Die Deutsche Bahn bietet neuerdings ein veganes Speisenangebot in ihren ICE-Bordbistros an – und wie schmeckt’s?
Die Bahn will mehr Menschen auf die Schiene bringen, und das mit allen Mitteln: Vorstandschef Richard Lutz hatte bereits im Herbst letzten Jahres von Investitionen über rund 19 Milliarden Euro in neue Lokomotiven und Züge gesprochen, 2023 sollen monatlich drei neue ICE auf die Gleise kommen. Mit der Rekordsumme würde man Kapazität für eine noch höhere Nachfrage schaffen, moderne Fahrzeuge würden die Bahn, die zuletzt wieder Gewinn erzielt hatte, klimafreundlicher, zuverlässiger und kundenfreundlicher machen.
Dazu passt auch das neue Speiseangebot in den ICE Bordbistros: aufgehängt am Foodtrend „Veganuary“ bietet die Bahn unter Slogans wie „Frohes neues Ja zu vegan“ nun auch Currywurst und Chili con Carne in tierlosen Varianten an, das Angebot soll auch über den Januar hinaus gelten. „Wir mögen’s Grün“ steht auf der Karte, „Genuss in BIO, vegetarisch und vegan“. Hier wird ein weites Feld eröffnet, das „100 % BIO, 100 % Genuss“-Spektrum reicht von den eben erwähnten Klassikern bis „Vegetarischer Focaccia“ mit Walnüssen, Brie & Birne (5,90) und „Vegetarischem Kartoffelrösti mit Apfelmus“ (6,50), hier erschließt sich der Hinweis weniger, da Rösti und Apfelmus eher selten Fleisch oder Wurst enthalten. Die Gulaschsuppe (6,90) schon, die ist aber wieder „100 % BIO“, der dazugehörige Winter Cider (3,50) ebenfalls (im Paket 9,30).
Die Hinfahrt nach Karlsruhe: Geschmorrte Plastikpelle in Currysauce
Auf der Fahrt von München nach Karlsruhe (bevor Sie sich fragen: Abfahrt/Ankunft pünktlich, obwohl angeblich 2022 nur ca. 65 Prozent der Fernzüge pünktlich ankamen) dann der Selbstversuch erster Teil, leider erst kurz vor der Endstation, was später noch eine Rolle spielen wird. Die vegane Currywurst mit Tortilla-Crunch und BIO-Brötchen (5,90) kam, trotz eines etwas scharfen Hinweises der uniformierten Dame auf das baldige Schließen des SB-Schalters, 1a erhitzt mit einer würzig-pikanten Soße und eben diesem ein bisschen wie Müsli im Kurkuma-Look aussehenden, aber eher geschmacksneutralen Topping auf den Stehtisch. Doch warum schmeckt die Currywurst nach Plastik? Antwort: Leider wurde es versäumt die Plastikpelle von der Wurst vor dem Kleinschneiden zu entfernen. Schalterschlusspanik? Der Hinweis auf diesen kleinen Lapsus wurde achselzuckend entgegengenommen, da sich die beiden Damen aufräumend in einer dem Autor/Gast unbekannten Sprache weiter unterhielten, konnte leider auch keine Art von Resonanz oder Entschuldigung vernommen werden, wenn es sie denn gegeben hätte. Augenkontakt hätte es übrigens auch getan, ein Blick sagt ja bekanntlich oft mehr als tausend Worte, der letzte fiel aber nur noch auf die sich schließende Jalousie des Schalters. Und wie hat es geschmeckt? Nachdem in eifriger Kleinstarbeit die ca. 15 bis 20 kleinen Plastikpellen per Gabel entfernt wurden, eigentlich ganz gut, möchte man sagen. Die hauptsächlich auf Erbsenprotein basierende Wurst von Hersteller Endori hatte eine ähnliche Konsistenz wie die auf dieser Seite schon im Selbstversuch getestete und beschriebene Weißwurst von Greenforce – nicht schlecht im Geschmack, ungewohnt und etwas körnig-mehlig im Biss.
Zurück nach München: Das Chili sin Carne überrascht
Selbstversuch Teil zwei, Rückfahrt Karlsruhe – München. Diesmal keinen Fehler machen, rechtzeitig ins Bordbistro einchecken, diesmal mit Service. Gerne das vegane planted.chicken Paprika-Zitrone (12,90, Schreibweise übernommen) mit Basmati-Reis. Das Gericht schaut auf der Abbildung in der Karte exotisch-asiatisch aus und macht Appetit. Doch leider, so der sehr freundliche Mann im Service, wäre kein Reis vorhanden. Ok, macht nichts, die Sättigungsbeilagen eh überbewertet, kleiner Scherz, dann halt ohne Reis, vielleicht ein bisschen günstiger? Das würde nicht gehen, müsste so eingetippt werden wie es in der Karte steht. Da steht mit Reis. Stimmt. Geht trotzdem nicht. Ein Brötchen dazu vielleicht? Ok, warum nicht. Kellner verschwindet hinter der bereits in Selbstversuch eins beschriebenen Küche/Ausgabe, kommt kurz darauf wieder. Leider gibt es das planted.chicken Paprika-Zitrone überhaupt nicht. Vielleicht die Gulaschsuppe? Nein, sollte schon was Veganes sein. Dann einfach das Chili sin Carne (9,90 mit BIO-Brötchen), das schmeckt fast wie „echtes“ Chili, sehr zu empfehlen. Mittlerweile ist das erste kleine Bier leer, was soll’s, noch eins und das Chili sin Carne, bitte. Der freundliche Mann bringt fünf Minuten später ein wieder 1a erhitztes Chili an den Tisch mit schwarzen, roten und weißen Bohnen sowie Mais, Paprika und Hackersatz, gut und pikant abgeschmeckt. Freude herrscht und wenn man sich kurz überlegt, wie viele Schweinchen sich noch weiter suhlen dürfen und nicht als „echtes“ Hackfleisch in das „echte“ Chili con Carne wandern, schmeckt’s gleich noch viel, viel besser.
Fazit: Liebe Deutsche Bahn – fast alles richtig gemacht. Auf der Hinfahrt war der Gast so dumm, kurz vor Schluss noch was zu bestellen, geht gar nicht, da kann man schon mal achselzuckend ein bisschen Plastik im Essen vergessen. Dafür kam der Zug pünktlich an! Auf der Rückfahrt das planted.chicken Paprika-Zitrone nur in der Karte anschauen, Appetit holen und ein gelungenes Chili sin Carne mit gutem Schweinchen-Gewissen bestellen. Lächerliche fünf Minuten Verspätung. Klimafreundlicher, zuverlässiger und kundenfreundlicher – wie gesagt, fast alles richtig gemacht. Der Weg ist das Ziel.
Autor: Rainer Germann