Fremd

Samstag, 28.12.2024
20:00 Uhr Tickets

MÜNCHNER KAMMERSPIELE, Maximilianstr. 26-28, 80539 München
Theater & Kabarett

Fremd

Nach dem Roman von Michel Friedman. Von Katharina Bach und Katrin Lindner. Mit K. Bach. Radikale Soloperformance zu Friedmans autobiografischem Text über erlebten Judenhass, Rassismus und Ausgrenzung.

Die Besprechung unseres Bühnenschau-Autors Peter Eidenberger:

Leben ist weitermachen – sonst nichts. Ein zentraler Satz aus „Fremd”, dem autobiografisch geprägten Text, den Michel Friedman 2022 veröffentlicht hat. Ein langes Gedicht, 54 Kapitel, für die 50 Holocaust-Toten aus seiner Familie, und die vier, die überlebt haben. Es ist die künstlerische Aufarbeitung der lebenslangen Suche eines 1956 in Paris geborenen Sohnes polnischer Juden, die ins Land der Täter zurückgehen. Friedman wird viel lesen, „sie können dir alles nehmen, nur nicht, was du im Kopf hast”, sagt der Vater.

Momente, Bruchstücke, Gedanken, Bilder, Witze, Erlebnisse, Zweifel, Ringen um so etwas wie Lebensnormalität – ein Dazugehören wird nicht daraus. Bis heute. „Fremd” ist kein Theatertext, und doch offenbart er eine unbändige Kraft auf der Bühne der Kammerspiele, als sei er nie anders gedacht gewesen. Standing Ovations auch Wochen nach der Premiere für eine überwältigende, zutiefst berührende Katharina Bach und ein wichtiges Zeichen (in Zusammenarbeit mit Regisseurin Katrin Lindner) gegen das Gift der neuen Rechten. Vor dem Eisernen Vorhang eine schwarze Kiste, zwei kleine Scheinwerfer, und sonst nur die Schauspielerin in Hose und Bluse: so rückt Friedmans schon starker Text noch dichter, unausweichlicher an uns heran. Nie ist Bachs Agieren Rezitation, es ist immer Spiel, Formfindung, Eintauchen, Empfinden. Ru – higes Schildern, zartes Nachspüren, begeistertes Erleben (das Kind im Zirkus), Interaktion mit Publikum: trotz Schmerz, Traurigkeit, der bleibenden Frage des einsamen Kindes: Wer bin ich? entlässt einen die Intensität dieser 100 pausenlosen Minuten mit Hoffnung: das Kind lebt, und das scheint nun doch mehr zu sein als nur weitermachen. Für Abende wie diesen müsste es eigentlich Besuchspflicht geben.

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