Das Gabelspiel in Giesing wird 7 Jahre alt – Eine Huldigung für junge Sternegastronomie auf der Höhe der Zeit
Ein bisschen Wohnzimmer möchten sie schon auch sein, erzählt Sabrina Berger bei einem Treffen Anfang Oktober. Wir sitzen zusammen mit ihrem Mann, Partner und Küchenchef Florian im Hinterhof bei gemäßigten Temperaturen beim Espresso. Irgendwie würde das Anwesen, welches auch das gemeinsame Restaurant Gabelspiel beheimatet, eher nach Bogenhausen als nach Giesing passen, aber genau das ist ja der Clou. Genau hier wollten die beiden – Sabrina, Hotelkauffrau und Sommelière aus München und Florian, Hangar 7-erfahrener Koch aus Österreich – ihren Traum vom eigenen Fine-Dining-Restaurant erfüllen. Warum hier? Weil es eigentlich so gar nicht nach Giesing und seinem Sechziger-Stadion passt, sagt die Münchnerin, und es deshalb umso spannender ist, hier den kulinarischen Horizont des ehemaligen Arbeiterviertels zu erweitern.
Kennengelernt haben sich die beiden im Tantris ca. 2013, im November feiern sie nun im Gabelspiel ihr Siebenjähriges. Seit fünf Jahren ist das Restaurant mit nur ca. 25 Plätzen (im Sommer kommen noch ein paar Tische in dem erwähnten lauschigen Hinterhof dazu) mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet – im Gegensatz zu den meisten Restaurants dieser Liga haben die Bergers aber keinen großen Investor/Sponsor/Philanthropen im Kreuz, der dem Ganzen auf die Beine geholfen und am Laufen gehalten hat. Man kommt nicht umhin, das Engagement des bei aller Erfahrung jungen Paares zu bewundern – und eins vorweg, selten hat ein Restaurant diese Auszeichnung in München mehr verdient. Auch anlässlich des Jubiläums wurden auf Einladung Auszüge des saisonal wechselnden Menüs genossen – und es war ein Fest.
Und dieses begann mit einem Silvaner Sekt „Brut Nature“ vom Gut Wilhelmsberg aus Franken – schönen Noten von Toast und Apfel, überhaupt werden im Gabelspiel überwiegend Bio- und Naturweine angeboten, darüber hinaus wird auf importierten Salzwasserfisch verzichtet. Den Stil seiner Küche würde Florian Berger als „österreichisch-deutsch-französisch“ bezeichnen und das spiegelt die Stationen seiner Ausbildung wieder. Es geht los mit einem Gruß aus der Küche, der sich schon bald zur kulinarischen Fanfare entwickelte: die Tomaten-Essenz in einer kleinen Tasse wurde mit etwas Schnittlauch-Öl aufgefrischt; eine Kakaobutter-Praline war mit würziger Reduktion gefüllt und trug nicht umsonst den Namen „Kräuterexplosion“; ein Mini-Taco war mit Alge, Rinderzunge und Kimchi, das Rote-Bete-Cannoli mit bestem Ziegenfrischkäse gefüllt – der Gast gibt sich beindruckt den einzelnen Komponenten hin und kommt nicht umhin, sich zu fragen, wie die Küche diesen Einstieg noch zu steigern gedenkt.
Die Antwort kommt in Form einer Eierschale auf Moos gebettet, die eine weißen Creme aus 60 Monate gereiftem Parmesan und eine gelbe Emulsion aus Schinken beinhaltet – geht’s noch? Berger lacht, ja, es geht noch, und es wäre ihm natürlich bewusst, dass er mit diesem Einstieg die Geschmacksnerven des Gastes erst mal aufwecken würde. Doch was nun kommt, hat niemand erwartet: zu einem wunderbar nussigen Vouvray-Süßwein gesellt sich eine „Faux Gras“ – die falsche Gänsestopfleberpastete entpuppte sich als eines der besten vegetarischen Gerichte, die der Autor gegessen hat. Nüsse, Pilze, Rote Bete, etwas Alkohol (Port, Sherry?) – mehr möchte Florian nicht verraten über die in sechs Monaten (!) entwickelte Komposition, die verblüffende Anklänge an Foie Gras im Kopf und am Gaumen erzeugen kann. Im Mittelalter hätte man den Mann als Hexer verbrannt, soviel steht fest – heutzutage sollte er allein für dieses Gericht mit einem weiteren Stern belohnt werden.
Und es geht weiter: Eine Tranche Saibling wurde mit einem Apfel-Meerrettich-Baiser und Kräuterstaub getoppt, dazu ein gelber Muskateller aus der Südsteiermark, dessen florale Noten schön zu den essbaren Blüten passten, die Säure bestens zum Fisch. Als „Herbstgruß“ folgte Kräuterseitling mit einem Eis aus fermentiertem Senfkohl (irre!) und einer Pilz-Panna Cotta, dazu ein recht kantiger Chardonnay aus Südafrika, der durch seine Küstennähe über salzige Noten verfügte. Als Hauptgang dann Kaninchen-Filet mit einer Mais-Krokette und sauer eingelegten Auberginen-Röllchen mit Jus und Feigenblattöl, Sommelière Theresa Laubmeier reicht dazu den armenischen Amphoren-Wein Karasi vom Weingut Zorah, gekeltert aus der autochthonen Areni Noir-Traube – entwickelt sich im Glas, hat leichte Pinot-Anklänge und passt gut zum sehr zarten Fleisch. Als Dessert dann eine eher verhaltene Panna Cotta vom Koji-Reis-Sorbet, die aber frech vom Kirschkompott mit Szechuan-Pfeffer aufgepeppt wurde. Der Portwein dazu klassisch, eine köstliche Selektion bestehend aus Praline, Karamellküchlein, Fruchtgelee und Florentiner runden dieses Festmahl ab.
Fazit: Wer junge, innovative Küche auf der Höhe der Zeit bei bestem Service genießen und seinen kulinarischen Horizont erweitern möchte, sollte einmal bei Sabrina und Florian Berger in ihrem Sterne-Lokal am Stadion vorbei schauen. Klar, hat das seinen Preis: sechs Gänge kosten 170 Euro (inkl. diverser Grüße aus der Küche), Weinbegleitung 6 Gläser für 77 Euro kommt noch dazu. Für besondere Anlässe, und eins steht fest: Das Geschmackserlebnis ist praktisch unbezahlbar.
Autor: Rainer Germann
Gabelspiel, Zehentbauernstraße 20
Di-Sa: 18.30 bis 24 Uhr, Tel.: 089 122 53 940, Webseite