In der Gigi Trattoria in der Rumfordstraße darf es optisch gern ein bisschen mehr sein – das Essen ist dagegen erfreulich bodenständig
Wer schnell mal auf die Toilette muss, könnte ein Problem haben – findet man sich doch in einer viktorianischen Bibliotheks-Kulisse wieder, erst auf dem zweiten Blick entdeckt man die mit Donne und Uomini gekennzeichneten „Geheimtüren“. Das ist nicht die einzige Überraschung, welche die Gigi Trattoria in der Rumfordstraße bereit hält: Das im ehemaligen Rincon und Nero angesiedelte neueste Lokal der Bellezza-Gruppe (The Italian Shot, Martha, Supernova) bietet mit seiner opulenten Einrichtung ein Filmkulissen-Ambiente – angesiedelt, sagen wir mal, irgendwo zwischen „La Grande Bellezza“ und „Harry Potter“ -, die natürlich von der das Lokal stark frequentierenden jungen Gästeschar auf Instagram bereits ausführlich dokumentiert wurde. Man sitzt auch nicht schlecht, ob in den britisch anmutenden Clubstyle-Separées auf der Galerie, oder in den weichen Sitzgruppen rund um die zentrale Bar – zurecht ein Blickfang in dieser räumlich ungewöhnlich großzügigen Lokalität für Münchner Verhältnisse. Fürwahr, hier könnte sowohl ein graumelierter Toni Servillo als Jep Gambardella in großer Schönheit die Treppe herunterschreiten oder auch der junge Daniel Radcliffe auf seinem Zauberbesen über den gezückten Smartphones kreisen – „amore senza fine“ ist das Motto der Gigi Trattoria, endlose Liebe, warum auch nicht.
Wendet sich der Blick von Kronleuchter, Plüsch und Prunk der zum Glück wenig überfrachteten Speisekarte zu, erfreut sich der hungrige Gast einer fast schon bodenständigen Auswahl italienischer Gerichte, quer durchs Land, von Süd nach Nord. Auch Pizze im angesagten neapolitanischen Stil sind im Angebot. In einer kleinen Runde wurden erst einmal Vorspeisen bestellt, es ist ein „Krise, Spatzl, was für Krise?“-Nachmittag, man gönnt sich ja sonst nichts in diesen Zeiten und außerdem ist Platz und der Lärmpegel der entzückten Freudebekundungen angesichts der Einrichtung hält sich im Rahmen. Los geht es mit einer Flasche Roma DOC Rosé von Poggio le Volpi (Fl. 41 Euro), ein passender Wein zu fast allem, Fleisch, Fisch und vegetarisch sowieso. Die Karte hält vor allem italienische Tropfen von Südtirol (Schreckbichl) über die Toskana (Antinori) bis Sizilien (Rapitala) bereit, die Preise sind München üblich überteuert, aber noch nicht völlig unverschämt. Los geht es mit filetti di acciughe fritte, frittierte Sardellenfilets mit Petersilie, Kapern und Chili (15), einem insalata di polpo estiva, Oktopus-Salat mit Oliven, Tomaten-Confit und Rucola und saute die cozze e vongole (19), Venus- und Miesmuscheln im Weißwein-Sub mit Knoblauch und Petersilie (22). Die Portionen sind dem Preis entsprechend üppig für Vorspeisen, die Muscheln sind in jedem Fall ein richtiges Hauptgericht. Ein Bissen von den frittierten Fischchen, etwas Zitrone darüber, ein Schluck vom Rosé – schon sitzt man in Portofino am mare. Der Pulpo schön zart, die Muscheln frisch und sauber geputzt, der Sud, wie die gesamte Zubereitung, rustikal mediterran, ohne Schnickschnack, einfach gut. Das gilt auch für die folgenden polpette e porcini, Kalbfleisch-Klößchen mit Steinpilzen und einem Kartoffel-Sellerie, deftige Landküche, auch unterm Kronleuchter. Das vitello tonnato piemontese verdient eine besondere Erwähnung: das Kalbfleisch schön zart, die Thunfischsoße bestens abgeschmeckt, die frittierten Kapern mit Crunch – großer Genuss ist das, wie man ihn bei diesem Gericht nicht immer bekommt in München. Im Grunde war die Runde schon satt, und nach einer zweiten Flasche Wein blieb für einen branzino, Wolfsbarsch mit Beilagen (29), dem US Beef Flanksteak Tagliata (29) oder einem filetto di manzo (39), alles vom Grill, kein Platz mehr, obwohl gute Freunde die Fisch- und Fleischgerichte bereits probiert und empfohlen haben. Für eine geteilte Portion paccheri al ragu, neapolitanische Pasta mit langsam geschmorten Rinderragout nach Familienrezept (16) und einer vegetarischen Pizza „The Good, The Bad, The Ugly“ mit Gorgonzola, Tomate, Mozzarella fior di latte, Pecorino, Birne und gerösteten Pinienkernen, aber schon. Zum Glück, denn auch Pasta und Pizza haben gut geschmeckt und das ragu war wirklich so gut wie vor Ort in Neapel.
Fazit: Die Gigi Trattoria ist nicht nur ein Instagram-tauglicher Augenschmaus, das Lokal bietet auch gelungene und bodenständige italienische Küche. Der Service war professionell, sympathisch und zuvorkommend. Insgesamt ein Lokal für eine gelungene Auszeit – nicht nur an einem krisenfesten Samstagnachmittag. Für abends sollte man aber zumindest am Wochenende ein paar Tage vorher reservieren.
Autor: Rainer Germann
Gigi Trattoria, Rumfordstraße 34
So-Mo: 11.30 bis 24/Di-Do: 11.30 bis 1/Fr-Sa: 11.30 bis 2 Uhr, Tel.: 089 356 47 72 35; www.gigi.restaurant