Ein Hauch von Paris am Stachus: Birgit Gottschalk und Jennifer Ruhland, künstlerische Chefinnen im Münchner Künstlerhaus, holen nicht nur Henri de Toulouse-Lautrec ins Haus, sondern auch ein stilvolles Innenhof-Café. Bienvenue!
Frau Ruhland, Frau Gottschalk, Sie haben die Leitung des Hauses übernommen und sind jetzt nach einigen Pandemie-bedingten ruhigeren Phasen wieder voll durchgestartet. Das Haus kennen Sie ja schon länger, wie fühlt sich die Führungsverantwortung in durchaus turbulenten Zeiten an?
Jennifer Ruhland: Uns zeichnet aus, dass wir mit den Künstlerinnen und Künstlern im direkten persönlichen Kontakt stehen. Das ist für beide Seiten etwas Besonderes und wertvoll. Auch in härteren Zeiten war es wichtig, immer einen engen Draht zu haben –auch in den Gesprächen mit den vielen Handwerkern, die unser schönes Haus in Stand halten, oder mit der Bank.
Birgit Gottschalk: Wir haben viel mitgekriegt vom Wachsen des Hauses und auch von den Unebenheiten. Es waren für uns zuletzt aber keine Krisenzeiten. Wir sprachen immer von „anderen Zeiten“. Das finanziell Schwierige im weitesten Sinne kennen wir schon seit Jahren. Schulden abzutragen von den Kosten der Wiederaufbauzeit des Hauses nach dem Krieg ist unser Tagesgeschäft. Mit wenig Geld gut auszukommen und trotzdem möglichst viel zu machen, steckt bei uns seit jeher in der DNA. Es ist für mich – vermutlich für uns alle – ein schöner Traum, dass ich es noch erlebe, dass eines Tages diese Schulden weg sind.
Wie fühlt es sich denn an, wenn Sie ein Haus wie das Ihre, das ohnehin so verzaubert wirkt, wieder so ein bisschen aus einer Art Märchenschlaf holen?
Jennifer Ruhland: Eigentlich nähert sich das jetzt schon zum dritten Mal, dass man immer wenn die Sommermonate kommen, eine Art Aufschwungsgefühl spürt und fest davon überzeugt ist: Jetzt ist es dann auch endlich vorbei mit Corona! Diese Euphorie hatten wir natürlich letztes Jahr und eigentlich auch 2020 schon einmal. Aber es herrscht wieder eine Aufbruchstimmung! Und ich glaube auch fest daran, dass es diesmal eine etwas andere Situation ist als vielleicht noch letztes und vorletztes Jahr.
Klopfen wir auf Holz.
Jennifer Ruhland: Wir planen und setzen nun unglaublich viel um, was mich sehr glücklich macht. Wir haben eine tolle Sommerausstellung als Saison-Highlight entwickelt, was uns viel Schwung gibt – neben dem laufenden Programm mit den Musik-, Kabarett und Lesungsabenden.
Sie spielen auf die große Toulouse-Lautrec-Ausstellung ab 24. Juni an.
Jennifer Ruhland: Endlich ist es soweit. Die Planungen dafür reichen ja auch schon länger zurück. Jetzt sind wir mutig und machen’s. Und wir sind froh, dass wir dieses Projekt so entschieden haben. Ich hoffe, dass die Leute dann wieder zu uns strömen. Und Touristen sind ja auch wieder in der Stadt.
Trotzdem: Zuletzt haben Sie ja eine Art Generationswechsel im Haus vorgenommen. Und nun sind es gleich zwei Chefinnen. Ist aus dem Künstlerhaus jetzt eigentlich ein Künstlerinnenhaus geworden – mit einer rein weiblichen Führungsetage?
Birgit Gottschalk: Vorher stand ja auch schon 12 Jahr lang dem Haus eine Frau vor. Aber wir sind ganz dynamisch, ohne dass wir viele Anstrengungen dafür machen mussten, im Zeitgeist. Ich habe den Eindruck, unser Stil kommt gut an. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass wir uns nicht Doppelspitze, sondern „Duett“ nennen. Das fanden wir fürs Haus künstlerischer und musikalischer – und hoffentlich auch ein bisschen sympathischer. Sie kennen ja den Spruch: „Neue Besen kehren gut, alte kennen die Winkel.“
Jennifer Ruhland: Eigentlich ist unsere Konstellation ja auch ein bisschen Zufall. (lacht) Es ist überhaupt nicht so, dass wir keine Männer mögen. Aber tatsächlich sind wir hier wirklich viele Frauen – vom Veranstaltungsbüro, über die Bankett-Planung bis hin zur künstlerischen Programmgestaltung.
Birgit Gottschalk: Es waren ja lange genug starke Männer-Persönlichkeiten hier prägend – etwa mit Franz von Lenbach, Ferdinand von Miller und Gabriel von Seidl und ihren Künstlerfreunden. Ein weiblicher Touch tut dem Haus schon ganz gut.
Also doch ein Künstlerinnenhaus?
Birgit Gottschalk: Man könnte es ja vielleicht wirklich Künstler*Innenhaus nennen. Aber ich glaube, wir behalten doch besser den etablierten Namen bei.
Jennifer Ruhland: Unbedingt! Wir gendern nicht. Ich denke, durch ein Sternchen fühlt sich niemand repräsentiert. Wir pflegen Kunst und Kultur – das gilt bei uns auch für die deutsche Sprache.
Erhöhen Sie bei unseren Lesern doch noch ein bisschen die Vorfreude auf Ihre Toulouse-Lautrec-Ausstellung. Seine Plakatschätze reisen ja sonst gar nicht so häufig. Wie kamen Sie an diesen Schatz?
Birgit Gottschalk: Wir hatten ja vor zwei Jahren unsere schöne, auch sehr erfolgreiche Gunter-Sachs-Ausstellung mit über 11.000 Besuchern. Dieser Verleiher kam wieder auf uns zu. Wir arbeiten gern mit ihm zusammen. Er hat sich wieder bei uns gemeldet – diesmal mit den Plakaten von Toulouse-Lautrec.
Jennifer Ruhland: Da mussten wir natürlich zugreifen. Ich hatte ihm damals sofort zurückgeschrieben. Wir finden, dass unser Haus unglaublich gut dafür geeignet ist. Immerhin ist es auch 1900 erbaut worden. Wir müssen nichts ändern, um Toulouse-Lautrec angemessen auszustellen. Wir verwandeln unsere Räumlichkeiten in eine Art Montmartre. Im Innenhof wird es ein schönes französisches Café geben. Die Ausstellung selbst kommt aus Brüssel aus dem Musée d’Ixelles. Das wird für Jahre renoviert. Was wir zeigen, gibt es auf der Welt im Ganzen nur zweimal. Die Sammlung wird sonst nie verliehen.
Tatsächlich?
Jennifer Ruhland: Es ist eine sehr beeindruckende Auswahl. Wir präsentieren auch Zeitgenossen von Toulouse-Lautrec. Und all das zeigt auch gerade die Entwicklung der Plakatkunst. Er gilt ja als Vater der Druckkunst. Er hat sein Leben in Bordellen, in Ateliers, Kneipen, in Hinterzimmern des Moulin Rouge verbracht und hat die Menschen dort so gemalt, wie er sie vorfand und wie die Atmosphäre dort auf ihn wirkte.
Birgit Gottschalk: Die Sammlung passt perfekt zu uns. Wir können die Plakate auch in ihren Kontext einordnen – nicht nur in den Glanz der Epoche. Wir werden auch viel zur Druckkunst beisteuern. Immerhin haben wir unten im Haus ja noch immer unsere Werkstätte für Steindruck – ein einmaliger Ort in der Stadt.
Jennifer Ruhland: Die Werkstatt kennen immer noch nicht genug Münchner. Wir dürfen in unserem Lithografie-Atelier sogar mit Erlaubnis des Ausstellers ein eigenes Toulouse-Lautrec-Plakat drucken, das die Besucher dann – in limitierter Auflage – aus unserer Werkstatt kaufen können. Und bei der Druckdemonstration kann man zusehen, wie das passiert – in Farbe.
Interview: Rupert Sommer