Chris Liebing im Blitz Club, das Elektronik-Projekt Verboten Berlin live in der Milla – und die Festivals „Digital Analog“ und „Ritournelle“ gehen in die nächste Runde.
Zu den großen Missverständnissen in Sachen elektronischer Musik gehört etwa die Ansicht, dass dieser stets eine gewisse Kühle innewohnt. Dabei mangelt es ja nicht an Künstlerinnen und Künstlern, die den Gegenbeweis antreten. Bestes Beispiel: Der in Berlin ansässige Songwriter, Sänger und Beatboxer Alexander Freund und sein Projekt Verboten Berlin. Handwerklich inspiriert vom Sound der deutschen Krautrock-Ära, zeichnen sich Freunds filigran zusammengebaute elektronische Tracks vor allem durch zweierlei aus: zum einen durch eine spürbare Lust am Experiment, die ihnen etwas gleichermaßen Fließendes wie Unberechenbares verleiht. Zum anderen aber auch durch eine Wärme im Gesang und den Texturen, die gerne auch mal an den elektrifizierten Soul von Acts wie Sohn oder Rhye erinnert. Live in der Millakönnte das am 3. Oktober ein verboten guter Abend werden.
Auf ganz anderen Wegen ist wiederum das katalanisch-italienische Duo Dame Area unterwegs. Ihr Metier ist das Kathartische und Ungezügelte, was sich in einem perkussiv geprägten Sound widerspiegelt, in dem sich ebenso viele Elemente aus dem Industrial wie aus der Electronic Body Music finden. Und dann ist da ja noch Sängerin Silvia Konstance, die diesen klirrend kühlen Tracks auf Spanisch eine Dringlichkeit verleiht, die sich auf der Bühne der Roten Sonne (3. Oktober) noch mal ordentlich potenzieren dürfte.
Und damit zu einem, der lieber seine Musik als viele Worte sprechen lässt. Während andere DJs ihre Biografien im Netz mit stilistischen Vorlieben und Vorbildern befüllen lassen, steht bei Oliver Schories schlicht: „Quality will find it’s way.“ Damit hat er einen Punkt, denn mit seinen melodisch produzierten Tech-House-Tracks besticht der Wahlhamburger bereits seit geraumer Zeit ebenso sehr wie als DJ mit dem besonderen Gespür für die Atmosphäre im Raum. Genau die wird er auch im Bahnwärter Thiel zu deuten wissen, wenn er dort am 4. Oktober auflegt.
Womit wir bei einem Gespann angelangt wären, das erst mal eher unwahrscheinlich erscheint: Hier der norwegische Jazz- und Tastenwizzard Bugge Wesseltoft, dort der deutsche DJ Henrik Schwarz. Dabei brachten die beiden bereits 2011 ihr erstes gemeinsames Album „Duo“ heraus, das einen wunderbaren Bogen zwischen Pop, Electronica und Kammermusik spannt. Vor zwei Jahren erschien mit „Duo II“ nun eine Fortsetzung ihres Projekts, mit der sie ihre progressive Sound-Melange noch einmal verfeinerten. Im frisch eröffneten Elektra Tonquartier des Bergson, das mit einer besonders tollen Akustik aufwartet, dürften Bugge Wesseltoft & Henrik Schwarz am 10. Oktober genau den Rahmen bekommen, den es für ihre feinen Klangfusionen braucht.
Ausgiebig fusioniert wird auch wieder beim diesjährigen Digital Analog Festival am 11. Oktober, wenn auch auf andere Weise. Steht dort doch stets auch das Zusammenspiel von Sound und Bild im Vordergrund. Schwer, bei der Vielzahl an DJs, VJs, Bands und Solo-Acts, die im Muffatwerk vertreten sein werden, jemanden herauszuheben. Doch zwischen Live-Electronics (u.a. Martin Matiske), Singer-Songwritern (Xavier Darcy) oder Indie-Rock-Bands (Talking Pets) sollte bei freiem Eintritt für jeden etwas dabei sein.
Für die besonders harte Techno-Gangart stand vor allem in seinen frühen Karrierejahren Chris Liebing, der als Teil der Frankfurter Szene mitverantwortlich für die Erfindung des sogenannten Schranz war. Ein Sound, so bretthart, schnell und ungestüm, dass sich damit sicher auch böse Geister austreiben lassen. Dabei kann es Liebing ja auch anders, wie er etwa auf einem Album wie „Burn Slow“ beweist. Die düstere Eleganz, die er dort entfaltet, ist längst zu einem gewissen Grad in seine Sets eingeflossen – wer’s nicht glaubt, kann sich am 11. Oktober im Blitz Club davon überzeugen.
Ebendort geht am 18. Oktober mit der Ritournelle eine Reihe in die nächste Runde, die nach ihrem Ende in den Kammerspielen mittlerweile im Blitz eine neue Heimat gefunden hat. Dort versammelt das „Festival für avancierte elektronische Musik“ dieses Jahr ein zwar kleines, dafür aber sehr feines Line-Up. Zum einen mit DJ-Sets der famosen Berliner Crossover-Elektroniker Modeselektor oder der Hamburger Minimalspezialistin Helena Hauff. Zum anderen aber auch mit Live-Auftritten der nigerianischen MC Aunty Rayzor, deren experimenteller Sound sich etwa aus Einflüssen zwischen Afrobeat, Grime und R’n’B speist, oder der British Murder Boys, die ihren harschen, aber eben auch mörderisch guten Detroit-Techno-Sound auf die Bühne bringen werden.