Museum Fünf Kontinente

Tag der Provenienzforschung: Gemeinsam erinnern

Mittwoch, 09.04.2025
19:00 Uhr – 22:00 Uhr

Museum Fünf Kontinente, Maximilianstraße 42, 80538 München
Diverses

Tag der Provenienzforschung: Gemeinsam erinnern

Historische Gewaltkontexte und die Zukunft von Erinnerungskultur in Europa und Afrika


Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Dr. Prince Alexandre Kum’a Ndumbe III., Prof. Dr. Joël Glasman, Nicki K. Weber (Moderation) und Prof. Dr. Mirjam Zadoff anlässlich des internationalen Tags der Provenienzforschung am Mittwoch, den 9. April 2025 um 19 Uhr.


Als der Kameruner Widerstandskämpfer Rudolf Duala Manga Bell 1914 von der deutschen Kolonialregierung des Hochverrats angeklagt wurde, verteidigten ihn zwei deutsche jüdische Anwälte, Hugo Haase und Dodo Halpert. Bell, Haase und Halpert wurden in der zeitgenössischen Presse rassistisch diffamiert. Bell wurde 1914 in Kamerun von der Kolonialjustiz ermordet, Haase 1919 in Berlin von einem Attentäter tödlich verletzt. Dodo Halpert beging angesichts andauernder Verfolgung durch die Nationalsozialisten 1938 Suizid.


Kolonialismus und Nationalsozialismus sind historische Gewaltkontexte, die vielfältig miteinander verknüpft sind und sich zeitlich überlappten. Moderner kolonialer Rassismus und rassistischer Antisemitismus sind eng verwandte Ideologien, wie zum Beispiel der Historiker George L. Mosse herausgearbeitet hat. Praktiken der Trennung, Vernichtung, Enteignung, Versklavung, Entmenschlichung und des Massenmordes kennzeichnen beide Kontexte. Die Erforschung und Erinnerung an die Entrechtung und Enteignung der Jüdinnen und Juden in Europa hat wichtige Impulse für die Auseinandersetzung mit den Gewaltstrukturen des Kolonialismus gegeben. Nicht zuletzt die für Museen wichtige Provenienzforschung wie auch die Frage der Rückgabe von unrechtmäßig erworbenem Kulturgut zeigt die wechselseitigen Impulse. Dennoch werden die beiden historischen Phänomene weitgehend getrennt voneinander erinnert und in jüngster Zeit sogar gegeneinander in Stellung gebracht.



Das Podium versammelt Expertinnen und Experten der Geschichte des Nationalsozialismus und des Kolonialismus, die nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden in beiden Gewaltkontexten fragen und nach historischen Verbindungen suchen. Dahinter steht die Frage: Können und sollen Nationalsozialismus und Kolonialismus gemeinsam erinnert werden? Wie könnte dies in Zukunft geschehen? Bietet das Nachdenken über Gemeinsamkeiten vielleicht sogar eine besondere Chance, eine offene und vielfältige Gesellschaft mit einer angemessenen Geschichtskultur und einem gemeinsamen Verständnis von Humanität (und Gemeinsamkeit) auszustatten? Und welche Geschichten müssen dazu erzählt werden?


Prof. Dr. Dr. Prince Alexandre Kum’a Ndumbe III. ist Historiker und Politikwissenschaftler und emeritierter Professor der Universität Yaoundé. Er ist Autor zahlreicher Werke zur deutschen und afrikanischen Geschichte u.a. Das Deutsche Kaiserreich in Kamerun (Douala/Berlin 2009 [Lyon 1970]); Was wollte Hitler in Afrika? NS-Planungen für eine faschistische Neugestaltung Afrikas (Frankfurt 1993 [Paris 1980]), Nationalsozialismus und Apartheid, Rassenideologie und Geldgeschäfte in den Nord-Süd-Beziehungen 1933-1973 (Douala/Berlin 2009 [Lyon 1970]), oder Restituez à l’Afrique ses objets de pouvoir, de culte et d’art! Reconstituons notre mémoire collective africaine (Douala 2024).


Prof. Dr. Joël Glasman ist Historiker mit Schwerpunkt Afrikanische Geschichte, Professor an der Universität Bayreuth und Mitglied im Kuratorium des Historischen Kollegs in München. Er ist Autor zahlreicher Werke und Artikel zur Globalgeschichte des Kolonialismus, u.a. Humanitarianism and the Quantification of Human Needs: Minimal Humanity (London 2020), Was war Kolonialismus? Zur Vergangenheit der Globalen Gegenwart (Einsichten und Perspektiven. Bayerische Zeitschrift für Politik und Geschichte, 2023) und Wieviel Globalgeschichte verträgt der Lehrplan? Plädoyer für eine Revolution (Geschichte für Heute. Zeitschrift für historisch-politische Bildung, 2025).


Prof. Dr. Mirjam Zadoff ist Historikerin und Direktorin des NS-Dokumentationszentrums München. Sie ist Autorin zahlreicher Werke zur jüdischen Geschichte und Erinnerungskultur, u.a. Nächstes Jahr in Marienbad. Gegenwelten jüdischer Kulturen der Moderne (Göttingen 2007); Der Rote Hiob. Das Leben des Werner Scholem (München 2014), oder Gewalt und Gedächtnis: Globale Erinnerung im 21. Jahrhundert (München 2023).


Nicki K. Weber, Dipl. sc. pol. Univ. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Augsburg im Fachbereich Politikwissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Konflikte in postkolonialen Gesellschaften, Postkoloniale Theorie, Schwarze Kritik (Black Critique) und Schwarzer Existenzialismus (Black Existentialism).


Eintritt frei

Im Begleitprogramms zur Sonderausstellung Der Kolonialismus in den Dingen

Termine & Tickets

Mittwoch, 09.04.2025 19:00 Uhr – 22:00 Uhr

Veranstaltungsort / Karte

Museum Fünf Kontinente
Adresse: Maximilianstraße 42, 80538 München

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