Von Fotos zu digitaler Kunst, von klassischer Malerei zu Mode – Die Museen im Februar
Leider beklemmend aktuell – Die Sonderausstellung Eine bomben Aussicht – Fotoausstellung von Christian Springer und Albert Kapfhammer (8.2. – 16.4.) im Valentin Karlstadt Musäum: Ein Mann trägt eine schwarze Aktentasche auf dem Kopf. Er sitzt am Fluss, kauft ein, überquert die Straße, liest. Der Münchner Kabarettist Christian Springer, der unter der Aktentasche steckt, ist, mit ihr über dem Kopf gestülpt auf Schwarz-Weiß-Fotografien in absurd-komischen Szene abgebildet. Es ist keine Idee von Christian Springer, sondern der ernsthafte Appell der Bundesregierung in den 1960er Jahren, sich mit einer Aktentasche auf dem Kopf vor einem Atomkrieg zu schützen. Denn „jeder hat eine Chance“, so der damalige Slogan der Kampagne. „Das ist absurd“ kommentiert Springer, denn „der einzige Weg, einen Atomkrieg zu überleben, ist, keinen Atomkrieg zu haben.“ Begleitet von der bemerkenswerten Renaissance des Wortes Atombombe, spätestens seit Putins Angriff auf die Ukraine, ist es Springers satirischer Kommentar zum Zeitgeschehen, in dem die Menschen alle Sinne, wie die für Verhalten, Umwelt, Politik, Gerechtigkeit und Solidarität, zu verlieren scheinen. Der Fotograf Albert Kapfhammer hat die absurden Szenen aus dem Alltag in bemerkenswerte Schwarz-Weiß-Fotografien umgesetzt, die im besten Fall auch als Anti-Kriegs-Aufruf verstanden werden können.
Von s/w zur digitalen Kunst: Tobias Staab und Nadja Sofie Eller untersuchen in ihren Arbeiten das Wesen der Transformation und ihrer sozialen und emotionalen Auswirkungen. Im Fokus ihrer Raum- und Video-Installationen, die unter dem Titel Morphologies vom 1. – 11.2. im Muffatwerk steht der menschliche Körper an der Schwelle zwischen materialer Präsenz und digitaler Repräsentation. Ausgangspunkt ist die physische Auseinandersetzung mit Tänzer*innen, mit denen ein Bewegungsvokabular entwickelt wird, das dann ins Digitale übersetzt wird. Die Bilder und Videos, die dabei entstehen, durchlaufen im Dialog mit Künstlichen Intelligenzen immer wieder virtuelle Mutationen und schaffen einen unheimlichen Raum zwischen organischer Wetware und algorithmischen Träumen. Die Musik sowie die Klanginstallation aller Arbeiten in „Morphologies“ stammen vom Münchner Komponisten und Soundartist Beni Brachtel, mit dem Staab/Eller seit „Trans Corporal Formations“ eine enge künstlerische Zusammenarbeit verbindet. Den Original-Score von Autonomous Avatar spatialisierte Brachtel im 64-Channel Raumklangsystem des Planetariums Bochum.
Vom eher lässigen Berliner Lebensrhythmus erzählen die Bildwelten des Malers Maximilian Kirmses, ohne große Dramen zu bemühen oder absurde Motive erfinden zu müssen. Fern touristischer Großstadtphantasien, die vom alten glamourösen Westen, von schlafwandelnden Party-People in Mitte oder von coolen Hipstern in der gentrifizierten Stadtlandschaft am Prenzlauer Berg träumen, greifen die Zeichnungen und Malereien das unaufgeregte Leben in seinem Kiez auf. Im Kontrast zu den genannten Klischees wirkt diese Alltäglichkeit umso verstörender, weil sie jedwede Sensationslust ins Leere laufen lässt und ihr vice versa den Spiegel vorhält. Dabei scheinen seine Szenen immer aus neutraler Distanz heraus beobachtet zu sein, sodass sie weder als „Milljöh“-Studien noch als Chronik einer Großstadt zu betrachten sind. Die kuratorische Idee von Berlin Mon Amour (8.2. – 5.5.) in der Pinakothek der Moderne stellt Kirmse aber auch als einen Künstler in der Tradition von Künstler*innen vor, die durch das 20. Jahrhundert hindurch Berlins coolem Charme erlegen sind und wie er ein eigenes Ding mit der Stadt am Laufen hatten und haben, um es etwas umgangssprachlich zu formulieren. Zu ihnen gehören unter anderen Max Beckmann, Georg Grosz, Jeanne Mammen, Werner Heldt, Christa Dichgans, K. H. Hödicke, Olaf Metzel und Anne Imhof.
Nun noch ein Blick aufs Detail. Die Reihe All Eyes on (Bis 2.6.) setzt inmitten der Galerie der alten Pinakothek ein Werk oder eine Werkgruppe, eine bedeutende Künstlerpersönlichkeit oder künstlerische Position, Neuerwerbungen und mehr in Szene. Auf diese Weise eröffnen sich neue, aktuelle Perspektiven und vielfältige Einblicke in die Forschungsarbeit an den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Das tragische Schicksal der Lucretia, die sich vergewaltigen lässt, um die Ehre ihrer Familie zu retten und anschließend Selbstmord begeht, galt im 16. Jahrhundert als Vorbild weiblicher Tugendhaftigkeit. Albrecht Dürer und Lucas Cranach d. Ä. reduzieren die Geschichte auf die lebensgroße Aktfigur und nutzen so das humanistische Bildthema für die Darstellung sinnlicher Erotik. Im 17. Jahrhundert wurden beide Bilder in München optisch „entschärft“ und gemeinsam präsentiert. Die Präsentation erzählt die ungewöhnliche Geschichte der beiden Gemälde und soll dazu anregen, über die ganz aktuellen Fragen, unter welchen Bedingungen Darstellungen von Nacktheit als akzeptabel oder als unangemessen beziehungsweise verletzend bewertet werden, nachzudenken.
Zum Schluss etwas Fashion: Die Kunsthalle München zeigt die erste große Retrospektive des niederländischen Designerduos Viktor&Rolf (ab 23.2.) in Deutschland. Mit atemberaubender Virtuosität loten Viktor Horsting und Rolf Snoeren seit über 30 Jahren immer wieder die Grenzen zwischen Couture und Kunst aus. Ihre Meisterwerke wurden von Künstler*innen wie Madonna, Tilda Swinton, Lady Gaga, Doja Cat und Cardi B getragen sowie in Ballettproduktionen und in einer Oper, unter Regie von Robert Wilson, in Szene gesetzt. Rund 100 der kühnsten Stücke des ebenso visionären wie leidenschaftlichen Duos werden nun in einer spektakulären Inszenierung erlebbar gemacht. Viele Kreationen sind zum ersten Mal ausgestellt – zusammen mit zahlreichen Videos, Skizzen und handgefertigten Porzellanpuppen, die mit den ikonischen Kreationen der Designer gekleidet sind, sowie mit Werken von renommierten Foto-Künstler*innen wie Andreas Gursky, Ellen von Unwerth oder Herb Ritts.