Es bewegt sich was in der Münchner Gastronomie: Traditionslokale bekommen neue Pächter, neue Wirtshäuser kommen hinzu… Eine Übersicht!
Gleich ein ganz neues Wirtshaus haben die Gastronomen Constantin Wahl sowie Stephan und Sebastian Kuffler im Tal 38 geplant: Hier soll in den Räumlichkeiten des ehemaligen Sterneckerbräu ein „zeitgemäßes Münchner Lokal“, so Wahl, entstehen. Mit Grill? Auf der Website der Kuffler-Gruppe, die bis vor rund einem Jahr den Haxnbauer in der Sparkassenstraße 6 betrieb, steht jedenfalls, dass sich der „Haxnbauer“ nach neuen Räumlichkeiten in der Innenstadt umsehen würde … laut Aussage Sebastian Kufflers wird das neue Lokal im Tal aber nicht wieder so heißen, ein neuer Name muss noch gefunden werden. Die alte Lokalität im Scholastikahaus wird gerade von der Augustinerbrauerei und den neuen Pächtern Werner Hochreiter und Moritz Haake aufwendig renoviert (Eröffnung ca. Spätsommer 2023). Auch hier steht ein neuer Name noch nicht fest, Haxn soll es aber weiterhin geben.
Den alten Namen der 1434 erstmals erwähnten Gaststätte Sterneckerbräu, die bis 1957 als solche betrieben wurde und danach ein Ladengeschäft war, soll die neue Lokalität im Tal auch nicht bekommen, den der ist vorbelastet: ab 1919 war es Vereinslokal der Deutschen Arbeiterpartei, später Geschäftsstelle der NSDAP, ab 1933 dann bis Kriegsende Parteimuseum. Es sei schade, dass sich die meisten nur an das braune Kapitel der Lokalität erinnern würden und nicht an die über 500jährige Historie als eine der ältesten Gaststätten Münchens, meint Wahl. Gerade wird sorgfältig renoviert, ein Glücksfall, dass unter dem Zementboden ein gut erhaltenes Parkett auftauchte. Eröffnen wollen die beiden Ende des Jahres, wenn alles glattläuft.
Potenzial für ein weiteres Wirtshaus im Tal sieht Wahl, der zusammen mit Peter Kinner ein paar Häuser weiter auch das Tegernseer Tal Bräuhaus betreibt, trotz des Mitbewerbers Schneider Bräuhaus und dem letztes Jahr eröffneten Herrschaftszeiten – Das Paulaner im Tal durchaus – vor allem, wenn das Tal wie geplant 2025 zur vom Marienplatz erweiterten Fußgängerzone umgebaut wird. Ob sich dann gleich zweimal wieder die Haxn in der Münchner Innenstadt drehen werden, wird sich zeigen.
Die neueste Meldung aus der Münchner Wirtshausszene: Hugo Bachmaier, der seit 18 Jahren das Bachmaier Hofbräu in der Leopoldstraße 50 betreibt, möchte nach seinem auslaufenden Vertrag Ende des Jahres aufhören. Der umtriebige 65jährige Lebemann und Wirt fühlt sich zwar topfit, „weiß aber nicht was mit 70 ist“ und sucht einen Nachfolger für sein Lokal. Sein Wunschkandidat wäre der P1-Chef Franz Rauch, der gerne in weiterer Folge seinem Sohn Sebastian wie auch schon in der berühmten Münchner Disko das Ruder überlassen würde. Angeblich wäre auch Chris Lehner, Wirt des Park Café am Alten Botanischen Garten und vom Das Bad an der Theresienwiese im Gespräch für Bachmaiers Nachfolge.
Der Eröffnung entgegen blicken nun Groß-Gastronomin und Wiesn-Wirtin Arabella Schörghuber und ihre Kinder Ramona und Alexander mit dem neu renovierten Traditions-Wirtshaus Zum Spöckmeier, das jetzt Der Spöckmeier heißen wird. Anfang Mai soll es losgehen, neben der Namensänderung für die seit 1450 existierende Lokalität, stehen noch weitere Erneuerungen an, es soll angeblich „jung und frech“ werden. Vorrübergehend eher laut wird mit Sicherheit die nachbarschaftliche Situation: das Gebäude des nach 200 Jahre geschlossenen Bürobedarfshändlers Kaut-Bullinger nebenan soll noch dieses Jahr abgerissen werden.
Die Gaststätte Wassermann in der Elvirastraße in Neuhausen als Traditionslokal zu bezeichnen wäre mutig, trotzdem steht auch hier mit den drei Münchner Gastronomen Patrick Zdravkovski, Stephan Wagner und Lukas Wuermeling ein neues Wirte-Trio in den Startlöchern. Gspusi wird das Wirtshaus heißen, es soll alpenländische, regionale Küche geben, dazu kommen die „Clara Bar“ mit bayerischen und österreichischen Spirituosen und eine Schwemme mit Stammtisch und einem Bierkrug-Spind, der Jahresbeitrag für letzteren soll für neue Projekte im Viertel gespendet werden. Auch hier gilt: Neu, jung und frech! Geplante Eröffnung wäre am 29. April.
Mit dem Gasthaus Waltz ist im ehemaligen französischen Lokal St. Laurent in der Ickstattstraße 13 nun ein Restaurant mit österreichischer Küche und den passenden Weinen eingezogen. Die beiden Wirte Stefan Grabler und Markus Hirschler haben zuvor bereits sechs Jahre die Grapes Weinbar im Cortiina Hotel geführt und mit dem Gasthaus Waltz ein sehr erfolgreiches Pop-up im benachbarten S-Zimmer hingelegt.
Das queere Wirtshaus Moro hat sich Fesch gemacht: die neuen Betreiber Marlene Neumann, Johann Eder, Peter Süß und Peter Fleming haben das Lokal Ecke Müller/Eduard-Schmidt-Straße von Grund auf renoviert und auch ein bisschen modernisiert. Für die Küche ist Johann Eder vom Wirtshaus Eder im Westend zuständig. Gleich geblieben ist im Fesch das Konzept eines queeren Wirtshauses in dem alle willkommen sind, neu ist ein Stehausschank im hinteren Bereich, in dem das Augustiner Bier (nur) 3,90 Euro kostet.
Und auch im größten Biergarten Münchens, dem Hirschgarten, hat sich was verändert: Der neue Wirt, der Vorgänger Johann Eichmeier ablöste, heißt Thomas Fesenmair, hat bereits von 2014 bis 2018 schon als Küchenchef dort gearbeitet und zuletzt im Kuffler-Restaurant Seehaus im Englischen Garten gekocht. Fesenmair, der als Jagdscheininhaber auch für die Wildhege im Hirschgarten zuständig sein könnte, möchte weiterhin eine „Lokalität für alle Münchner“ betreiben, neben den Klassikern wie Schweinebraten, Hendl, Steckerlfisch und Co. soll es aber auch verstärkt mehr vegetarische und vegane Gerichte geben. Kein Wunder, Fesenmairs Frau ist Vegetarierin.
Ein großer Aufschrei ging durch unseren virtuellen Blätterwald, als die Meldung erschien, dass das Schwabinger Traditionslokal Wirtshaus Zur Brez’n in der Leopoldstraße 72 schließen muss. So weit ist es nicht gekommen: Der neue Wirt Josef Faltermaier möchte die traditionelle, bayrische Gastronomie mit Leidenschaft in die Zukunft zu führen. Gelernt hat Faltermaier unter anderem im Gasthaus Beim Sedlmayr von Rudi Färber – ebenfalls eine Lokalität, bei der sich einiges verändern wird. TV-Koch und Nachbar Hans Jörg Bachmeier (Bachmeier Genussfreuden) unterstützt Rudi Färber bis zur Sanierung des Hauses durch die neuen Pächter, man ahnt es schon, die Kuffler-Gruppe. Der Umbau wird voraussichtlich 2024 starten, das Haus wird komplett entkernt und der Gastraum vergrößert. Die Eröffnung ist laut Sebastian Kuffler Mitte 2025 geplant.
Und doch bleiben noch ein paar Fragen offen im Münchner Wirtshauskarussell: Bisher unklar ist, wer nach dem Aus (kein Personal, zu hohe Betriebskosten) für den ehemaligen Pächter Gerhard Rieder Anfang Februar das Wirtshaus am Rosengarten, das auch Gastro-Events wie „Sterneköche im Wirtshaus“ und Open-Air-Konzerte zu bieten hatte, in die kommende Biergarten-Saison (1400 Plätze plus 220 im Lokal) führen soll. Und auch für das 200 Jahre alte Traditionlokal St. Emmeramsmühle am Englischen Garten ist für den scheidenden Wirt Karl-Heinz Zacher, der gerade erst 2021 frisch renoviert hatte, bisher noch kein Ersatz gefunden.
Spannend bleibt auch, wie lange die Paulaner Brauerei an Wirt Peter Reichert im Donisl und im Bräurosl-Zelt auf der Wiesn festhält, nach dem aktuellen Strafbefehl durch die Münchner Staatsanwaltschaft wegen des Vorwurfs, in „zwei Fällen vorsätzlich Lebensmittel in den Verkehr gebracht zu haben, die für den Verzehr durch Menschen ungeeignet sind“ (bezieht sich auf zwei Lebensmittelkontrollen im Bräurosl-Zelt 2022 bei denen Hygienemängel festgestellt wurden). Während der Wiesn 2022 war Reichert nach einem Streit mit einem Sicherheitsmann zudem in eine Schlägerei verwickelt worden. Die Staatsanwaltschaft München I. ermittelte, stellte das Verfahren aber ein – gegen eine Geldauflage in vierstelliger Höhe. Im Oktober 2022 dann der nächste Vorfall: Die Zollfahndung durchsuchte den Donisl aufgrund eines Schwarzarbeit-Verdachts – das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Schnell, schnell, dreht sich das Münchner Wirtshauskarussell – man darf gespannt sein, wie sich die neuen und alten Wirte auch Herausforderungen wie hohen Energiekosten und Lebensmittelpreisen sowie vor allem dem allgegenwärtigen Personalmangel in der Gastronomie stellen. Schließlich kann man die zuletzt deutlich angezogene Preisspirale auch nicht unendlich nach oben schrauben für Gerstensaft, Haxn und Schweinebraten – oder die Münchner Wirtshauskultur wird vollends zu einem Gastro-Event-Park für wohlhabende Touristen aus aller Welt. Dort ist es vielerorts deutlich teurer als in München, hört man oft – aber auch nicht so schön, traditionell und gemütlich. Und damit wird ja schließlich geworben, damals wie heute. Und deswegen kommen sie ja auch, die Gäste von nah und fern.
Autor: Rainer Germann