Michael Pendry

„Menschen zum Staunen bringen“: Künstler Michael Pendry im Interview

Münchner Taubenfreund: Michael Pendry verbreitet mit seinen kunstvollen Friedensbotschafterinnen weltweit Hoffnung

Herr Pendry, Ihre Friedenstauben fliegen hoch oben im Gewölbe der Heilig-Geist-Kirche – nicht nur ein wunderschöner Anblick, sondern auch ein Ort zum Durchatmen, mitten in der Hektik der Innenstadt. Wie froh macht es Sie, wenn Sie Münchner, Touristen, Zufallsbesucher beobachten, die plötzlich ruhig werden und einfach nur staunen?
Ich denke, es ist das größte Lob und die schönste Bestätigung für einen Künstler, wenn er Menschen zum Staunen bringen oder sie berühren kann, mit dem was er tut. Dann hat er als Künstler schon gewonnen.

Ihre Installationen begeistern mittlerweile Friedensfreunde weltweit. Was hat Sie ursprünglich hier in München auf die Idee gebracht?
Damals hat mich Andrea Elisabeth Lutz, die Kulturmanagerin der Erzdiözese München und Freising, kontaktiert. Sie hat mich um eine große Kunstinstallation für die Kirche gebeten und zwei Orte vorgeschlagen: Die Heilig-Geist-Kirche und St. Maximilian. Ich hatte zu dem Zeitpunkt noch nie etwas für Kirchen gemacht, und wollte das auch erstmal gar nicht …

Ist ja auch ein nicht ganz alltäglicher Ausstellungsort.
Ich habe mich dann aber eine Woche lang in die Heilig-Geist-Kirche am Viktualienmarkt gesetzt, und überlegt: Soll ich, soll ich nicht, und was mach’ ich überhaupt? Dann sind mir die Tauben überall im Stuck, in den Altarbilder usw. aufgefallen. Ich begann zu recherchieren und mich dem Thema anzunähern. So war die Idee des Schwarms der Tauben geboren und die gesamte Installation inklusive Licht- und Soundteppich – die man hoffentlich, sobald die Finanzierung steht, im September wieder abends für vier Wochen sehen kann.

Wofür eine Taube stehen kann, versteht so gut wie jeder Mensch auf Anhieb: Was macht für Sie die Symbolkraft aus?
Das Symbol ist so einfach und simpel, und weckt doch so ursprüngliche und tiefe Emotionen. Jeder Mensch hat sofort einen Bezug.

Wie entstand eigentlich der Wunsch, die Tauben fliegen und reisen zu lassen?
Das hat sich zum einen von selbst entwickelt, weil Anfragen kamen. Außerdem entspricht es der Idee des Projektes, ein Art-For-Peace Projekt, ein Schwarm von Tauben, der größer wird, von Ort zu Ort und über alle Landesgrenzen hinausfliegt. Ich habe es aber auch selbst forciert, wollte mit dem Projekt unbedingt nach Jerusalem, London und San Francisco. New York, Washington DC und Salisbury haben sich dann ergeben.

Welche Räume, aber auch welche Orte, Menschen und Stimmungen vor Ort haben Sie bei der Tauben-Reise selbst am stärksten beeindruckt?
Schwer zu sagen. Jeder Ort hat etwas Besonderes, und zu jedem Ort, zu jedem Aufbau und jeder Ausstellungszeit kann ich natürlich Geschichten erzählen, das würde wahrscheinlich ein Buch füllen. Aber mit Sicherheit war Salisbury ein besonderer Ort mit tollen Erinnerungen – das Städtchen, die Menschen, die Tauben, die in der ganzen Stadt gefaltet wurden und in Schaufenstern hingen – vom Buchladen über den Supermarkt bis hin zu Pizza Hut.

Ihre Installation war in gotischen Spitzbögen, rohen Mauersteinen, unter altehrwürdigen Steinkuppeln zu sehen. Wie reizvoll ist der Kontrast mit der barocken Formenvielfalt hier in München?
Das funktioniert wunderbar und ist ein großartiger Spannungsbogen von zeitgenössischer Kunst: der Schwarm der schlichten weißen Tauben im Kontrast zum üppigen Barock.

Ihr Ziel ist es ja, die Friedensbotschafterinnen wieder nach Jerusalem zu bringen. Warum ist das so ein besonderer Ort?
Jerusalem ist für mich ein besonderer Ort, einer der verrücktesten, die ich kenne – im Positiven und im Negativen. Ich wollte die Friedenstauben in diese Region bringen, weil ich dachte, es ist an der Zeit und sinnvoll. Ich bin überzeugt, dass auch Kunst etwas bewegen kann.

Ihre Pläne, was Jerusalem angeht, gerieten zuletzt aus naheliegenden, traurigen Gründen erst einmal ins Stocken. Wie steht es um Ihre Hoffnung, dass und wann es zu einer friedlichen Lösung in Israel kommt?
Uff, das ist eine schwierige Frage, über die sich viele Menschen den Kopf zerbrechen. Sehr komplex und von außen oft kaum zu verstehen. Es ist ein so langer Konflikt mit so großen Verhärtungen auf beiden Seiten. Wobei die junge Generation oft sehr anders denkt und nicht die Kriegstreiber sind. Sie möchte den Friedensprozess sicher beschleunigen. Ich kann nur für mich sagen, dass kein einziges Menschenleben, das in diesem Konflikt „geopfert“ wird, gerechtfertigt ist. Egal auf welcher Seite.

Bitte ein Kenner-Tipp: Wann ist Ihrer Meinung ein besonders schöner Moment, um Ihre Tauben in der Heilig-Geist-Kirche zu besuchen. Gibt es ein besonders schönes Licht dafür?
Wenn nicht so viel Touristen da sind. Ansonsten ist der Schwarm beleuchtet. Das heißt, man kann ihn zu jeder Tageszeit gut sehen.

Ihre Tauben sind tatsächlich sogar Brief-Tauben: Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, sich bei der Vergrößerung des Schwarms durch Mit-Falterinnen und Mit-Falter helfen zu lassen?
Das war immer die Idee, den Schwarm von unterschiedlichsten Menschen falten zu lassen – egal welcher Religion, welcher Herkunft, welchen Alters. Eine Interaktion mit der Kunst!

Wie geschickt muss man sein: Schafft man es eigentlich auch mit den berühmtberüchtigten linken Händen, eine Taube zu falten?
Ach, das ist nicht so schwer. Und wir haben eine recht simple Faltanleitung, die gut zu verstehen ist. Zur Not helfen wir.

Hand aufs Herz: Wie schnell sind Sie selbst, wenn Sie Tauben falten – geht das nicht mittlerweile auch mit verschlossenen Augen?
Ich kann das tatsächlich allmählich auch mit geschlossenen Augen. Ganz ehrlich, egal wo wir mit den Tauben auf der Welt sind, die Menschen sind sehr angetan davon, ihre eigenen Tauben zu falten. Wir nehmen auch alle Tauben mit auf die Reise.

Natürlich ist die Kunst nicht wirklich der Ort, an dem es um sehr konkrete politische Forderungen oder diplomatische Vorschläge zur Verbesserung der Welt geht. Trotzdem: Sie scheuen nicht davor zurück, die Themen der Zeit, die Bedrohung durch Kriege, zu thematisieren. Wie viel kann aus Ihrer Sicht ein künstlerischer Perspektivwechsel bewegen und kann er bestenfalls bei den Menschen gute Gedanken in Gang bringen?
Wie ich schon sagte, ich bin überzeugt davon, dass Kunst etwas bewegen kann: Art can make a change. Selbst, wenn es nur der Moment ist, der Menschen aus ihrem Alltag bringt, sie einen Ort anders wahrnehmen und vielleicht einfach mal innehalten lässt. Kunst muss nicht immer schockieren oder provozieren, um zu bewegen.

Wenn Münchner von Tauben in der Innenstadt sprechen, fallen leider nicht immer freundliche Worte. Was entgegnen Sie eigentlich, wenn mal wieder zu leidenschaftlich über vermeintliche Plagen geschimpft wird?
Lol! Das berührt mich nicht. Das assoziiere ich nicht mit meinem Projekt.

Sie bleiben selbst oft in Bewegung – meist zwischen London und München. Wie wichtig ist Ihnen aber die Verankerung hier vor Ort? Immerhin sind Sie mit Ihrem Atelier im Werksviertel jetzt wieder ganz nah an den Tauben – und an dem Ort, wo für Sie vieles begann.
Ich bin Münchner, das ist meine Heimat. Aber da ich halber Engländer bin, zieht es mich auch nach England und in die Welt hinaus. Das habe ich von meinem Vater in die Wiege gelegt bekommen. Vor Corona war ich kurz davor, in die USA zu ziehen. Das ist aber erstmal auf Eis gelegt. Wobei, ich liebäugle immer damit, vielleicht ein kleines, zweites Studio in Brooklyn zu haben.

Wenn Sie durch die Stadt flanieren, wie oft statten Sie Ihren Tauben eigentlich selbst noch einen Besuch ab – und was macht so ein Innehalten mit Ihnen?
Wenn ich in München bin, schaue ich gerne zu meiner Installation, zumal wir Dienstag bis Samstag auch einen kleinen Infostand vor Ort haben, an dem man sich über das Projekt informieren kann und auch Tauben falten oder Postkarten von der Installation kaufen kann. Und ich werfe gerne einen Blick auf den Schwarm der Friedenstauben: Klar, er berührt mich immer wieder, obwohl ich diese Arbeit schon so lange kenne. Wahrscheinlich wird sie mich mein Leben lang begleiten. Irgendwie bin ich der Taubenmann!

Michael Pendry ist ein Münchner Multimedia-Künstler und Designer mit einem Atelier im Werksviertel, der weltweit Beachtung findet. Seine Installation „Les Colombes … Die weißen Tauben“ ist bis Ende Oktober täglich in der Heilig-Geist-Kirche am Viktualienmarkt zu sehen. Ein tief bewegendes Erlebnis! www.michaelpendry.de