Die irische Band Fontaines D.C. beweist im Zenith, dass sie auch große Halle kann
Das Jahr läuft für Fontaines D.C. aus Dublin – mit der Veröffentlichung ihres neuesten Albums „Romance“ spielten sie diesen Sommer auf legendären Festivalbühnen vor zehntausenden Fans und touren aktuell quer durch Europa – zuletzt waren sie in München im Backstage Werk vor rund zwei Jahren zu sehen, nun gastieren sie in dem zwar abgehängten, aber gut gefüllten Zenith. Eins vorweg: Der Klang war in der als Soundgrab verschrienen Halle wie auch bei den zuletzt besuchten Konzerten von Arctic Monkeys, The National und 1975 erstaunlich gut.
Kurzer Rückblick: Grian Chatten (Gesang), Carlos O’Connell und Conor Curley (git), Conor Deegan (bs) und Tom Coll (dr), live verstärkt durch einen Keyboarder, lernten sich an der Musikuni in Dublin kennen, 2019 wurde ihr Debütalbum „Dogrel“ veröffentlicht, das durch die Mischung aus gesellschaftskritischen Texten („Dogrel“ sind derben Reime der irischen Docks, Fabriken und »early houses«) und damals noch eher düsterem Post-Punk-Sound auffiel und bestens zum neuen Indiesound im Stil der Idles passte.
Auf dem Nachfolger „A Hero’s Death“ zeigten sie sich 2020 von einer nachdenklicheren Seite, und erweiterten mit „Skinty Fia“ (2022) ihren Sound um eher griffigere, auch mal elektronische Elemente. Das im August dieses Jahres veröffentlichte Album „Romance“ markiert nun den endgültigen Aufstieg in die Oberliga, Produzent James Ford (Arctic Monkeys, Blur, Depeche Mode, Beth Gibbons) sorgte dazu noch für den passenden Sound der wesentlich „poppiger“ angelegten Songs, die trotzdem Tiefgang nicht vermissen lassen.
Wer nun gedacht hat, dass die Formation live an Bissigkeit zu Lasten der Kommerzialität verloren hat, wird heute Abend eines Besseren belehrt: Nach der wirklich sehenswerten britischen Supportband Wunderhorse, die mit einer dynamischen Mischung an Shoegaze-Harmonien und Grunge-Riffs (Sänger Jacob Slater erinnert stimmlich gar zum Teil an Kurt Cobain) richtig gut ankam, legten die Iren nach dem dramatischen Titelsong des neuen Albums mit dem Fanliebling „Jackie Down The Line“ gleich mal rasant los. Die Postpunk-Kracher „Televised Mind“ und „A Lucis Dream“ vom zweiten Album „ A Hero’s Death“ konnten Stadiontauglichkeit beweisen; „Roman Holiday“ vom dritten Werk „Skinty Fia“ zeigte in einer lässigen Version eindrucksvoll auf, dass bereits schon vor zwei Jahren die Anlagen für eine größere Karriere vorhanden waren.
Dass die Band die letzten Jahre praktisch pausenlos auf Tour wahr, kommt dem begeisterten Publikum nun zugute: besten eingespielt, wurde mit „Big Shot“ das nicht nur auf Platte an Blur erinnernde „Death Kink“ eingeleitet, bevor mit „Sundowner“ eine der wenigen Balladen anstand, die mit Westerngitarre luftig instrumentiert wurde. Dublin in the rain is mine/A pregnant city with a catholic mind singt Grian Chatten am Anfang von “Big”, dem ersten, nervösen Opener des Debütalbums, der im Refrain My childhood was small/But I’m gonna be big optimistisch, fast schon prophetisch, in die Zukunft blickt.
„A Hero’s Death“ kann durchaus als Signature-Song der alten Fontaines D.C. gehört werden, hier schwang gar ein bisschen Ian Dury in Chattens Sprechgesang mit, ein Sänger, den das überwiegend gut gealterte Ü45/50-Publikum in jedem Fall noch kennen dürfte. Mit „Here’s The Thing“ wurde anscheinend nicht nur ein aktueller Lieblingssong des Autors hinterher geschoben; „Bug“ und „Horseness Is The Whatness“ konnten mit Popappeal auftrumpfen, bevor man an das irgendwie fast schon obligatorisch eingeschobene „Free Palestine“ (zumindest bei britisch/irischen oder Berliner Bands) gerne ein „From The Hamas“ hängen möchte. BTW: Ein paar böse Worte zu Trump wären auch schön gewesen, einen Tag nach dem Wahlsieg, wenn schon die Politkarte gezogen werden muss.
Nach „Nabokov“ verließ die Band während „Too Real“ oder dem Anfang von „Boys In A Better World“ für rund fünf Minuten die Bühne, der Grund dafür war wohl ein Handgemenge vor der Bühne, das Chatten noch ein fuckin‘ cunts vor dem Abgang entlockte, was genau und warum passiert ist, war von der anderen Seite der Halle nicht zu erkennen.
Eine E-Mail von Sabine (danke dafür!) konnte aufklären: „Die Band hat nicht wegen eines Handgemenges aufgehört zu spielen, sondern weil ein Fan zusammengebrochen ist und von den Sanitätern versorgt werden musste. (Ich war unmittelbar dabei) … Dass die Band sofort aufgehört hat zu spielen, war angesichts der Situation ( bei „Boys in the Better Land“ ging es vorne gut ab) super, da der Fan bewusstlos am Boden lag und sicher von den begeisterten Zuschauern, die nach vorne drückten, noch schlimmer hätte verletzt werden können. Die Band wartete ab, bis der Fan medizinisch versorgt war (wurde mit der Trage von den Sanis rausgeschoben) und kam dann wieder raus. Aus meiner Sicht haben die Fontaines super reagiert – der verletzte Fan ist nämlich eine Freundin von mir und ich war sehr froh, dass durch das Verhalten der Jungs nichts Schlimmeres passiert ist.“
Mit dem zweiten Anlauf von „Boys In A Better World“ bog die Band wieder bestens gelaunt (und einem Dank an München) mit einer vom Publikum gefeierten Version von „In The Modern World“ und „I Love You“ in die Schlussgerade ein, die dann mit dem aktuellen Hit-Stampfer „Starbuster“ ein krönendes Finale fand. Fontaines D.C. bewiesen eindrücklich, dass sie auch in einer größeren Halle punkten können, man darf gespannt sein, wohin die Reise der Iren noch führen wird.