Die amerikanischen Wüstenrocker verzauberten das Publikum im Stadttheater Landsberg am Lech
Mitten im Konzert konnte Joey Burns nicht mehr an sich halten und gestand recht emotional, wie wohl er sich fühle in Europa – gerade mit Blick darauf, was so alles passiert in der amerikanischen Wahlheimat des in Montreal geborenen 56-jährigen Sängers und Gitarristen. Auch Landsberg und seine wunderbare Umgebung findet er „inspirierend“. Zurzeit sei er zusammen mit seinem Calexico-Kollegen John Convertino (Drums) und Dauermitstreiter Martin Wenk (Bass und Trompete) in Wien mit Theatermusik beschäftigt – am Volkstheater in dem Stück „Camino Real“ von Tennessee Williams unter der Regie von Anna-Sophie Mahler. In diesem geht es um eine Gruppe Gestrandeter in einer nicht näher benannten Stadt in Lateinamerika – wer könnte diese Stimmung besser einfangen als diese Band, die mit ihrer Mischung aus Mariachi, Tex-Mex, Country-Rock, Jazz und Folk den Begriff „Desert Noir“ geprägt hat und seit Mitte der 1990er Jahre das Publikum – teils in großer Besetzung mit mexikanischen Mariachi-Begleitmusikern – weltweit begeistert.
„Calexico in Landsberg?“, eröffnet Discy-Records-Inhaber Edmund Epple, der für das Musik-Booking des Stadttheaters verantwortlich ist, diesen zweiten Abend und erklärt die besondere Verbindung der Formation mit der Stadt. Hier wurde vor 29 Jahren das erste Album der Band – noch unter dem Namen Spoke – auf dem legendären Hausmusik-Label von Wolfgang Petters veröffentlicht. Noch früher lernte Epple Burns und Convertino, damals noch als Mitglieder von Giant Sand, bei Konzerten in Kaufbeuren und in Landsberg kennen. Man schätzt sich – und so war es möglich, die eh schon in Wien und Europa gastierenden Calexico im Trio-Format für zwei Konzerte ins Stadttheater zu holen, das wie immer mit einer wunderbaren Atmosphäre und einem enthusiastischen Publikum punkten konnte.
Support von den Hausmusik-Allstars
Als Vorband traten dann auch gleich Wolfgang Petters mit seinen Hausmusik-Allstars auf: Musiker*innen von legendären bayerischen Formationen wie Fred Is Dead, A Million Mercies, Monostars, Moulinettes, Le Millipede, Hochzeitskapelle oder dem Oktober Folk Club boten hier – nach anfänglichen technischen Problemchen – eine wunderbare Mischung aus Indierock, Folk, Blues und Country, die sich auch international nicht verstecken muss und gar ein bisschen an Kultbands wie Velvet Underground oder die Jazz Butchers erinnerte. Ging schon mal richtig gut los.
Dramatisch-cinematische Stimmung
Was nach der Pause folgte, war eine eindrucksvolle Reise durch das Repertoire von Calexico, das sich deutlich vom Vortag unterschied – wie Superfan Sophie nach dem Konzert anhand der eroberten Setlisten demonstrierte. Mit „Sunken Waltz“, „Black Light“ und dem fetzigen Surfrocker „Misirlou“ steuerte das wirklich famos aufspielende Trio, das bisweilen von Dreiviertelblut-Slide-Gitarrist Luke Cyrus Goetze und Matthias Götz an der Posaune verstärkt wurde, auf erste Höhepunkte zu – mit dem spooky „Dead in the Water“, einem groovigen „Crystal Frontier“ und einem schön swingenden „Frank’s Tavern“ von Chris Gaffney. Was soll man sagen: Was John Convertino am Schlagzeug an diesem Abend ablieferte, war einfach Weltklasse. Der Mann streichelt seine Becken und erzeugt damit einen unvergesslichen Sound – von seinem Groove ganz zu schweigen. Immer wieder wird die oft dramatisch-cinematische Stimmung der Songs durch ein bisschen Latin wie in „Cumbia de Donde“ aufgelockert – nicht nur mancher Steh-Gast im ausverkauften Saal kommt dabei in Schwung. Mit dem knochentrockenen Lhasa-De-Sela-Cover „Lonely Spider“ weht dann am Schluss des Sets nochmal etwas Wüstenwind durch das schwer aufgeheizte Theater.
Reminiszenz an Michael Hurley
Höhepunkt des Konzerts war für den Autor aber die Reminiszenz an den kürzlich im Alter von 84 Jahren verstorbenen Michael Hurley, dessen „Rue of Ruby Whores“ zum Cover-Repertoire von Calexico gehört und hier in einer sehr berührenden Version zusammen mit den Hausmusik-Allstars formidabel dargebracht wurde. Was für ein Song – von einem zu Lebzeiten leider viel zu wenig gewürdigten Singer-Songwriter, der der Nachwelt hoffentlich nun an der Seite der ganz Großen in Erinnerung bleibt.
Mit dem leider bisschen zu Tode genudelten „The Passenger“ beschließt die mittlerweile zur Bigband angewachsene Truppe einen wunderbaren Abend, der jetzt schon zu den Konzerthighlights des laufenden Jahres zählt. Und, lieber Joey Burns: In der Umgebung von Landsberg am Lech oder irgendwo sonst in Europa wird sich sicher ein kleines, „inspirierendes“ Häuschen finden. Herzlich willkommen!
Hier eine Playlist zur aktuellen Tour
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