Herzblut fürs Herzkasperlzelt – Die Energie von Fraunhofer-Wirt Josef „Beppi“ Bachmaier ist ungebremst: Mit dem Fraunhofer feiert er 50. Jubiläum, zum Auftakt gastiert er bis 9. September mit einem Biergarten und Livemusik im Nussbaumpark
Update: Hier gehts zum Programm im Fraunhofer Biergarten im Nussbaumpark: www.in-muenchen.de/stadtleben/fraunhofer-fesch-biergarten.html
Herr Bachmaier, lieber Beppi, dieses Jahr ist ja eigentlich ein besonderes – mit vielen Jubiläen, 50 Jahre Fraunhofer und Ihr 77. Geburtstag. Was ist denn für Sie persönlich das wichtigste, größte Thema?
Ach ja, ich tu mir natürlich ein bisschen schwer momentan mit dem Feiern. Und doch haben wir ja gleich wieder Herbst. Wir sind schon länger am Vorbereiten und am Planen – ganz klar. Und wenn man aus der Trauer übers Herzkasperlzelt gar nicht rauskommt, dann feiert man halt nächstes Jahr – dann 50 Jahre Theater im Fraunhofer.
Lernt man das vielleicht ein bisschen über die Jahre: Sie lassen sich nicht so einfach die Butter vom Brot nehmen. Und es gibt ja auch noch Ihre Gelassenheit.
Probleme kommen und gehen. Auf gut Bairisch ist das Wichtigste: G’sund sam- ma. Zum Glück. Wenn man nicht ge- sund ist, gibt’s nichts zum Feiern.
Bayern ist ja auch ein Land, wo der Grant und ein solides Maß an Sturheit durchaus zu den positiven Eigenschaften zählen.
Das passt mir sehr gut.
Aber wenn Sie zurückblicken, hätten Sie jemals gedacht, dass Sie 50 Jahre später hier in einem Hinterhof vor der eigenen Wirtschaft sitzen und so viel entstehen konnte?
Eigentlich nicht. Es gibt ja kaum Kriterien im Leben, wonach Menschen planen können. Wer kann sich schon hinstellen und einfach mal sagen: Das will ich einmal werden, und da will ich hin! Das Leben passiert halt.
Trotzdem haben Sie eins nach dem anderen aufgebaut.
Ich hatte immer wieder die positiven Momente für mich gesehen. Oft ist irgendwie das eine zum anderen gerutscht. Es ist doch eine große Freude, wenn man so vieles machen kann in seinem Leben und das dann auch noch so einen Spaß macht. Ich habe Glück gehabt. Aber es ist dann alles relativ schnell vergangen. Die Zeit flitzt halt so dahin.
Manchmal ist es auch wichtig die Entscheidung zu treffen, eine Sache gerade nicht zu machen – zum Beispiel nicht die Metzgerei des Vaters weiterzuführen.
Ja, klar. Das war der Betrieb meiner Eltern. Wenn man noch sehr jung ist, denkt man über so was noch nicht so groß nach. Ich war das einzige Kind. Also machte ich eine Lehre und sollte eigentlich Metzger werden. Mein Vater war schon davon ausgegangen, dass der Nachfolger aus der Familie kommt, wenn es möglich ist.
Zum Glück kam’s dann doch anders.
Ich habe meine Eltern unterstützt und noch mitgeholfen, wenn ich gebraucht wurde. Aber Ideen hatte ich dann schon ganz andere. Ich wusste, dass ich die Welt sehen und erstmal nicht in München bleiben wollte.
Die Eltern waren da aber nicht nachtragend, oder?
Ich hatte wirklich tolle Eltern, die mich auch nie zu irgendwas genötigt hatten. Ich musste nicht machen, wozu ich keine Ambitionen hatte. Sie haben mir das Gefühl gegeben, dass sie mir vertrauen. Dann ging ich erstmal nach Frankreich. Aber auch dort war meinen Eltern klar: Ich mache was aus meinem Leben. Und so kam’s dann ja auch.
Das kann man so sagen. Trotzdem: Die subversiven Künstler, die auch Grenzen austesten, hat man ja lange nicht mit offenen Armen überall sofort willkommen geheißen. Wie schwer war der Druck aus- zuhalten?
„Geht’s hin! Es gibt auf der Oidn Wiesn ja auch wunderschöne Karusselle für wenig Geld. Gerade wenn man Kinder hat, ist das ein wunderbares Angebot dort“
Es gab mal den netten Satz von einer früheren Chefin für Volkskultur im Kulturreferat. Sie hat zu mir gesagt: Beppi, was ihr im Fraunhofer macht, stand bei uns jahrelang im Giftschrank. Und so war’s auch. Wir haben Sachen gemacht und Programme veranstaltet, die waren damals noch nicht denk- und sprechbar. Was wir teilweise für Musik oder auch für Gäste ins Wirtshaus gelassen hatten, entsprach nicht immer dem braven Geschmack. Es war natürlich die Zeit der langen Haare. Vieles davon wurde da- mals in der Volkskultur und in der Volksmusikwelt nicht so richtig verstanden – teilweise heute noch nicht!
Hatte man da als Wirt nicht auch Sorge, dass bei seinerzeit besonders kritischen Programmen, etwa von Jörg Hube, nicht jemand im Publikum sitzt, heimlich mitschreibt und dann zur Polizei rennt für eine Anzeige?
Ja, natürlich. Hube, der später zeitweise auch im Haus über dem Fraunhofer wohnte, hat ja mal den berühmten Satz gesagt: Bei euch fühle ich mich sicher!
Das heißt schon was.
Es hatte logischerweise auch einen Grund. Jörg Hube war ein Mensch, der Höhen und Tiefen kannte. Und manchmal kannte er auch keine Gnade mit Politikern und Mächtigen, mit denen er nicht einverstanden war. In seinen Programmen hat er seinen Mund entsprechend weit aufgemacht. Obwohl es damals noch kein Internet mit den schlimmen Beschimpfungen gab, hat er sicher einigen Wind mitgekriegt. Umso wichtiger war ein Ort, wo er sich geborgen und diesen Freiraum fühlen konnte.
Trotz aller Aufregungen, die’s immer mal wieder gab: Mit so einer Enttäuschung und so einem juristischen Streit, wie er sich aktuell um die verhinderte Zulassung des Herzkasperl-Zelts ergab, hätten Sie wahrscheinlich am wenigsten gerechnet, oder?
Ja, das war schon arg. Ich müsste den juristischen Streit gar nicht führen, aber ich hab’s halt gemacht: Weil ich mir gedacht hab, ich bin es all den Leuten schuldig, deren Herzblut seit zehn Jahren genauso wie meines am Herzkasperlzelt hängt. Da muss man sich wehren und will auch wissen, wieso eigentlich das angeblich so kommen musste.
Schnell gab’s beispiellosen Rückenwind – auch durch eine viel beachtete Online–Petition.
Wir hatten sofort einen Haufen Unterstützer. Allein mehrere Tausend über das Internet, aber in Wirklichkeit sicher noch viel, viel mehr.
Normalerweise hören ja Wiesn-Wirte auf, weil sie beim Steuerhinterziehen erwischt werden, aber nicht wegen einem Streit um den Anteil des Kulturprogramms.
Das Problem ist, dass das System der Punktebewertung von der großen Wiesn auf die Oide Wiesn einfach übergestülpt wurde. Einige dieser Kriterien sind auf der Oidn Wiesn vollkommen fehl am Platz. Zum Glück gibt’s sogar Leute von der CSU, die sich total einsetzen für das Herzkasperlzelt. Und immer wieder wird gesagt: Das Vergabesystem hätte schon vor Jahren geändert werden sollen. Leider ist das noch nicht passiert.
Wie geht’s jetzt weiter? Es ist doch hoffentlich nicht so, dass das Herzkasperlzelt sich nie mehr um einen Platz auf der Oidn Wiesn bemühen wird?
Natürlich nicht. Wir fangen da logischerweise jetzt schon mit der Vorbereitung fürs nächste Jahr an. Die Zeit vergeht ja so schnell. Die nächste Bewerbung ist schon in der Vorbereitung.
Sie lassen sich nicht entmutigen!
Keinesfalls. Das sind wir den Herzkasperl-Freunden schuldig. Ich werde täglich von Leuten angesprochen, die sagen mir: Wir waren eigentlich schon seit Jahren nicht mehr auf der Wiesn, aber wegen euch und dem Herzkasperlzelt sind wir doch gern wieder hingegangen.
Was antworten Sie dann?
Ich sag den Leuten: Geht’s hin! Es gibt auf der Oidn Wiesn ja auch wunderschöne Karusselle für wenig Geld. Gerade wenn man Kinder hat, ist das ein wunderbares Angebot dort. Die Oide Wiesn ist ja nicht bloß ein Herzkasperlzelt. Und wir kommen schon wieder!
Was passiert dieses Jahr während der Wiesn-Zeit: Verwandeln Sie vor Ort das Fraunhofer in ein kleines Wiesnzelt?
Da sitzen wir gerade noch an der Planung. Schauen wir mal, dass wir irgendwo einen alternativen Platz finden – über das Fraunhofer hinaus.
Im Freien?
Wir haben ja schon verschiedene Plätze bespielt – vorne an der Isar oder im Innenhof des Denkmalamts.
Auch wenn es kein Herzkasperlzelt gibt dieses Jahr, es wird ein Herzkasperl im Herzen geben?
Genau. Nur woanders! Es gibt jede Menge Musiker, die seit neun oder zehn Jahren bei uns spielen – und auch vorher natürlich schon lange im Fraunhofer. Viele persönliche Freundschaften!
Und Ihr Geburtstag?
Ach, der ist nicht wichtig. Ich werde auf jeden Fall für Mitstreiter und Beschäftigte ein Hoffest machen – auch für die Hausbewohner. Mit Musik. Ich muss nicht im Mittelpunkt stehen.
Als schüchtern kennt man Sie ja nicht. Aber auch im Lokal oder im Herzkasperlzelt suchen Sie sich ja oft einen Platz, der ein wenig Abstand hält.
Ich sitze gern vorn an der Schänke. Weil man da die Leute, die reinkommen, so schön im Blick hat. Und die, die rausgehen.
Letzte Frage: Gehen Sie persönlich dieses Jahr auf die Wiesn?
Mit Sicherheit. Auch weil wir uns immer ein bisschen austauschen und umschauen.
Auch ins neue Zelt Ihres Konkurrenten auf der Oidn Wiesn?
In die Boandlkramerei? Muss nicht sein!
BEPPI BACHMAIER, geboren in der nahen Morassistraße, hat mit dem Fraunhofer Wirtshaus- und Kulturgeschichte in der Stadt geschrieben. Weil ihm dieses Jahr – trotz massiver Unterstützung von treuen Fans – die Zulassung fürs Herzkasperlzelt auf der Oidn Wiesn verweigert wurde,
steigt ein vergleichbares Programm, auch während der Wiesn-Zeit. Augen auf – unter www.in-muenchen.de und www.fraunhofertheater.de