Von der Krippe ins Grab: Betreutes Rocken mit The Godfathers im Backstage
Peter Coyne ist ein Mann, dem man besser nicht blöd kommt, nach dem vierten Pint im Pub. Nach eigener Aussage in einem Interview 2020 hätte er nach einer kurzen Karriere als Musikjournalist auch Bankräuber oder Drogendealer werden können, wenn es mit der Musik nicht geklappt hätte. Doch es kam anders: Nach einem Achtungserfolg mit dem ersten Album „Hit By Hit“ 1987, veröffentlichte die Londoner Band im Folgejahr die Working Class-Hymne „Birth, School, Work, Death“ – ein Riff-Rock’n’Roll-Monolith in einer eher schon Richtung elektronischer Zukunft geprägten Soundlandschaft. Das gleichnamige Album dazu war Kult und die Godfathers um die Brüder Peter und Chris Coyne, die ohne weiteres als die musikalische Inkarnation der berühmten Kray-Zwillinge auch optisch durchgegangen wären, spielten schweißtreibende Livekonzerte.
Der Autor durfte sie damals gleich mehrmals erleben, unter anderem in der legendären Theaterfabrik in Unterföhring, später dann auch im Hansa 39. Als bekannt gegeben wurde, dass das Album nun in seiner Gänze zum 35. Jubiläum live aufgeführt wird, war klar: da muss man hin. Die Münchner Beatband Smart Patrol legte schon mal vor und kurz nach 21 Uhr enterten Peter Coyne, der mittlerweile seinen obligatorischen Anzug gut ausfüllt, und die seit 2019 neu besetzten Godfathers mit Ex-The Damned-Bassist Jon Priestley, den Gitarristen Richie Simpson und Wayne Vermaak sowie Schlagzeuger Billy Duncanson die Bühne der leider nur halb gefüllten Backstage Halle. Im Publikum überwiegend Herren im besten Alter, die anwesenden Damen schon bald in flotter Tanzlaune. Vom ersten Song „This Is War“ glasklarer Sound, die vereinzelten „Lauter“-Rufe gegen Mitte der Show waren wohl eher den daheim vergessenen Hörgeräten der anwesenden Altpunks geschuldet. Betreutes Rocken war hier angesagt, von einem bestens gelaunten Peter Coyne als Zeremonienmeister im Gangsterlook, der Deutschland liebt, wie er bekundet, nur Fritz Cola findet er „shit-scheiße“. „She Gives Me Love“ vom dritten Album „More Songs About Love And Hate“ ein früher Höhepunkt, überhaupt werden erst einmal ein paar Klassiker wie „OCD“, „How Low Is Low“ und „Lay My Money Down“ zum Aufwärmen dargeboten, bis mit dem „Walking Talking Jonny Cash Blues“, der auch „gut aufs Oktoberfest passen würde“, so Coyne, die Party richtig Fahrt aufnimmt.
„Birth, School, Work, Death“ – was soll man sagen, Augen zu und es war wieder 1988, die Band spielt wie ein Uhrwerk, ein großer (Punk-)Rocksong, der in vier Wörtern vieles auf den Nenner bringt, wofür andere Romane gebraucht haben. Danach das komplette Album, man freut sich über Lieblingssongs „If I Only Had Time“, Priestley brilliert am Bass und den hohen Backings, „It’s So Hard“ und dann wieder die Fäuste gen Hallendecke gereckt bei „Cause I Said So“, noch so ein Knaller, der einem nicht aus dem Kopf geht, obwohl man ihn seit 30 Jahren nicht mehr gehört hat. „Love Is Dead“ hat immer noch diesen morbiden Charme und „Unreal World“ vom gleichnamigen vierten Album, kann auch heute noch mit dem damals schwer angesagten Manchester Rave-Groove die Beine zucken lassen. „This Damn Nation“ vom Debüt könnte bezüglich Brexit als visionär bezeichnet werden und „I Want Everything“ beschließt das Set dieser Zeitreise. Doch nicht genug: Mit dem Glam-Knaller „I Want You“, der Single „I Can’t Sleep Tonight“ und dem formidablen Beastie Boys-Cover „Fight For Your Right“ geht die tolle Party nach eineinhalb Stunden zu Ende. Schön, dass man sich mal wieder gesehen hat, das gilt für Publikum und Band.