Neben dem Biergarten ist das Freibad das wichtigste Biotop des Sommers. Ein paar Gedanken für Urlauber und Daheimgebliebene.
Ok, folgende Szene: Wochenende, Vormittag, gutes Wetter. Ort: der Einlass zum Schyrenbad. Ein mit Luftmatratze, Picknick-Korb und Badetasche von oben bis unten vollgepackter Mann weiß sich angesichts seiner ca. fünfjährigen, wild hin und her wuselnden Tochter nicht mehr zu helfen, greift zu drastischen Maßnahmen und bugsiert sie schließlich sachte tretend durchs metallene Drehkreuz hinein gen Liegewiese. Die in ihrer Bewegungsfreiheit plötzlich so arg beengte Tochter, deren dicke Backen lustig durch die Zwischenräume der Metallstreben quellen, nimmt’s gelassen; weiß sie doch tief drinnen, dass der Herr Papa es nur gut meint und sie nach der gerade mit ihr vollführten 90-Grad-Drehung wahrscheinlich schneller im erfrischenden Nass sein wird, als wenn sie weiterhin als Springinkerl durch die Gegend hüpft.
So gesehen am Samstag, den 20.7. um ca. 11:30 Uhr. Sollte der Vater durch Zufall diese Zeilen lesen: „Chapeau! So geht „good parenting“, wie man sagt!“ Und die Umstehenden fanden’s auch lustig.
Das Freibad als Gleichmacher
Der Clou: Beim Eintritt zu fast jedem anderen Ort der Welt hätte die Tochter völlig zurecht protestiert. Aber beim Freibad mit all seinen irdischen Freuden war das schon ok. Und damit sind wir, nachdem wir uns im letzten Heft an dieser Stelle mit dem Phänomen „Biergarten“ beschäftigt haben, bei einem weiteren Biotop, das zwar auf der ganzen Welt aufzufinden ist, aber durchaus in einer ganz eigenen Münchner Ausprägung existiert. Und auch die Freibäder sind, ähnlich den Biergärten, große Gleichmacher. Der Typ, der da nebenan liegt, mit der blauen Speedo und dem Anker-Tattoo auf dem Oberarm… Ist der Oberstudienrat? Privatier? Metzger? Wurscht! Er ist da, um sich zwischen Pommes und Eis, die Wadeln etwas abzukühlen. Mehr muss man nicht wissen. Auch, wenn man im Schwimmbad durch Wasserbälle, die über den mitgebrachten Nudelsalat rollen oder quer durch die Schwimmbahn raufende Jugendliche oft mit seiner direkten Umwelt konfrontiert wird, gilt hier wie überall: Leben und leben lassen. Und zwar alle und jede*n. Was einen netten Ratsch mit der Nachbarsbadegruppe nicht ausschließen soll.
Ort der Mini-Dramen und Heldenreisen
Wer sich zwischen der Entspannung auch mal selbst beweisen will, kann auch das im Schwimmbad tun, frei nach dem Motto: Keine Treppe erklimmt sich so leicht wie die der kurvigen Wasserrutsche. Keine Treppe erklimmt sich so schwer wie die des 10-Meter-Turms. Das Schöne dabei: Auch wenn man nicht springt und die lange Leiter vom Turm lieber wieder hinabsteigt, beweist man vor den Mitwartenden den Mut zum eigenen Entschluss zu stehen und den Sprung vom Zehner eben nochmal zu vertagen.
Sie sehen, wenn man im Schwimmbad als unbeteiligter Beobachter weilt, wird man Zeuge diverser Mini-Dramen und Heldenreisen. Nicht umsonst hat das Freibad in junger Vergangenheit auch zwei Spielfilme inspiriert: Dorris Dörries „Freibad“ und Marcus H. Rosenmüllers „Beckenrandsheriff“. Die find ich zwar nicht gut, aber in ihrem Kern erzählen sie beide von kultureller Akzeptanz und gesellschaftlichem Miteinander erzählen. Das Wichtigste am Schwimmbad haben sie also erkannt. Drum an alle Daheimgebliebenen, Urlauber*- und Seepferdchenanwärter*innen: Habt’s einen schönen Sommer! Und zwar alle miteinander!