Neuerscheinungen von und mit: Iggy Pop, Sharon van Etten, Bonnie `Prince´Billy, Larkin Poe, David Gray, Günther Sigl u.a.
David Gray – Dear Life
Ehrlich gesagt freue ich mich immer wieder, wenn ich was Neues von David Gray zu hören bekomme. Mit seinem sehr erfolgreichen (Durchbruch-)Album „White Ladder“ sah ich ihn erstmals vor ca. 25 Jahren in der Muffathalle, wo überwiegend ein englischstämmig(und stimmig)es Publikum sein Meisterwerk bejubelte, weswegen es bis heute auch eines der stimmungsvollsten Konzerte war, die ich in München je erleben durfte. Zuletzt machte Gray vor knapp vier Jahren mit seinem wunderschönen „Skellig“-Album auf sich aufmerksam, an das er jetzt quasi nahtlos anknüpft. Souveräne Songwriter-Kunst, gespeist aus einem tendenziell eher melancholischen, manchmal auch zweifelndem, niemals aber hoffnungslosen Themenspektrum zwischen Herzschmerz und Gelassenheit, trifft auf Folk und Pop, hübsch ausstaffiert mit orchestralen, aber niemals aufdringlichen Streicher-, Blech- und Holzbläserarrangements.
Iggy Pop – Live At Montreux Jazz Festival
In Zeiten von KI und Over Perfectionism scheint den Leuten wieder mehr der Sinn nach live Dargebotenem und Handgemachtem zu stehen. Vielleicht auch mal nach Unperfektem und Fehlerhaftem. Warum denn nicht? Wobei hier freilich alle spielen, als ginge es um alles. Und sag doch der Scheiss-KI mal, sie soll ein Iggy Pop-Konzert in Montreux spielen. Haha! Aber lass mal, am Ende macht sie das dann auch noch… Egal, das hier ist so mitreißend und lebendig, so ansteckend und aufwühlend, wie es nur ein Livekonzert sein kann. „Raw Power“ eben. Selbst dann noch, wenn man es nur als Tonträger-Konserve bekommt. Und es sind natürlich – wie sollte es auch anders sein – alle Hits mit dabei. Angefangen bei „Passenger“ über „I Wanna Be Your Dog“ bis „Lust For Live“. Bärenstark auch „Search And Destroy“ und „Endless Sea“. Warum das alles unbedingt beim altehrwürdigen Jazz Festival in Montreux aufgenommen wurde? Nun, vielleicht deswegen, weil hier all diese Song-Monolithen mit einer ebenso agilen wie auffällig agierenden Brass-Section ausgeschmückt wurden. Macht auf alle Fälle mega Laune den mittlerweile auch schon 77-jährigen Punk-Großmeister live zu erleben. (24.6. Tollwood)
Bonnie `Prince´ Billy – The Purple Bird
Selten waren sich die guten Musikgeister unserer Stadt so einig. Will Oldham aka Bonnie `Prince´ Billy war im vergangenen Oktober in den Kammerspielen zu Gast, aufgrund längerer Absenz Monate im Vorhinein ausverkauft, eh klar. Und dann gab es eigentlich nur eine Meinung: SSSSSSSS-E-N-S-T-I-O-N-E-L-L-L-L-L-L! Leider hatte ich keine Tickets mehr ergattern können, aber Neid liegt mir fern, viel mehr habe ich mich für all jene gefreut, die dabei sein konnten. Zumal ich Will Oldham auch schon mal im Amerikahaus gesehen habe, damals war er solo, und alles in allem war es ein bisschen, nun wie soll ich schreiben: gemischt, irgendwo zwischen etwas (zu) eintönig und dann doch faszinierend, aufgrund seiner Introvertiertheit und Persönlichkeit. Auf „The Purple Bird“ standen Oldham – wie im Übrigen beim Konzert in den Kammerspielen – diverse Session-Cracks aus der Country-Szene Nashvilles zur Seite, weswegen hier alles etwas bunter funkelt, weil schmuckvoll arrangiert und instrumentiert. Erstaunlich dabei, dass gerade das introvertiert wirkenden und zurückhaltend begleitete „Boise, Idaho“, die nachdenkliche Pianoballade „New Water“, das feierlich-minimalistische Duett „Downstream“ (feat. John Anderson) und das psychedelisch angehauchte „Sometimes It’s Hard To Breathe“ meine Favoriten sind. Wobei freilich auch der in bester Johnny Cash-Manier daher wackelnde Country-Schunkler „The Water’s Fine“ was für sich hat.
Larkin Poe – Bloom
Ja. Hat ordentlich Schmackes. Und Wumms. Vor allem: Blues-Wumms-Schmackes. Eigentlich nicht meines. Zumal in der Hochglanz-Mainstream-Rock-Variante wie hier, wo die Gitarren ordentlich, aber doch sehr brav fuzzen, johlen, gar heulen und die Orgeln im Hintergrund schmachtend schmatzen. Aber bei den beiden, freilich über jeden Zweifel erhabenen, musikalisch auf allerhöchstem Niveau befindlichen Schwestern Megan und Rebecca Lovell – die ja schon die Ehre hatten Elvis Costello als Backing-Duo zur Verfügung stehen zu dürfen – tut man sich schon wirklich schwer einen Fehler zu finden. Außer freilich, dass man halt ihre Musik nicht so mag, und die Art, wie sie produziert ist. Die Songs sind traditionell, im besten Sinne also: classic. Viele Töne, zu viele für meinen Geschmack. Und teilweise wirkt das überfrachtet. Am Ende aber macht das schon alles irgendwie Sinn. Für mich am ehesten noch die sinnliche Bluesballade „Easy Love Pt 2“. Und es rockt ja wirklich, keine Frage. Joe Bonamassa kann sich schon mal warm anziehen. Und der Gary Clark jr auch. Ich höre derweil – wenn schon Blues – lieber dem Jack White zu… (5.11. Tonhalle)
Sharon van Etten & The Attachement Theory – dito
Gleich im Opener stellt Sharon van Etten jene Frage – die schon Queen einst stellten, und auf die es nur eine Antwort geben kann: NA-HEIN, … bloß nicht… „Live Forever“ macht schnell klar, dass man es hier nicht mehr nur mit van Etten zu tun hat, sondern mit einer richtigen Band. Ihrer nämlich. Mit ihrem Live-Begleitpersonal zu jammen, schloss van Etten einst kategorisches aus, bis es dann doch so weit war. Nun also waren Jorge Balbi (dr), Devra Hoff (b) und Teeny Lieberson (p, synth, g) welche unter dem Namen The Attachement Theory firmieren, auch inhaltlich gefordert und ab sofort fester Bestandteil des Kreativprozesses. Und was soll man groß drumrum reden: Es tut ihr hörbar gut. Frischer Wind allenthalben, belegende Aufbruchstimmung begünstigt die gemeinsamen Sound-Abenteuer. Aufgenommen und produziert wurde im Eurythmics-Studio „The Church“ von keiner geringeren als der fantastischen Marta Salogni (Bon Iver, Björk, Animal Collective, Depeche Mode). Irgendwie wird man den Eindruck nicht los, hier etwas ganz besonders Inspirierendem beizuwohnen. Hört euch nur mal den hypnothisch-wavigen „Idiot Box“ an. Oder das wunderschön abgehobene „Trouble“. Den unbeschwert poppigen Post-Punk von „Indio“. Oder, oder, oder… liebe die Platte!
Daniel Bürkner – Who are you, planet?
Lange, sehr lange nichts gehört von Daniel Bürkner. Was natürlich sehr schade ist, weil hier einer musiziert, dem man gerne zuhört. Bürkner ist Musiker, Kurator und Kunsthistoriker in und aus München, der sowohl unter seinem bürgerlichen Namen als auch unter dem Pseudonym squares on both sides produziert(e) und früher sogar live auftrat. Sein Sound, so behauptet er ohne große Umschweife, „spiegelt den Kosmos wider, jenen den wir alle in uns tragen, der Gesellschaft, Geschichte und unsere emotionale Zuwendung zu einem ganz eigenen Bilderbuch verbindet“. Was am Ende keineswegs irgendwie abgehoben klingt, denn es verschmelzen reduzierte Singer/Songwriter-Vibes mit subtil-minimalistischen Instrumentalkompositionen und abstrakter Elektronik. Man möchte sich am liebsten die Finger wund schreiben über Bürkners be- und verzaubernden Klangkosmos, der meiner Meinung nach weit über die „Erkundung von Orten und den ihnen innewohnenden Konnotationen“, wie es Bürkner ausdrückt, hinausgeht. Musikalisch reicht das Spektrum seiner Exkursionen – ganz im Geiste eines Angela Aux – von weltfremden, um nicht zu sagen außerirdischem Singer-Songwriting, Dialogen von Synthesizern und Cembalo bis hin zu überaus charmanten, vereinnahmend perlenden Klaviermelodien. Fließend, organisch und energiegeladen zugleich. Für mich eine beeindruckende Audio-Hommage just an jene Räume, mit denen sich Bürkner so gerne beschäftigen.
Günther Sigl Band – Gefühlsecht
Spider Murphy Gang-Oberzampano Günther Sigl traut sich erneut aus der Deckung und legt mit „Gefühlsecht“ nun schon sein zweites Solo-Album vor. Und wieder konnte er namhafte Musiker wie den produzierenden Solo-Gitarristen und Sänger Willie Duncan, Wolfgang Goetz an Keyboards und Bass, den Percussionisten Dieter Radig und Schlagzeuger Robert Gorzawsky für seine Ideen gewinnen. Schon sein erster musikalischer Alleingang („Habe die Ehre“), abseits der Spider Murphy Gang, damals 2010 maßgeblich vom Swing inspiriert, zeigte die facettenreiche Seite seines künstlerischen Schaffens und erzählte Geschichten aus dem Alltag, die – ganz der Stenz, der er nunmal ist – stets mit einem lakonischen Augenzwinkern daher kamen. „Gefühlsecht“ nun klingt im Vergleich dazu eher etwas „erdiger und rockiger“, wie man es dem Infotext entnehmen kann. Das Album vereint ansatzweise seine frühen Rock’n’Roll-Wurzeln mit modernen Pop-Einflüssen und persönlichen Balladen. Textlich zeigt sich der mittlerweile Endsiebziger dabei gefühlvollen bis witzig und manchmal auch ironisch. Musikalisch hat das zugegeben Hand und Fuß, lässt aber bestenfalls die Ü-60-Fans unter den Musikliebhabenden gefällig im Takt wippen. Was bleibt ist eine Legende, mit der man groß geworden ist, der sich die Zeit im Alter mit gefälligem Rock-Pop vertreibt. (22.2. Stockwerk Gröbenzell)