Zu unserem Eisdielenfahrplan ein paar Gedanken über die sommerliche Süßspeise.
Liebe Leser*innen, in unserem aktuellen Heft finden sie mittig beigelegt unseren Eisdielenfahrplan 2024, der sie zu Diskussionen und / oder Erkundungstouren zu über 100 Gelaterias einladen soll. Wer also schon immer den Traum hatte, endlich herauszufinden, in welchem Café Münchens und des Umlands die Kugel Stracciatella die optimale Creme-zu-Schokostückerl-Ratio aufweist, hat für etwaige Recherche-Expeditionen nun einen starken Partner an der Seite. Ebenso fällt dem*der geneigten Plan-Betrachter*in vermutlich auf, wie sich die Eis-Szene unserer Stadt in den letzten Jahr(zehnt)en gewandelt hat. Vorbei scheinen die Zeiten als Schlumpfeis noch der heiße Scheiß war und man damit noch anecken konnte. Unter Sorten wie Marille-Spargel-Kardamom geht heut ja gar nix mehr. Ich übertreibe natürlich, aber die Eis-Palette ist wahrlich breiter geworden im Vergleich zu der aus meiner noch nicht sooo lang vergangenen Kindheit. So hätte ich einen Großteil meines Lebens den Menschen belächelt, der mir weismachen wollte, dass Zitroneneis unter Beigabe von Basilikum noch verbessert werden könnte und jetzt hock ich da, in meiner Sturheit vorgeführt, und hau mir das Sorbet in obszönen Unmengen rein. Die noch extravaganteren Kreationen, wie Weißwurst, Rindsroulade, die manch verrückter Eismacher im Sortiment hat, meide ich dennoch weiterhin. Nicht mal auf den Probierlöffel, den ich nebenbei für eine schöne Entwicklung der letzten Jahre halte, kommen mir die.
Dom-Perignon-Eis?
Immer öfter liest man von besonders extravaganten und auch elitären Eis-Kreationen. Da gab es letzte Saison bspw. Dom-Perignon-Eis, die Kugel für 30 Euro. Mir ist schon klar, dass das in München ankommt, dennoch untergräbt es eine der nettesten Eigenarten von „normaleren“ Eissorten. Mit das schöne am Eis ist doch: Jeder kann es sich irgendwie leisten und alle mögen es. Niemand will es einem vergällen. Noch die strengsten Ernährungsberater*innen wissen, dass ihre Verfügungsgewalt gedeckelt ist, denn: Eis muss sein. Da kann man noch so sehr Jünger der Montignac-Methode oder Gefangener der Hollywood-Stardiät sein; Eiscreme und der mit ihr einhergehende Genuss wird immer die Oberhand und das letzte Wort haben. Wofür sind wir denn sonst auf der Welt, liebe Leute?
Das klang jetzt etwas pastoral. Vielleicht sollte ich die Furtner‘sche Eis-Sekte gründen; Freie Liebe und Gelato – das hätte sicher Zulauf. Bis ich mit Eiscreme mit Kool-Aid-Geschmack ankomme und meine Schäfchen skeptisch werden. (Wer das nicht versteht, google bitte). Aber in der Tat kann uns das Eis das Leben lehren. Es zeigt: Wenn sich uns Chancen auf Genuss bieten, muss man sie nutzen, denn: Dem Eis in seiner schmelzenden Veranlagung ist der Verfall immanent. Jede Kugel Eis ist süß – oder eben nach Rindsrouladen – schmeckende Vergänglichkeit. Auch wenn sie sich eventuell eine Ewigkeit an den Hüften festzusetzen scheint. Puh, jetzt sind wir endlich wieder im Weltlichen angekommen. Sie sehen: Man kann über Eis auch wunderbar prätentiös schwadronieren. Ist ihnen eigentlich klar, dass ich diesen Text hier schreibe ohne auch nur einen Löffel Eis in meiner Nähe? Gut, dass wir diesen Fahrplan-Beileger haben. Schau ich doch gleich mal nach. Wo samma nomoi? Müllerstraße… Ok… Mjam… mjam…