Münchens Museen im März: Gegenwartsdiagnosen

Zwischen Praxis und Theorie, zwischen analog und digital, zwischen draußen und drinnen geht es zu… in Münchens Museen im März

The Condition of No – Gespräche zu Boykott, Zensur und Protest in Deutschland“ in der Villa Stuck

Fangen wir mit einer Gegenwartsdiagnose an: Die Grenzen von Rede- und Kunstfreiheit stehen derzeit auf dem Prüfstand. Absagen, Boykott, Zensur, Verhaltensklauseln und Proteste haben massive Auswirkungen auf den Kulturbereich, doch das Reden darüber fällt schwer. Mit der Reihe „The Condition of No – Gespräche zu Boykott, Zensur und Protest in Deutschland“ (ab 5.3.) lädt die Villa Stuck Expert*innen verschiedener Disziplinen zu intensiven und aufrichtigen Gesprächen über konkrete Fälle in Deutschland ein und fragt: Was ist passiert? Warum ist es passiert? Und: Was können wir lernen? Ziel und Hoffnung der Gesprächsreihe ist es, in einer aktuell schwierigen Sachlage Verständnis, Differenzierung und Kommunikation zu ermöglichen. Der Eröffnungsabend des Programms stellt die Frage der Meinungsfreiheit grundlegend: Was müssen wir aushalten, welche Grenzen müssen gesetzt werden, und wie können wir die verschiedenen kulturellen und philosophischen Traditionen der Meinungsfreiheit im Auge behalten? Mit Blick auf die Geschichte der Aufklärung bezweifelt die Philosophin Susan Neiman, dass es bei den brisanten aktuellen Debatten etwa in Deutschland wirklich um Meinungsfreiheit geht. Der Historiker Aziz Al-Azmeh präzisiert heute in Deutschland präsente arabische und islamische Topoi und stellt Überlegungen zum Universalismus einem verstärkten Diskurs von Kulturalismus und kultureller Differenz gegenüber.

Shu Lea Cheang – „Kiss Kiss Kill Kill“ im Haus der Kunst

Sci-Fi zwischen Cyberpunk und unserer Gegenwart gibt’s von Shu Lea Cheang in ihrer Ausstellung Kiss Kiss Kill Kill (Bis 3.8.) im Haus der Kunst. Die erste institutionelle Überblicksausstellung von Cheang (geb. 1954, Tainan, Taiwan) nimmt den Debütfilm der Künstlerin und Filmemacherin, Fresh Kill (1994), zum Ausgangspunkt, um ihre Praktiken des worldbuilding – der Erfindung und Gestaltung fiktionaler Welten – zu erkunden. Sie präsentiert Arbeiten der vergangenen drei Jahrzehnte und setzt diese in einen aktualisierten Kontext. Cheang zog in den 1980er Jahren nach New York City, wo sie sich der unabhängigen Filmszene anschloss und begann, mit Video, Live-TV und Netzwerktechnologien zu experimentieren. Seit den 1990er Jahren hat ihre Arbeit unser Verständnis von digitalen Technologien herausgefordert und verändert. Cheang nahm die Entwicklung von Kryptowährungen vorweg und beschäftigte sich früh mit gamifizierten Gesellschaften und Biotechnologien „KI$$ KI$$“ erstreckt sich über vier Galerieräume, in denen die Werke als Landschaften – miteinander verbundene Elemente, die den kreativen Kosmos der Künstlerin abbilden – gezeigt werden. Abfall wird dabei zu einem zentralen Thema, das Cheangs Auseinandersetzung mit der Verflechtung von Biosphäre und Technosphäre lenkt. Jeder der Räume wird zu einer eigenen Welt, in der internetbasierte Installationen und Software-Interaktionen das Publikum zum Interagieren einladen.

„München Displaced ONLINE. Jüdische Displaced Persons in München 1945–1951“ vom Jüdischen Museum

© Veranstalter

Von Ausstellungen, in denen die Wirkmacht des Internets verhandelt wird, mitten hinein in ebenjenes: München Displaced ONLINE. Jüdische Displaced Persons in München 1945–1951 vom Jüdischen Museum erkundet den Münchner Stadtraum aus der Perspektive der jüdischen DPs und erzählt von ihren Erfahrungen. In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde München zur Zwischenstation für zehntausende Displaced Persons – Menschen, die infolge des Zweiten Weltkriegs aus ihren Heimatländern geflohen sind, deportiert oder vertrieben wurden. Darunter die Gruppe der jüdischen Displaced Persons, die sich selbst „Der Rest der Geretteten“ nannten, hebräisch Sche’erit Hapleta.

„Artists in Residence“ in der Villa Waldberta

Kennen Sie eigentlich die Villa Waldberta in Feldafing? Vor 120 Jahren erbaut, war das stattliche Haus eine Begegnungsstätte für Kosmopoliten und Künstler, aber auch auf politischer Ebene von Bedeutung: Nach dem Zweiten Weltkrieg diente die Villa jahrelang der Unterbringung von »Displaced Persons«, also vom NS-Regime verfolgten Menschen, die durch den Krieg oder die Kriegsfolgen heimatlos geworden waren. 1972, während der Olympischen Spiele in München, logierte der damalige Bundeskanzler Willy Brandt in der Villa und empfing dort internationale Politiker wie George Pompidou oder Henry Kissinger. Seit 1966 ist das Haus durch eine private Stiftung im Besitz der Landeshauptstadt München. 1982 beschloss der Stadtrat, die Villa Waldberta für internationale Stipendiaten aus dem Bereich Literatur und Kunst zu öffnen, die hier ein bis drei Monate umsonst wohnen und arbeiten können. Am 22.3. kann man die gegenwärtigen Stipendiat*innen besuchen und ihre Werke bestaunen: Daria Ivanova, Puppentheater; Macarena Rosmanich, Komposition; Fanny Besse, Architektur; Christian Schwarz, Bildende Kunst; Gonzalo Borondo, Bildende Kunst – Ein seltener Einblick, der sich lohnt.

Das Fahrrad – Kultobjekt – Designobjekt in der Pinakothek der Moderne

Letzte Chance! Die Ausstellung Das Fahrrad – Kultobjekt – Designobjekt (bis 1.4.) in der Pinakothek der Moderne stellt erstmals das Thema Fahrraddesign in den Mittelpunkt. Im Fokus liegt damit die Gestaltung und nicht die Kulturgeschichte dieses Fortbewegungsmittels mit seinen vielfältigen Entwicklungen. Gezeigt werden 70 Beispiele, die zu den ungewöhnlichsten und spannendsten Fahrrädern der Designgeschichte gehören. Dass Fahrraddesign weit mehr als „nur“ Handwerks- und Rahmenbauerkunst und eben nicht nur das Werk von genialen Erfindern, Tüftlern, Besessenen und Enthusiasten ist, belegen die zahlreichen Entwürfe von Flugzeug- und Automobilingenieuren wie Paul Jaray, Hermann Klaue oder Alex Moulton sowie von Industrie-Designern, darunter Luigi Colani, Richard Sapper, Michael Conrad, Giorgetto Giugiaro, Marc Newson, Christian Zanzotti oder Ross Lovegrove.