Mann der unbegrenzten Möglichkeiten: Franz Furtner über „Henry Fonda For President“ von Alexander Horwath in unserem Filmtipp des Monats.
Erster Eindruck nach 185 Minuten komplexen Essay-Films: Es ist wirklich ein Wahnsinn, was für ein USA-Panorama an der Person Henry Fonda aufgefächert werden kann. Umso schöner, dass Horwath (*1964), vormals Direktor der Viennale sowie des Österreichischen Filmmuseums, genau das erkannt hat und in seinem eigenen Debütfilm als Regisseur auch liebevoll-faszinierend umzusetzen weiß. Aber von vorne: Es ist das Jahr 1980. Horwath verbringt als 16-jähriger eine Zeit in Paris und wird dort im Kino gleich mehrmals mit Fonda konfrontiert. Und das führt über viele Jahre der Filmstudien und Leidenschaft dazu, dass Horwath 44 Jahre später in seinem Film gleich noch weiter vorne beginnt: Nämlich 1651 in Leiden, Niederlande, wo die Vorfahren des Schauspielers lebten und sich irgendwann zum Sprung in die große, neue Welt jenseits des Atlantiks entschließen. Von da werden diverse Etappen der Geschichte der USA anhand von Filmbeispielen, in denen Fonda die Hauptrolle spielt, illustriert und von Horwath aus dem Off interpretiert. Wir sehen Fonda (erstmals unter der Regie von John Ford) als Abraham Lincoln, als Siedler im Mohawk Valley, als Revolverheld Wyatt Earp, als Populisten Andrew Jackson u.v.m. Abseits der Leinwand war Fonda bereits als Kind Zeuge eines grausamen Lynchmordes, als Navy-Kadett im zweiten Weltkrieg, durchlebte die McCarthy-Ära, den kalten Krieg und den Beginn der Reaganomics. All das wird auch durch heutige, teils surreale Bilder, die Horwath mit seinem Kameramann Michael Palm einfing, unterstützt bzw. konterkariert.
Es wird klar mit welcher Akribie Horwath Schlüsselszenen aus der Biografie und auch aus eher vergessenen Fonda-Filmen gefiltert hat. Ferner begreift Horwath Fonda in seiner Exegese als Auteur, der die Charaktere, die er verkörperte, auch als Mittel zu einem Zweck sah. Immer mit der früh im Film ausformulierten These im Hinterkopf: Amerika braucht eine Art Selbstentzauberung, die Fonda mehr oder weniger dezidiert mit seiner Rollenauswahl und Art der Darstellung vorantreiben will. Zugleich ist die „Magie des Kinos“ aber natürlich auch Mittel zur Be-Zauberung des Landes, weit über dessen Grenzen hinaus. Und so schreitet der Film voran, und Zeitsprung nach Zeitsprung und Filmfigur um Filmfigur wird klar, dass sich Signifikant und Signifikat längst nicht mehr decken und von der Leinwand herunter nun nicht mehr die United States of America, sondern die United States of Fonda strahlen.
Denen der Schauspieler als Präsident eh schon unumstößlich voransteht. Das alles ist durchaus komplex, wird aber gerade durch die Länge von über drei Stunden gut „bekömmlich“ (<= Über solche Wörter freuen sich doch die Kunstschaffenden). Kürzer wäre die Dichte an Analyse und Interpretation schon etwas heavy. In 185 Minuten bleibt aber Platz für Ausflüchte, Stimmungsbilder und Humor. So werden die Great Plains der United States of Fonda erst richtig erfahrbar und diese auf gestriegeltem Pferd an der Seite von Scout Horwath zu durchreiten, ist wahrlich eine helle Freude.
„Henry Fonda For President“ von Alexander Horwath läuft ab 30.1. im Werkstattkino und im Monopol. 29.1.; 19:45 Uhr Special-Screening im Monopol mit anschließ. Videogespräch mit Kameramann Michael Palm.