war und schließlich den JTI Award 2022 überreicht bekam, faszinierte mit ihrer großartigen Gesangsperformance bei „Golden Eye“, jenem von Paul David Hewson (Bono) und Dave Evans komponierten James Bond-Song, den im Filmsoundtrack Tina Turner einst sang. Kuljić’ Version, getragen von einem diszipliniert aber irgendwie auch entfesselt und – zum Ende hin – befreit aufspielenden Symphonieorchester, war die bisher wohl beste Version, die ich von diesem Filmmusik-Kunstwerk jemals gehört habe. Chapeau!
Alles in allem war „Masters Of Inclusion“ – auch aufgrund der Ausgelassenheit im Auditorium und der vermittelten Leichtig- und Leichtfüßigkeit der Darbietenden – ein beeindruckender, ein fulminanter Festakt (mit dem süßen Charme eines nachmittäglichen Kindertheaters) zum Welt-Down-Syndrom-Tag! Der ausdrückliche Dank gilt allen Beteiligten inklusive den beiden Simultan-Gebärdendolmetscherinnen, die sogar die klassische Instrumentalmusik versuchten in Körperbewegungen auszudrücken, dem musikalischen Leiter der Münchner Kammerspiele Sebastian Reier und der Regisseurin Nele Jahnke für ihre dramaturgische Begleitung. Aber auch den ca. 350 Menschen mit und ohne Beeinträchtigung sei gedankt, die der Aufführung beigewohnt haben und uns allen, alleine durch ihre Anwesenheit große Hoffnung machen, dass wir in Sachen Inklusion wieder einen kleinen Schritt weiter sind. BTW: Wäre es wünschenswert, wenn man nicht nur an so einem, explizit ausgewählten Tag, Menschen mit und ohne Behinderung zusammenbrächte, und das auch nicht nur in Kunst und Kultur, sondern immer und explizit im täglichen Leben. Menschen mit egal welcher Behinderung haben einen Platz in der Mitte unserer Gesellschaft verdient, die „Masters Of Inclusion“ haben gezeigt, wie das geht.