Villa Stuck-Direktor Michael Buhrs

Villa Stuck-Direktor Michael Buhrs: „Aus der Villa Stuck ins Studio 54“

Paukenschlag nach Ablauf der tollen Kafka-Ausstellung: Direktor Michael Buhrs über die Umzugspläne der Villa Stuck

Herr Buhrs, es ist ein überstrapazierter Begriff: Aber ist es nicht ein wenig „kafkaesk“, wenn man gerade mit einer fulminanten Ausstellung wie der zum Kafka-Gedenkjahr so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht – und dann muss man das Haus wieder zusperren?
Mittlerweile stellen wir uns natürlich die Frage, wie schlau wir uns da angestellt haben. Es ist eine Ausstellung, die tatsächlich das ganze Haus umfasst. Über alle Etagen zieht sich Kafka.

Passt doch perfekt zur umfassenden Künstlerhaus-Idee.
Wir haben noch nie so viel gebaut wie für diese Präsentation. Die Ausstellungsarchitektur wurde speziell für die einzelnen Installationen entwickelt. Jetzt könnte man natürlich sagen: Schön doof, weil das halt alles wieder raus muss. Wenn wir nur so eine kleine Gemäldeausstellung gemacht hätten, dann müssten wir jetzt nur ein paar Bilder abhängen. Aber wir versuchen, wie man so schön sagt, aus der Not eine Tugend zu machen.

Und dann wird die Villa Stuck technisch ertüchtigt und erst mal für Besucher geschlossen.
Am 11. Februar endet die Ausstellung, dann müssen natürlich erstmal die Kunstwerke raus. Wir nutzen aber die Räumlichkeiten der Kafka-Ausstellung noch für ein kleines Abschiedsprogramm.

Wie muss man sich das vorstellen?
Ich denke, wir haben ein paar gute Rausschmeißer gefunden. Unter anderem helfen uns die Brüder Markus und Micha Acher (u.a. The Notwist) mit einem kleinen Konzertprogramm. Und dann wird uns auch noch „Mathias Modica” mit seinem „Toy Tonics Label” vom Hof jagen – mit schöner Musik hoffentlich. Vielleicht kommt sogar noch eine kleine Ausstellung dazu. Dafür verwenden wir dann die leer geräumte Kafka-Architektur.

Wie umfangreich muss denn dann eigentlich gepackt werden?
Natürlich muss auch die komplette Stuck-Sammlung aus den historischen Räumen ausgeräumt werden.

Und wo bleiben die Kunstwerke während der Umbauphase?
Das eine ist die Ausstellung, die abgebaut und wieder an ihre Ursprungsorte zurückgeht. Das andere sind natürlich unsere Stuck-Werke selbst. Sie verlassen in dieser Zeit das Museum und werden auch nicht in unsere Zwischennutzung mitgehen.

Schade.
Das geht nicht anders – schon aus konservatorischen und aus sicherheitstechnischen Gründen. Ein Teil der Objekte wird eingelagert, ein anderer Teil wird gleich reisefertig verpackt. Wir planen aktuell, diese Werke auf Tour zu schicken. Wohin genau die Reise für sie geht, kann ich noch nicht verraten. Es werden aber auf jeden Fall ein osteuropäisches Land und ein sehr schönes Museum hier in Deutschland dabei sein. In diesen Häusern befindet sich auch schon Kunst von Franz von Stuck in den jeweiligen Sammlungen, sodass man da eine schöne Gegenüberstellung konzipieren kann. Stuck trifft dann Stuck – aber nicht in München, sondern in anderen Häusern.

Wie kam denn eigentlich die aktuelle Kafka-Ausstellung, mit der das neue Jahr ja spannend startet und gleich auch als Kafka-Jahr markiert ist, konkret zustande?
Die Idee dafür hatte eigentlich schon unsere Kuratorin mit ans Haus gebracht: Helena Pereña, die ja jetzt hier auch schon eine ganze Weile bei uns tätig ist – als Ausstellungsleiterin und als verantwortliche Kuratorin für zeitgenössische Kunst. Sie hatte zuletzt schon Marinella Senatore kuratiert.

Die Ausstellung im vergangenen Sommer, die sich ja auch in der Stadt eindrucksvoll bemerkbar machte.
Sie spielen auf die große Parade durch die Stadt an? Auch die hat Helena Pereña mit Marinella konzipiert. Ihr Kafka-Projekt war ursprünglich als Kooperation mit einem anderen Haus, das nach uns die Ausstellung übernehmen sollte, angedacht. Dies hat sich leider nicht umsetzen lassen, sodass wir Kafka aus eigenen Kräften stemmen mussten, was durchaus eine Herausforderung war.

Respekt.
Vielleicht war das Nicht-Zustandekommen der Kooperation sogar ein glücklicher Umstand. Man ist natürlich auch freier, wenn man es selber machen kann. Helena pflegt einen sehr engen Austausch mit den Künstlerinnen und Künstlern. Sie hat sich Kafka immer wieder vorgenommen – seine Werke und vor allem die Themen, die Kafka in seinen Texten verarbeitet. Danach hat sie die Auswahl der infrage kommenden Kunstwerke immer weiter verfeinert und zugespitzt, sodass jetzt eben etwas Berührendes herausgekommen ist, das unseren Besuchern sehr nahezugehen scheint.

Wie viel muss man denn über Kafkas Romane und Erzählungen wissen?
Die Kunstwerke beziehen sich nicht nur konkret auf seine Texte. Manchmal ist der Bezug etwas weiter gefasst. Verbindungen entstehen aber über die Themen – über Körperlichkeit, über Themen von physischer und psychischer Gesundheit, über Bürokratie. Es geht unseren zeitgenössischen Künstlern und Künstlern um Verbinden von Franz Kafka als historische Figur aus der Welt der Literatur mit der bildenden Kunst. So ergibt sich eine spannende Mischung.

Viele Interessierte wissen ja vielleicht gar nicht, dass Kafka selbst sogar mal Kunstgeschichte studiert und auch kleine Zeichnungen angefertigt hatte.
Er war sehr offen in dieser Beziehung. Kafkas Anbindung an die bildende Kunst hat sich über Freundschaften dann auch später weiter gesponnen in seinem Leben. Gleichzeitig hat er aber immer als Büro-Mensch in dieser Versicherungsgesellschaft arbeiten müssen. Eine krasse Persönlichkeit!

Man hätte eine Kafka-Ausstellung natürlich auf den ersten Blick eher in einem Literaturhaus vermutet – und nicht in einem Kunstmuseum.
Die wird es ja auch in ganz Europa und weltweit geben. 2024 – 100 Jahre nach seinem Tod – ist ein Kafka-Jahr, in dem natürlich auch diese Ausstellungen, die sich sehr konkret an der Literatur orientieren, zentral sind.

Und seine Zeichnungen?
Die sind gar nicht so weit verbreitet, sondern in lediglich drei, vier internationalen Sammlungen – etwa in Oxford und in Jerusalem – untergebracht. Und diese Institutionen geben die Kafka-Zeichnungen natürlich auch nicht so einfach außer Haus. Wir hatten keine Chance, dort etwas auszuleihen. Allerdings: Zwei Zeichnungen aus der Albertina konnten wir loseisen. Sie hängen jetzt bei uns in der Ausstellung, sodass man gleich im Entrée diese Verbindung sieht – zwischen Bildender Kunst und Literatur.

Sie flankieren Kafka ja durch ein breites Rahmenprogramm. Was muss man sich denn unter der Playmobil-Inszenierung vorstellen?
Michael Sommer hat sich für seine Arbeiten bislang ganz unterschiedliche Themen aus der Literaturgeschichte vorgenommen, darunter eben auch den Kafka. Er spielt die Kafka-Bücher nach – mit Playmobil-Figuren. Und dazu spricht er – zum Teil in Original-Zitaten, zum Teil eher beschreibend. Michael Sommer hat auf seinem YouTube-Kanal nicht ohne Grund eine große Fan-Gemeinde. Es ist eine ganz andere Herangehensweise an den Kafka, aber eine, die sehr lustig ist und die viel Spaß macht. Wir freuen uns, dass er am 3. Februar zu uns nach München kommen wird – zu einer Performance im Showroom im Motorama. Ähnlich niederschwellig ist ja in Teilen auch der Ansatz in der Ausstellung.

Sie meinen die begleitenden Zeichnungen von Robert Crumb?
Das ist so ein bisschen Kafka für Dummies. Es sind Comic-Illustrationen in typischer Crumb-Manier. Seine Kafka-Kondensate geben noch mal einen kurzen Zugang zu den einzelnen Büchern. Wir versuchen, Kafka von vielen Seiten zu zeigen.

Verraten Sie zum Schluss doch mal, was München von ihrem Zwischenstopp in der Goethestraße erwarten kann: Wie groß ist Ihre Abenteuerlust, aber auch ein bisschen das Muffensausen?
Beides groß, zum jetzigen Zeitpunkt. Zum einen haben wir die Aufgabe, hier das Museum für die technische Instandsetzung leerzuräumen. Allein schon von den Baukosten und vom Gesamtvolumen der Aufgaben liegt natürlich erstmal das Hauptaugenmerk auf dieser Sache. Wir sind unglaublich glücklich, dass der Stadtrat die Vorhaben zuletzt nochmal final bestätigt hat.

Nicht selbstverständlich in Zeiten der extremen Sparzwänge.
Aktuell sicherlich nicht, deswegen ist die Dankbarkeit groß. Wir kriegen natürlich auch ab und an die Frage gestellt: Ihr wurdet doch erst saniert, warum jetzt noch mal?

Was sagen Sie da?
Stimmt, der letzte Umbau liegt jetzt rund 20 Jahre zurück. Diese Zeit geht nicht spurlos an einem Haus vorbei. Die Sanierung, die bis 2005 in der Villa Stuck stattfand, stellte damals das Haus vom Grundsatz her ganz neu auf – mit der einst komplett neuen Infrastruktur, mit dem Foyer, dem Café oder den Räumen fürs Kinder- und Jugendprogramm. Mittlerweile ist es leider so, dass die technische Entwicklung sich so rasch weitergedreht hat. Für bestimmte technische Anlagen im Haus gibt es keine Ersatzteile mehr oder die Systeme sind veraltet. Das kennt man ja vom Smartphone: Wenn man ein zu altes Modell hat, kriegt man kein Update mehr.

Wie lange müssen Sie denn dann zusperren, um die Technik zu erneuern: Hoffentlich nicht so lange wie bei der Neuen Pinakothek?
Ich kommuniziere konsequent den Zeitplan, den wir von den Architekten und vom Baureferat bekommen haben: Im Sommer 2025 kommen wir zurück.

Was passiert dann in der Goethestraße und wie kamen Sie überhaupt dorthin?
Es ist ein glücklicher Zufall, der sich über unseren Förderverein ergeben hat. Dort hat man mich auf ein Gebäude in der Goethestraße 54 aufmerksam gemacht. Damals hieß es, dass es für eine bestimmte Zeit leer sein werde. Der Vorstand vom Förderverein meinte: Vielleicht ist das was für euch? Der Zeitplan passte schon mal perfekt. Wir werden dort mit Büros einziehen. Es wird aber eine kleine Nutzungsänderung geben, sodass öffentliche Flächen installiert werden, die es dort noch nicht gab.

War das bislang ein Gebäude mit eher kleinteilig genutzten Räumen?
Wir ziehen als Zwischennutzung in ein Bestandsgebäude. Das hat eine bestimmte Struktur, und die ist zunächst mal für eine Büro-Nutzung ausgelegt. Die eine oder andere Wand wird schon rausfliegen. Wir wollen Publikumsbereiche haben, die man für Ausstellungstätigkeiten nutzen kann.

Was wird sich das Publikum dort anschauen können?
Wir haben hier im Museum einige Reihen – unter anderem das Philosophische Foyer. Wir nehmen unser Vermittlungsprogramm, auf das ich stolz bin, mit in die Goethestraße. Natürlich haben wir dort Kapazitätsgrenzen in der Nutzung. Aber wir erarbeiten gerade ein Ausstellungsprogramm. Auch wenn wir keine Bilder von ihm zeigen werden: Wir haben unseren Franz von Stuck mit im Gepäck. Er gehört zu uns, sein umfassender Kunstwille ist unsere Identität.

Letzte Frage: Vom feinen Bogenhausen ins Bahnhofsviertel. Wie wird die Zwischennutzung in der Goethestraße denn heißen?
Oh, großes Thema. Der Arbeitstitel lautet G54, also für Goethestraße 54. „Villa Goethe“ ist auch schon mal aufgetaucht. Damit kann ich mich noch nicht anfreunden. Einige meiner Kollegen denken bei der Hausnummer 54 gleich an New York: Aus der Villa Stuck ins Studio 54. Sie sehen: Wir befinden uns noch im Namensfindungsprozess.