Zu unserem Biergartenfahrplan ein paar Gedanken über eines der archetypischen Biotope unserer Stadt.
In einer teuren Stadt wie München kommt es immer seltener vor, dass sich die unterschiedlichen Schichten, Lebensentwürfe, Altersstufen, Szenen und sonstige Brackets in ihrer Freizeit- und Abendgestaltung vermengen. Während die einen im P1 dem Dolce Vita frönen, die nächsten auf Raves dem Gabber huldigen, die dritten im Baader Café Pastis genießen, tanzen die anderen im Kafe Marat Pogo – Durchmischung geschieht da eher wenig. Und doch gibt es einen Ort, wo der junge stachelhaarige Punk aus Laim mit dem eher wohlsituierten Bogenhausener Best-Ager in nächster Nähe zusammensitzt.
Hier geht es zum neuen Biergartenfahrplan München
Oder eben andersrum auch der alte Punk mit dem zerfallenden The Exploited-Shirt auf den 16-jährigen Karl-Theodor zu Guttenberg-Klon in der Burberry-Jacke (von denen gibt es ja doch einige in der Stadt) trifft. Nein, die Rede ist nicht vom Hausarztpraxis-Wartezimmer oder Ähnlichem, sondern vom Hort der Liberalitas Bavariae schlechthin, nämlich dem Biergarten! Und weil der ebenso zu München gehört, wie die hohen Mitpreise, die Isar und das in ihm ausgeschenkte Fluidum, haben wir unserem aktuellen Heft einen Biergarten-Fahrplan beigelegt. Zur Orientierung und Inspiration, auf dass die Wechselhaftigkeit des Juniwetters sich endlich zupft und man auf Entdeckungstour gehen kann, in welchem Kastanienbaumschatten der Obazde und die Mass denn nun am besten schmecken.
Faszination Biergarten
Aber warum vermischen sich die Leute denn grad im Biergarten so selbstverständlich? Weil der, wie man heutzutage so oft hört und zurecht fordert, eben schon von jeher eine „niederschwellige“ Einrichtung ist. Es gibt keine Konsumpflicht und Essen darf man sich ohnehin von daheim mitnehmen. Das alles in der schönen Vegetation unseres Voralpenlandes, oft bei guter Dixieland- und Jazz-Musik. Kein Wunder, dass das allen gefällt und sich hier quasi jede*r wohlfühlt. Daher ist es ebenfalls einleuchtend, dass manche Wirte, so z.B. Thomas Fesenmair vom Königlichen Hirschgarten, entschieden haben, keine Spiele der Fußball-EM bei sich zu zeigen. Denn ein bisschen gegen das Konzept läuft das Public Viewing schon. Nicht, dass Fußball immer zu ausschließendem Verhalten führen muss, im besten Fall fördert er Weltoffenheit, Toleranz und Großherzigkeit – drei der Grundpfeiler der liberalitas bavariae. Wenn man ganz ehrlich ist, lassen der Sport und seine Anhänger*innen aber eine gewisse Gemütlichkeit, die ebenfalls zum Biergarten-Konzept gehört, leider doch schnell abhandenkommen. Dadurch ist dann das „Lem und lem lossn“ wie’s in der bayrischen Wikipedia formuliert ist, untergraben, ausgehebelt, ja zunichte gemacht.
Fazit
Sie merken, ich schau eher wenig Fußball. Im Biergarten sitz ich aber gern. Und daher nun noch kurz ein ernster Schluss, weil es leider Grund dazu gibt: Wer im Biergarten rechtsradikale Parolen herumplärrt oder leise unter der Hand flüstert oder eigentlich auch „nur“ denkt, ist ein Nazi-Arsch, der an diesem Ort nichts zu suchen hat. Und obendrein hat er*sie eben auch das erläuterte Grundprinzip des Biotops, in dem er*sie gerade weilt nicht mal im Ansatz verstanden. Allen anderen wünsche ich wunderbare Abende in den Horten der Liberalitas Bavariae.