Glosse: „Weder Dos noch Don’ts“

Ein Plädoyer für Achtsamkeit im Frühling

Der Mensch im Frühling -ob Tourist oder Einheimischer- ist schon lustig: Die einen stolzieren mit hormonell geschwollener Brust als unfehlbare Platzhirsche durch die Innenstadt, die anderen müssen sich mit dem so plötzlich eingetretenen inneren Drängen an die Außenwelt, das der Lenz ihnen beschert hat, erst arrangieren und huschen überfordert vorsichtig durch die Parks. Beides Zeugnisse von über die Wintermonate verlernten sozialen Fähigkeiten. In der eher kulturell geprägten, lässigen Journaille, aus deren Tiefen Sie gerade ein Druckerzeugnis in der Hand halten, kommt man jenen Unsicherheiten gerne mit „Dos and Don’ts“-Artikeln entgegen. Auflistende Texte, die teils interessantes, teils naheliegendes wiederkäuen, erklären den eher vorsichtigen Mitmenschen -die erwähnten Platzhirsche googlen wohl einfach nicht danach- wie man sich zu verhalten hat.

Nützliches und Naheliegendes

Und was findet man da für Tipps bezüglich unserer schönen Landeshauptstadt? Das offizielle Stadtportal muenchen.travel changiert zwischen nützlichem wie „Ja, Sie können das Leitungswasser trinken“ und eher selbstverständlichem wie „Fahren Sie nicht ohne gültigen Fahrschein“.  Und an dieser Stelle sei hier kurz eingehakt und mein Problem mit Artikeln jener Art geschildert. Es ist schön, wenn man nichts falsch machen und sich -gerade als Tourist- höflich in seine Umwelt fügen will. Doch spreche ich Münchner*innen und Reisenden, die dafür von irgendwem zusammengestellte Artikel brauchen, zwei fürs generelle Miteinander entscheidende Fähigkeiten ab: Zu einem gewissen Grad basales logisches Denken und -noch viel wichtiger- die Aufmerksamkeit! Oder von mir aus auch Achtsamkeit, wenn der Begriff nicht durch esoterische Strömungen so gekapert wäre. Wenn man aufmerksam für seine Umwelt ist, merkt man auch ohne Onlinerecherche, dass auf der Rolltreppe am Marienplatz und anderswo die Leute rechts stehen und links für Eilige Platz lassen. Dann kommt man auch ohne in der Zeitung von den zurecht empörten Standlbetreiber*innen zu lesen drauf, dass es gar nicht so cool ist, sich auf dem Viktualienmarkt mit Alkohol vom Supermarkt niederzuflascheln, dadurch den Zugang zu den Läden zu versperren und hinterher seinen Müll liegen zu lassen. „Ach, das is n Don’t! Hatte ich echt null auf dem Schirm.“

Miteinander reden

In diesem Beispiel fehlt’s an Denkvermögen und Aufmerksamkeit zugleich, was besonders die Zähne knirschen lässt. Do’s oder einfach „Empfehlungen“ haben weniger mit natürlicher Rücksicht zu tun und sind daher um einiges sinniger. Woher soll man als Auswärtiger wissen, dass man im Biergarten seine eigene Brotzeit mitnehmen darf, außer aus dem Reiseführer oder von Einheimischen? Ui, da ist jetzt ein entscheidender Gedanke gefallen. Man könnte einfach auf die Mitmenschen zugehen, sie fragen, ob ihnen gerade was taugt, missfällt, einfällt oder auffällt. Im schlimmsten Fall kann einem nicht weitergeholfen werden und im besten bekommt man einen wertvollen Tipp und lacht anschließend zusammen. Darum redt’s miteinander, passt’s aufeinander auf und wenn ihr mal nicht genau weiterwisst, steht’s wahrscheinlich im In-Heftl. Auf einen schönen Wonnemonat!